Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 11.03.2014


BGH 11.03.2014 - VIII ZR 261/12

Streitwertfestsetzung für ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren: Streitwertbemessung bei Klage und Widerklage im Zusammenhang mit einem Leasingverhältnis


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
11.03.2014
Aktenzeichen:
VIII ZR 261/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 27. Juni 2012, Az: 17 U 13/12, Urteilvorgehend LG Frankfurt, 9. Januar 2012, Az: 3-15 O 61/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG findet keine Anwendung, wenn mit Klage und Widerklage lediglich Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen (hier: voneinander abgrenzbare Teile der Gesamtvergütung des Leasinggebers aus dem Leasingverhältnis) betreffen.

Tenor

Auf die Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird die im Senatsbeschluss vom 21. Januar 2014 getroffene Wertfestsetzung dahin abgeändert, dass der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde 125.713,98 € beträgt.

Gründe

I.

1

Der Kläger, der mit der Beklagten einen in seinem (Fort-)Bestand streitigen Leasingvertrag geschlossen hatte, ist erstinstanzlich mit seiner auf Mängel des Leasinggegenstandes gestützten Klage auf Rückzahlung geleisteter Leasingraten in Höhe von 27.058,70 € abgewiesen worden; zugleich hat das Landgericht einer von der Beklagten erhobenen Widerklage in Höhe von insgesamt 98.655,28 € stattgegeben, die auf Zahlung rückständiger Leasingraten ab Zahlungseinstellung des Klägers sowie auf Schadensersatz hinsichtlich der nach Kündigung des Leasingvertrages wegen dieser Zahlungseinstellung noch ausstehenden abgezinsten Leasingraten für die Restlaufzeit des Leasingvertrages gerichtet war. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt.

2

Der Senat hat durch Beschluss vom 21. Januar 2014 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und den Streitwert für das Beschwerdeverfahren in Anwendung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf 98.655,28 € festgesetzt. Hiergegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit ihrer Gegenvorstellung, mit der sie für die Streitwertfestsetzung auch die Klageforderung berücksichtigt wissen wollen.

II.

3

Die zulässige Gegenvorstellung hat Erfolg.

4

Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG sind die in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachten Ansprüche grundsätzlich zusammenzurechnen. Allerdings ist nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend, wenn die einander gegenüberstehenden Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. Letzteres ist unabhängig vom zivilprozessualen Streitgegenstand bei wirtschaftlicher Identität von Klage und Widerklage der Fall. Diese Identität ist dann gegeben, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass beiden stattgegeben werden kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2004 - IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506 unter III 1; vom 28. September 2011 - IV ZR 146/10, ZEV 2011, 656 Rn. 4).

5

Das ist hier an sich zwar der Fall. Denn der auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages gestützte Anspruch des Klägers auf Rückerstattung der gezahlten Leasingraten schließt die für die anschließende Vertragslaufzeit widerklagend geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Leasingraten und auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung hinsichtlich der nach verzugsbedingter Kündigung des Leasingvertrages noch ausstehenden Leasingraten grundsätzlich aus, da rechtliche Voraussetzung dieser Ansprüche ein Fortbestand des Leasingvertrages ist. Der genannte Identitätsgrundsatz greift jedoch dann nicht ein, wenn mit Klage und Widerklage lediglich Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen. Dementsprechend gehen die Instanzrechtsprechung und das Schrifttum zutreffend vom Erfordernis einer Werteaddition nach Maßgabe von § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG in Fällen aus, in denen der Kläger aus einem streitigen Rechtsverhältnis einen über geleistete Zahlungen hinausgehenden Rest- oder Mehrbetrag beansprucht, während der Beklagte widerklagend die geleisteten Zahlungen als nicht geschuldet zurückverlangt, da hierbei wirtschaftlich die aus dem Rechtsverhältnis geschuldete Gesamtvergütung den Gegenstand des Streits der Parteien bildet (OLG Düsseldorf, NJW 2009, 1515; OLG Saarbrücken, OLGR 2009, 424; Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl., § 45 GKG Rn. 5 f.; Schindler in BeckOK GKG, Stand Januar 2014, § 45 Rn. 15; Schumann, NJW 1982, 2800, 2802; jeweils mwN).

6

So verhält es sich auch hier. Denn wirtschaftlich ist der Kläger durch die angegriffene Verurteilung nicht nur verpflichtet worden, der Beklagten die über die geleisteten Leasingraten hinausgehende weitere Vergütung für die Restlaufzeit des Leasingvertrages beziehungsweise den für einen späteren Zeitraum an die Stelle der Vergütung tretenden Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu zahlen. Ihm ist zugleich der von ihm erhobene Anspruch auf Rückzahlung der zuvor erbrachten Leasingraten aberkannt worden, so dass die Parteien letztlich auch wirtschaftlich um die Summe der mit Klage und Widerklage verlangten Beträge, nämlich um die vom Kläger nach dem Leasingvertrag zu zahlende Gesamtvergütung, gestritten haben.

Dr. Milger                          Dr. Hessel                        Dr. Achilles

                  Dr. Bünger                           Kosziol