Entscheidungsdatum: 21.09.2016
Zum Nachweis eines vor der Beschlagnahme eines Mietgrundstücks mit einem Verwandten des damaligen Eigentümers abgeschlossenen Mietvertrags und der Erbringung einer behaupteten Einmalzahlung auf die Miete (im Anschluss an Senatsurteil vom 18. September 2013, VIII ZR 297/12, NZM 2013, 854 Rn. 15).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 7. Oktober 2015 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gebührenstreitwert: bis 5.000 €
I.
Der Kläger ist am 27. Juni 2013 zum Zwangsverwalter des Hausgrundstücks H. straße in L. bestellt worden. Er begehrt von dem Beklagten, der in diesem Haus unter Berufung auf einen Mietvertrag wohnt, die Räumung und Herausgabe.
Der Beklagte war zunächst selbst Eigentümer des streitigen Hausgrundstücks gewesen. Schon zu dieser Zeit wurde dessen Zwangsversteigerung durch Grundpfandgläubiger betrieben. Die Mutter des Beklagten ersteigerte das Grundstück und erhielt den Zuschlag am 7. Juli 2009. Am 9. Oktober 2012 verstarb sie und wurde vom Vater des Beklagten beerbt. In der Folgezeit fanden erneut Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Grundstück statt. Bei einem Versteigerungstermin am 13. September 2013 wurde kein Gebot abgegeben.
Gegenüber dem klagenden Zwangsverwalter legte der Beklagte die Kopie eines Schriftstücks vor, nach deren Inhalt er mit seiner Mutter unter dem 25./28. August 2009 einen Mietvertrag über das streitige Wohnhaus geschlossen hat. Dort findet sich unter § 3 die folgende Klausel:
"Der bereits am 16. Juni 2009 eingegangene und nach Ausweis Herrn S. R. [= Bekl.] zustehende Betrag über rund 157.000 € auf das Konto […], Inhaberin H. R. [= Mutter des Bekl. und Vermieterin] wird als Mietzahlung (einmalige Gesamtmietzahlung) vereinbart und stellt die beabsichtigte und tatsächliche Miete für die gesamte Vertragsdauer dar. Darüber hinaus wird keine weitere Mietzahlung oder Nebenkostenzahlung geschuldet."
Mit Rücksicht auf die von ihm behauptete Einmalmietzahlung leistete der Beklagte keine Mietzahlungen an den Kläger. Dieser macht geltend, der Mietvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, weil er nur auf Schädigung der Zwangsvollstreckungsgläubiger gerichtet sei. Daneben hat der Kläger die fristlose Kündigung wegen ausgebliebener Mietzahlungen erklärt. Die Räumungsklage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten.
II.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Räumungsanspruch zu. Nach den teilweise wechselhaften Einlassungen des Beklagten stehe für das Berufungsgericht fest, dass entweder überhaupt kein Mietvertrag zwischen dem Beklagten und seiner Mutter als der damaligen Eigentümerin zustande gekommen, jedenfalls aber keine Miete gezahlt worden sei.
Der Beklagte habe in beiden Instanzen keinen nachvollziehbaren Grund nennen können, warum bereits am 16. Juni 2009, mithin zweieinhalb Monate vor dem von ihm behaupteten Abschluss des Mietvertrages Ende August 2009 ein Betrag von 157.971,35 € von einem Notaranderkonto auf das Konto der Mutter gezahlt worden sei. Die Vorlage der Unterlagen zu dem Notaranderkonto, aus denen sich die näheren Umstände und der Grund für die Auszahlung ergeben müssten, habe der Beklagte vermieden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht habe er angegeben, dass es bei der Überweisung noch keinen Rechtsgrund gegeben habe. In der Berufungsverhandlung habe der Beklagte dann erklärt, er habe das Geld aus Grundstücksgeschäften gehabt, dieses sei zunächst ohne Rechtsgrund über das Notaranderkonto an seine Mutter geflossen und später sei dann eine "Verrechnung" mit seinen Mietzahlungsverpflichtungen erfolgt. Angesichts des vom Beklagten vorgetragenen zeitlichen Ablaufs dränge sich indes die Vermutung auf, die Mutter habe das Geld für den Grundstückserwerb in der Zwangsversteigerung verwendet und anschließend in kollusivem Zusammenwirken mit dem Beklagten den Versuch unternommen, das Grundstück wenn schon nicht im Eigentum, so doch im Besitz des Beklagten zu erhalten.
III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil der Beschwerdewert nicht erreicht ist.
1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer von mehr als 20.000 € gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO ist nicht erreicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Beschwerdewert bei einem Streit über das Bestehen eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietverhältnisses, wozu auch ein Mietverhältnis auf die Lebensdauer des Mieters gehört, nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der vereinbarten Nettomiete, also 42 Monatsmieten, zu bemessen (Senatsbeschlüsse vom 16. September 2015 - VIII ZR 135/15, WuM 2015, 681 Rn. 3; vom 14. Juni 2016 - VIII ZR 291/15, WuM 2016, 509 Rn. 1; jeweils mwN). Bei Vereinbarung einer Einmalmiete für eine lebenslange Wohndauer ist zur Ermittlung der Beschwer der Einmalbetrag auf die Dauer der voraussichtlichen weiteren Lebenserwartung des Mieters zu verteilen. Da der Beklagte bei Abschluss des behaupteten Mietvertrags 40 Jahre alt war, ergäbe sich selbst bei einer - eher niedrig angesetzten - Lebenserwartung von weiteren 35 Jahren eine Monatsmiete von (nur) rund 375 € und eine Beschwer von rund 15.750 € (42 Monatsmieten). Auf den objektiven Mietwert kommt es entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht an (Senatsbeschluss vom 23. März 2016 - VIII ZR 26/16, WuM 2016, 305 Rn. 9 mwN).
2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die - im Zuge von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in ein Familieneigenheim durchaus häufiger (und auch hier) zu beobachtende - Konstellation, dass sich ein naher Verwandter des ehemaligen Eigentümers gegenüber dem Zwangsverwalter (oder dem Ersteigerer) auf einen Mietvertrag mit dem früheren Eigentümer beruft, der aufgrund seiner ungewöhnlichen Konditionen (Mietvorauszahlungen und/oder ungewöhnlich niedrige Miete, lebenslanges Wohnrecht o.ä.) jegliche Erträge aus dem Grundstück zum Vorteil des Mieters auf Dauer oder zumindest für einen sehr langen Zeitraum ausschließt, den Verdacht kollusiven Verhaltens zum Nachteil der Gläubiger - wie es auch das Berufungsgericht hier gesehen hat - zumindest nahelegt. Zudem drängt sich in derartigen Fällen die Frage auf, ob ein - meist nur in Kopie vorgelegter - (angeblicher) Mietvertrag mit einem früheren Eigentümer tatsächlich zu dem darin angegebenen Zeitpunkt und mithin vor der Beschlagnahme des Grundstücks abgeschlossen worden ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. September 2013 - VIII ZR 297/12, NZM 2013, 854 Rn. 15, sowie ferner Senatsurteil vom 21. September 2016 - VIII ZR 188/15, zur Veröffentlichung bestimmt).
Dem ist das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung vollumfänglich gerecht geworden, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde auch in der Sache keinen Erfolg hätte, da ein Grund für die Zulassung der Revision nicht besteht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Bünger