Entscheidungsdatum: 14.03.2012
Zum Schadensersatzanspruch eines landwirtschaftlichen Betriebs gegen einen Schlachthof wegen unterlassener Einlegung von Widersprüchen gegen Beitragsbescheide über vom Schlachthof abzuführende Beiträge nach den Bestimmungen des Absatzfondsgesetzes.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 21. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin begehrt die Auszahlung von Beträgen, welche die Beklagte als Beiträge nach dem Gesetz über die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft (im Folgenden: Absatzfondsgesetz - AbsFondsG) an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (im Folgenden: BLE) abgeführt hat.
Die Klägerin ist ein landwirtschaftlicher Betrieb, der Schweine zur Schlachtreife mästet. Sie verkaufte durch Vermittlung der Erzeugergemeinschaft "Q. " w.V. in T. (im Folgenden: Erzeugergemeinschaft), deren Mitglied die Klägerin ist, Schweine an die Beklagte, die einen Schlachthof betreibt. Die Beklagte erteilte über die Lieferungen Abrechnungen, die unter der Identnummer 44 "Absatzfonds" jeweils einen Abzug vom Kaufpreis in Höhe von 0,51 € je Schwein vornahmen. Dem lag zugrunde, dass die Beklagte als sogenannter "Flaschenhalsbetrieb" nach § 10 Abs. 3 Nr. 9 AbsFondsG verpflichtet war, je Schwein einen Beitrag von 0,51 € an die BLE abzuführen. Darüber erhielt die Beklagte entsprechende Beitragsbescheide. Mit diesen Beiträgen wurde unter anderem die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft GmbH (im Folgenden: CMA) finanziert, deren sich der Absatzfonds zur Durchführung der ihm nach § 2 Abs. 1 bis 4 AbsFondsG obliegenden Aufgaben bediente.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2006 legte das Verwaltungsgericht Köln dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG die Frage vor, ob die Bestimmungen in § 10 Abs. 3 in Verbindung mit §§ 1 und 2 AbsFondsG über die Beiträge und deren Höhe gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Erzeugergemeinschaft wies die Beklagte mit Schreiben vom 6. November 2006 auf diesen Vorlagebeschluss hin. Weiter heißt es in dem Schreiben:
"Es ist davon auszugehen, dass die CMA-Zwangsabgabe als verfassungswidrig eingestuft wird. Wir teilen Ihnen mit, dass in Zukunft ab sofort unsererseits die Abgabe nur noch unter Vorbehalt entrichtet wird und fordern Sie gleichzeitig auf, gegen alle in Zukunft erlassenen Beitragsbescheide Widerspruch einzulegen. Sollte dies nicht geschehen, müssten wir uns Schadensersatzansprüche vorbehalten. Wir legen als Anlage zur Formulierungshilfe den Entwurf eines Widerspruchsschreibens bei."
Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach und ließ weitere Beitragsbescheide bestandskräftig werden. Das Bundesverfassungsgericht erklärte mit Urteil vom 3. Februar 2009 (BVerfGE 122, 316 ff.) die betreffenden Bestimmungen des Absatzfondsgesetzes für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte ihr die auf den Lieferzeitraum von Mai 2006 bis August 2008 entfallenden, vom Kaufpreis abgezogenen Beiträge von 0,51 € je Schwein zu erstatten habe. Sie begehrt mit ihrer Klage die Zahlung von 5.746,17 € nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 4.883,25 € nebst Zinsen stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Das Landgericht habe dem Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der nach dem Absatzfondsgesetz geleisteten Beiträge mit Recht stattgegeben, soweit sich die Beklagte nicht auf Verjährung berufen habe. Die Beklagte habe der Klägerin diesen Betrag im Wege des Schadensersatzes gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu erstatten. Sie habe gegen ihre aus § 241 Abs. 2 BGB resultierende vertragliche Nebenpflicht gegenüber der Klägerin verstoßen, indem sie die Beitragsbescheide, mit denen die Beklagte zu den Beiträgen herangezogen worden sei, die ihr seitens der Klägerin im Umfang des in zweiter Instanz noch geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erstattet worden seien, habe rechtskräftig werden lassen.
Die Rahmenvereinbarungen der Erzeugergemeinschaft und der Beklagten wiesen aus, wie sich der von der Beklagten an die Mitgliedsbetriebe der Erzeugergemeinschaft zu leistende Kaufpreis zusammensetze. In den Abrechnungen der Beklagten werde der an die BLE weiter zu leitende Anteil des Kaufpreises gesondert ausgewiesen. Unter diesen Umständen berufe sich die Beklagte vergeblich darauf, eine Nebenpflicht, gegen die streitigen Bescheide vorzugehen, bestehe schon deswegen nicht, weil die Klägerin selbst nie mit der Aufforderung an sie herangetreten sei, Widerspruch gegen zukünftige Bescheide einzulegen. Denn die Beklagte habe einerseits erkennen können, dass die Erzeugergemeinschaft auch für die Klägerin habe handeln wollen, als sie sich mit Schreiben vom 6. November 2006 an die Beklagte gewandt habe. Sollten hier Zweifel verblieben sein, hätte sich die Beklagte als langfristige Vertragspartnerin der Klägerin vergewissern müssen, ob nicht auch die Klägerin ein Vorgehen gegen künftige Beitragsbescheide fordere. Gleiches gelte für die Klärung, wem eventuelle Kosten hätten zur Last fallen sollen. Dass die Klägerin sich geweigert hätte, entsprechende Aufwendungen zu übernehmen, behaupte die Beklagte selbst nicht.
Die Beklagte habe sich dessen bewusst sein müssen, dass die Klägerin als letztendlich die Last der Sonderabgabe Tragende eigene Einwirkungsmöglichkeiten auf die Beitragsbescheide nicht besessen habe. Damit habe die Klägerin de facto der Beklagten Einwirkungsmöglichkeiten auf ihre Rechtsgütersphäre gewährt und in höherem Maße als sonst üblich auf die Wahrung ihres Güterstandes durch den anderen Teil (gezwungenermaßen) vertrauen müssen. Eröffne die Klägerin als Erstattungsschuldnerin der Beklagten als Erstattungsgläubigerin gesteigerte Einwirkungsmöglichkeiten auf diese Sphäre, indem sie die Erstattung der Sonderabgaben, die die Beklagte zu leisten habe, übernehme, ohne dass der Klägerin Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt würden, müsse ihr die Berufung auf § 241 Abs. 2 BGB eröffnet werden.
Entgegen der Ansicht der Beklagten enthielten Schuldverhältnisse in gewissem Umfang auch die Pflicht zur aktiven Wahrnehmung der Interessen des anderen Teils. Der vermögensrechtliche Status quo werde nicht überschritten, wenn die Klägerin fordere, die Beklagte solle rechtlich gegen die streitigen Bescheide vorgehen. Denn die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass ohne die Überwälzung der Sonderabgabe auf die Klägerin der Kaufpreis für die gelieferten Schweine um 0,51 € pro Stück geringer vereinbart worden wäre.
Die Nebenpflicht zur Unterstützung und Rücksichtnahme finde ihre Grenze allerdings dort, wo gleich- oder höherrangige eigene Interessen gegenüber Belangen des anderen Teils bestünden. Es möge zwar den eigenen Interessen der Beklagten nicht entsprochen haben, durch eigene Initiativen die Verpflichtung zur Zahlung an den Absatzfonds zu Fall zu bringen. Als gleich- oder höherrangig als die Interessen der Klägerin seien diese jedoch nicht einzustufen. Denn die Klägerin sei diejenige gewesen, die mit den Abzügen von ihren Kaufpreisansprüchen durch das Untätigbleiben der Beklagten belastet worden sei. Dass diese Abzugsbeträge der Klägerin zuzuordnen gewesen seien, sei auch für die Beklagte erkennbar gewesen, denn die Klägerin habe mit Schriftsatz vom 1. März 2010 unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte gegen Bescheide der BLE für das erste und dritte Tertial 2006 Widerspruch eingelegt haben müsse. Nur so sei zu erklären, dass die entsprechenden Einbehaltungen der Beklagten, die an die BLE abzuführen gewesen seien, der Klägerin erstattet worden seien.
Angesichts der expliziten Aufforderung, Widersprüche einzulegen, und der Überlassung entsprechender Widerspruchsentwürfe habe die Beklagte erst recht nicht davon ausgehen können, das bewusste Unterlassen der Einlegung entsprechender Rechtsmittel hätte dem Interesse der Klägerin entsprochen. Inwieweit die Funktionsfähigkeit der CMA in dem hier streitigen Zeitraum (noch) zum Wohle der Beklagten gewesen sei, unterliege starken Zweifeln. Insofern sei im Rahmen der Güterabwägung nur das Argument der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Rotfleisch-Industrie nahezu einheitlich entschieden haben solle, auf die Einlegung von Widersprüchen zu verzichten. Angesichts dessen, dass eine gruppennützige Verwendung der Gelder bereits seit geraumer Zeit nicht mehr erkennbar gewesen sei, stelle sich allein das "Nicht-Ausscheren-Wollen" der Beklagten weder als gleich- noch als höherrangiges Interesse der Beklagten gegenüber dem der Klägerin dar.
Gegen die Nebenpflicht habe die Beklagte auch schuldhaft verstoßen. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Absatzfondsgesetzes sei bereits zuvor Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht gewesen (BVerfGE 82, 159 ff.). Da die V. -GmbH, zu deren Konzern die Beklagte gehöre, sich vorgerichtlich gerade auf im Zusammenhang mit dem Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Köln ergangene Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte und erstellter Gutachten berufen habe, werde deutlich, dass eine genaue Beobachtung der Rechtslage erfolgt sei. Dann dürfe aber auch unterstellt werden, dass der Beklagten, jedenfalls vermittelt durch die V. -GmbH, sowohl die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1990 einschließlich des Begründungsgangs als auch der Inhalt der entsprechenden Agrarberichte bekannt gewesen seien. Unter diesen Umständen habe sich der Beklagten aufdrängen müssen, dass angesichts der für die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft weitgehend ausgeglichenen Handelsbilanz durchaus die Möglichkeit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wie dann erfolgt im Raum gestanden habe. Hierauf habe sie sich einrichten müssen.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte gemäß § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, an die Klägerin den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von 4.883,25 € zu zahlen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den auf den noch streitgegenständlichen Lieferzeitraum entfallenden Beiträgen in Höhe von 0,51 € pro Schwein, welche die Beklagte vereinbarungsgemäß von dem der Klägerin zustehenden Kaufpreis abgezogen und - aufgrund der gegen sie gemäß § 10 Abs. 3 AbsFondsG ergangenen Beitragsbescheide - an die BLE abgeführt hat.
Zum Schadensersatz ist die Beklagte verpflichtet, weil sie der ausdrücklichen Aufforderung seitens der Erzeugergemeinschaft, Widerspruch gegen weitere Beitragsbescheide einzulegen, nicht nachgekommen ist, sondern die Beitragsbescheide hat bestandskräftig werden lassen. Dies hatte zur Folge, dass die BLE die an sie abgeführten Beiträge aufgrund der eingetretenen Bestandskraft der Beitragsbescheide nicht zurückzahlte, nachdem das Bundesverfassungsgericht § 10 Abs. 3 AbsFondsG für nichtig erklärt hatte.
1. Ohne Erfolg hält die Revision dem entgegen, das Berufungsgericht habe die rechtliche Zuordnung der an den Absatzfonds abzuführenden Beiträge innerhalb der Vertragsbeziehung der Parteien aufgrund von revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehlern bei der Vertragsauslegung verkannt und deshalb die der Beklagten obliegenden Vertragspflichten, Vermögensinteressen der Klägerin wahrzunehmen, überspannt. Die Revision meint, die vom Kaufpreis einbehaltenen und nach § 10 Abs. 3 Nr. 9 AbsFondsG an die BLE abzuführenden Beiträge könnten von vornherein nicht zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin herangezogen werden, weil es sich hierbei nicht um einen rechtlich abgrenzbaren Teil des Kaufpreises, sondern nur um einen unselbständigen Rechnungsposten zur Kalkulation des Kaufpreises handele, der - ebenso wie andere in die Kalkulation einbezogene Unkosten - nicht verselbständigt werden könne. Die Sonderstellung, die das Berufungsgericht den Beiträgen innerhalb der Vertragsbeziehung der Parteien beimesse, habe in den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien keine Grundlage. Damit dringt die Revision nicht durch.
Das Berufungsgericht hat die Sonderstellung der Beiträge im Vertragsverhältnis der Parteien, aus der es die Rückerstattungsfähigkeit der Beiträge abgeleitet hat, rechtsfehlerfrei bejaht. Die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts steht mit § 10 Abs. 7 AbsFondsG im Einklang. Nach dieser Bestimmung richtet sich die Erstattung der an die BLE abzuführenden Beiträge nach einer zwischen dem Lieferanten und dem Betriebsinhaber getroffenen Vereinbarung. Eine solche Vereinbarung haben die Parteien nach der rechtsfehlerfreien Vertragsauslegung des Berufungsgerichts dergestalt getroffen, dass die Klägerin (Lieferantin) der Beklagten als Beitragsschuldnerin (Betriebsinhaber) die von dieser abzuführenden Beiträge zu erstatten hatte, und zwar in der Weise, dass in Höhe des Beitrages ein Abzug vom vereinbarten Kaufpreis vorgenommen wurde. Wirtschaftlich hatte damit die Klägerin die Beiträge zu tragen und nicht die Beklagte.
Bereits das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei den Beiträgen für die Beklagte um einen reinen Durchlaufposten handelte und der Abzug vom Kaufpreis im Verhältnis der Parteien zueinander damit unmittelbar und direkt am Fortbestand der Abgabepflicht der Beklagten nach dem Absatzfondsgesetz hing. Mit dem Wegfall der Beitragspflicht der Beklagten fiel auch der Grund für den Abzug von dem der Klägerin geschuldeten Kaufpreis weg, ohne dass es dazu einer Vertragsänderung bedurfte.
So haben sich auch die Parteien im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verhalten. Nach den unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, hat die Beklagte die Beiträge, hinsichtlich derer sie Widerspruch gegen die zugrunde liegenden Bescheide eingelegt hatte, der Klägerin rückerstattet, nachdem die noch nicht bestandskräftigen Beitragsbescheide durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ihre Rechtsgrundlage verloren hatten. Ebenso ist die V. -GmbH gegenüber ihren Vertragspartnern verfahren, wie aus dem im Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 8. April 2011 (7 U 59/11, n.v.) zitierten Schreiben der V. -GmbH vom 20. Februar 2009 hervorgeht. Auch dieses Verhalten der Beklagten und ihrer Konzernmuttergesellschaft zeigt, dass die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts über die Sonderstellung und Rückerstattungsfähigkeit der Beiträge dem beiderseitigen Vertragsverständnis der Parteien nicht zuwiderläuft, sondern entspricht.
2. Vergeblich wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei der Klägerin gemäß § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie der auch für die Klägerin ergangenen Aufforderung der Erzeugergemeinschaft, Widerspruch gegen weitere Beitragsbescheide einzulegen, schuldhaft nicht nachgekommen sei.
a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht aufgrund der festgestellten Umstände des vorliegenden Falles aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung der Beklagten hergeleitet, im Interesse der Klägerin Widerspruch gegen weitere Beitragsbescheide einzulegen, nachdem sie dazu von der Erzeugergemeinschaft, deren Mitglied die Klägerin ist, im Anschluss an den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Köln ausdrücklich aufgefordert worden war.
aa) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die in einem Schuldverhältnis je nach seinem Inhalt bestehende (Neben-)Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB) auch die Pflicht umfassen kann, die Interessen der anderen Partei gegenüber Dritten aktiv wahrzunehmen (MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl., § 241 Rn. 80 ff. mwN; Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rn. 253 ff. mwN). Das kommt allerdings nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht. Eine Vertragspartei muss keine allgemeine Interessenverfolgung zugunsten der anderen betreiben. Denn die Parteien haben häufig gegenläufige Interessen. Deshalb sind sie nicht verpflichtet, gleich- oder höherrangige Interessen hinter die des anderen Teils zurückzustellen (MünchKommBGB/Roth, aaO).
bb) Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat aufgrund der Besonderheiten der Vertragsbeziehung der Parteien rechtsfehlerfrei eine Verpflichtung der Beklagten bejaht, Widerspruch gegen die Beitragsbescheide einzulegen, weil die Klägerin daran ein berechtigtes Interesse hatte und gleich- oder höherrangige eigene Interessen der Beklagten dem nicht entgegen standen.
(1) Wirtschaftlich belastet durch die an die BLE abzuführenden Beiträge war allein die Klägerin. Für die Beklagte als rechtliche Beitragsschuldnerin waren die Beiträge dagegen wirtschaftlich neutral, weil sich die Klägerin verpflichtet hatte, der Beklagten die Beiträge durch einen entsprechenden Abzug von dem der Klägerin geschuldeten Kaufpreis zu erstatten. Da diese vertragliche Vereinbarung nur im Innenverhältnis der Parteien Wirkung hatte, blieb die Beklagte im Außenverhältnis gegenüber der BLE Beitragsschuldnerin mit der Folge, dass die Klägerin selbst keine rechtliche Möglichkeit hatte, Widerspruch gegen die Beitragsbescheide einzulegen. Das konnte nur die Beklagte. Die Klägerin hatte deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass die Beklagte dies auch tat, nachdem die Rechtsgrundlage der Beitragsbescheide aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Köln in Zweifel gezogen worden war. Denn nur so konnte die Beitragspflicht der Beklagten und damit auch die Erstattungspflicht der Klägerin in der Schwebe gehalten werden.
(2) Diesem Interesse der Klägerin stand, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, kein beachtliches Interesse der Beklagten entgegen. Denn die Beklagte hatte unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs keine Nachteile zu befürchten. Für die Beklagte war es wirtschaftlich ohne Bedeutung, ob sie - im Erfolgsfall - nicht mehr zu Beiträgen herangezogen werden würde oder ob ihr - im Misserfolgsfall - die Beiträge weiterhin von der Klägerin durch entsprechenden Abzug vom Kaufpreis erstattet werden würden.
(3) Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Interessenabwägung vernachlässigt, dass die Beklagte als Schlachthofbetrieb ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erhaltung der CMA und den von dieser geführten Werbekampagnen zur Förderung der Rohfleischproduktion zu verfolgen geglaubt habe. Damit dringt die Revision nicht durch.
Es trifft nicht zu, dass sich das Berufungsgericht mit dem Interesse der Beklagten, die Funktionsfähigkeit der CMA zu erhalten, nicht auseinandergesetzt hätte. Vielmehr hat das Berufungsgericht dieses Interesse gesehen, aber mit der Begründung nicht für schutzwürdig gehalten, aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich, dass eine gruppennützige Verwendung der abgeführten Gelder schon seit 2002 nicht mehr gegeben gewesen sei.
Ob dies zutrifft, kann dahinstehen. Unabhängig davon hatte die Beklagte unter dem von ihr angeführten Gesichtspunkt schon deshalb kein berechtigtes Interesse daran, von einem Widerspruch gegen die Beitragsbescheide abzusehen, weil ihre Entscheidung über die Einlegung von Widersprüchen ersichtlich keine Auswirkungen auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der CMA hatte. Da das Normenkontrollverfahren gemäß Art. 100 GG über die Nichtigkeit der Bestimmungen des Absatzfondsgesetzes bereits beim Bundesverfassungsgericht anhängig war, konnte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch einen Verzicht der Beklagten auf Widerspruch gegen weitere Beitragsbescheide nicht verhindert werden. Umgekehrt wären Widersprüche der Beklagten gegen weitere Beitragsbescheide ohne Einfluss darauf gewesen, ob das Bundesverfassungsgericht die Bestimmungen für nichtig erklärt. Da die Beklagte somit durch ihr Verhalten - ob sie nun Widerspruch einlegt oder nicht - die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Absatzfondsgesetzes weder positiv noch negativ beeinflussen konnte, war ihr Verhalten auch nicht geeignet, zum Fortbestand der CMA beizutragen. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten daran, durch einen Verzicht auf Widerspruch die Funktionsfähigkeit der CMA zu erhalten, ist daher vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint worden.
(4) Ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte auch unter dem Kostengesichtspunkt nicht davon absehen durfte, dem Verlangen der Erzeugergemeinschaft nachzukommen, Widerspruch gegen weitere Beitragsbescheide einzulegen.
Die Revision macht nicht mehr geltend, dass der Beklagten die Einlegung von Widersprüchen wegen des Kostenrisikos nicht zumutbar gewesen wäre. Sie greift die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin sich nicht geweigert hätte, entsprechende Aufwendungen zu übernehmen, nicht an, sondern meint lediglich, die Beklagte sei - selbst bei einer Kostendeckungszusage der Klägerin - nicht verpflichtet gewesen, zur Wahrung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin Widerspruch gegen die Beitragsbescheide einzulegen. Das trifft, wie ausgeführt, nicht zu.
cc) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, im Interesse der Klägerin von sich aus gegen die Beitragsbescheide vorzugehen. Grundsätzlich obliegt es jeder Partei selbst, ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu wahren. Dieser Obliegenheit ist die Klägerin jedoch nachgekommen, indem sie die Beklagte über die Erzeugergemeinschaft aufforderte, Widerspruch einzulegen, wozu die Klägerin selbst nicht befugt war. Jedenfalls nach dieser ausdrücklichen Aufforderung war die Beklagte bei Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Einlegung von Widersprüchen gegen weitere Beitragsbescheide verpflichtet.
Das Urteil des Landgerichts Hannover vom 7. Februar 2011 (18 O 158/10, n.v.) und der die Berufung der damaligen Klägerin zurückweisende Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 8. April 2011 (7 U 59/11, n.v.) rechtfertigen keine andere Beurteilung. Aus jenem Rechtsstreit, in dem eine Schadensersatzpflicht der V. -GmbH verneint wurde, kann die Beklagte schon deshalb nichts herleiten, weil das Landgericht Hannover nicht festgestellt hat, dass die V. -GmbH - wie hier die Beklagte - von der damaligen Klägerin aufgefordert worden wäre, Widerspruch gegen weitere Beitragsbescheide einzulegen. Vielmehr heißt es im Urteil des Landgerichts Hannover, dass es der Klägerin freigestanden hätte, die Beklagte aufzufordern, die Bestandskraft künftiger Beitragsbescheide zu verhindern. Auf diese Entscheidungen beruft sich die Beklagte im Revisionsverfahren auch nicht mehr.
b) Rechtsfehlerfrei ist auch die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte ihre Nebenpflicht, Widerspruch gegen die Beitragsbescheide einzulegen, durch ihre Untätigkeit schuldhaft verletzt hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Unerheblich hierfür ist, ob die Beklagte die Bestimmungen des Absatzfondsgesetzes weiterhin für wirksam halten durfte. Der Schuldvorwurf des Berufungsgerichts geht nicht dahin, dass die Beklagte die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen verkannt hätte, sondern dahin, dass sie mit der Gefahr, dass das Bundesverfassungsgericht die Bestimmungen für verfassungswidrig erklären würde, aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Köln rechnen musste und darauf im Interesse der Klägerin, dem kein berechtigtes Interesse der Beklagten gegenüberstand, durch Einlegung von Widerspruch gegen weitere Beitragsbescheide hätte reagieren müssen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Ball Dr. Frellesen Dr. Milger
Dr. Fetzer Dr. Bünger