Entscheidungsdatum: 20.10.2010
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Dezember 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin betreibt ein Autohaus in F. und ist seit Jahren Vertragspartnerin der Beklagten, zuletzt aufgrund eines Nissan-Vertragshändlervertrags vom 30. September 2003/2. November 2004 (im Folgenden: Händlervertrag). Art. XVII Nr. 1 dieses Vertrages lautet:
"Dieser Vertrag kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von 24 Monaten zum Ende eines Kalendermonats per Einschreiben/Rückschein gekündigt werden. Eine von NISSAN ausgesprochene Kündigung muss eine ausführliche Begründung enthalten, die objektiv und transparent ist und darf nicht auf Verhaltensweisen des Vertragshändlers gestützt werden, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 nicht eingeschränkt werden dürfen. Die Verordnung ist als Anlage XI diesem Vertrag angefügt. Darüber hinaus gelten, insbesondere bezüglich der Kündigung, die Regelungen des nationalen Rechtes.
Abweichend davon ist es NISSAN gestattet, diesen Vertrag mit einer Frist von 12 Monaten zu beenden, unter der Voraussetzung, dass
a) (…)
b) sich für NISSAN die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren."
Die Beklagte kündigte im Rahmen einer Netzkündigung, die sich auf sämtliche Händler- und Werkstattverträge erstreckte, mit Schreiben vom 11. Januar 2006 auch den Vertrag mit der Klägerin unter Berufung auf Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Vertrages zum 31. Januar 2007. In dem Schreiben heißt es unter anderem:
"Das derzeitige NISSAN-Händlernetz setzt sich zusammen aus ca. 350 Vertragshändlern, mit denen die RENAULT NISSAN DEUTSCHLAND AG Vertragshändlerverträge abgeschlossen hat. Diese Vertragshändler haben ca. 80 Filialen eingerichtet und mit ca. 215 Sekundärnetzhändlern ihrerseits Händlerverträge abgeschlossen. Es besteht daher ein zweistufiges Händlernetz. (…)
Bedingt durch diese Konstellation ist ein Händlernetz entstanden, das weder den Bedürfnissen der regionalen Kaufgewohnheiten der potentiellen NISSAN-Kunden noch den Qualitätsanforderungen, die die potentiellen NISSAN-Kunden an einen modernen Kfz-Vertrieb stellen, gerecht wird. Mit dem bisherigen Händlernetz werden daher weder alle potentiellen NISSAN-Kunden in optimaler Weise erreicht noch werden unsere Produkte in einem Umfeld präsentiert, das dem Ansehen der Marke NISSAN gerecht wird.
Eine Neustrukturierung des NISSAN-Händlernetzes ist daher zwingend geboten. Vor diesem Hintergrund hat die RENAULT NISSAN DEUTSCHLAND AG sich nunmehr entschlossen, den Vertrieb von NISSAN-Neufahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland umfassend neu zu ordnen.
Im Zuge dieser Neuordnung wird das bisherige zweistufige Händlernetz aufgelöst. (…)
Aufgrund der Ergebnisse intensiver Beobachtungen und Untersuchungen des Käuferverhaltens und der Kaufgewohnheiten in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren hat die RENAULT NISSAN DEUTSCHLAND AG ein völlig neu konzipiertes Händlernetz mit ca. 535 Standorten für Händlerbetriebe entwickelt. Diese Standorte sind so angeordnet, dass sie dem regionalen Käuferverhalten und den Kaufgewohnheiten der potentiellen NISSAN-Kunden in optimaler Weise gerecht werden. Mit dem bestehenden Händlernetz lassen sich die neu konzipierten ca. 535 Standorte nicht abdecken.
Darüber hinaus ist beabsichtigt, die Qualität und die Professionalität des Neufahrzeugvertriebs und der Serviceleistungen zu verbessern, um den Anforderungen an einen modernen Kfz-Vertrieb gerecht zu werden. Hierzu haben wir nach geografischen Gesichtspunkten unterschiedliche Qualitätskriterien für den Kfz-Vertrieb entwickelt. Die Händlerstandorte werden zukünftig nach regionalen Gesichtspunkten eingeteilt, und zwar in sog. Metro-Regionen (Großstädte ab 400.000 Einwohner), Urban-Regionen (Städte ab 100.000 Einwohner) und ländliche Gebiete. Gleichzeitig wurden auf die einzelnen Regionen abgestimmte Qualitätsstandards entwickelt, die für die jeweiligen Standorte zukünftig gelten.
Die vorstehend beschriebene vertriebspolitische Entscheidung erfordert zwingend eine vollständige Umstrukturierung des derzeit bestehenden Vertriebsnetzes. Deshalb ist es erforderlich, alle bestehenden Verträge zum gleichen Zeitpunkt zu kündigen, um uns die Möglichkeit zu eröffnen, mit Beendigung der jetzigen Verträge das neu strukturierte Vertriebsnetz zu etablieren."
Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Feststellung der Nichtbeendigung des Vertragshändlervertrags zum 31. Januar 2007 durch die Kündigung vom 11. Januar 2006 sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Fortführung des Vertragsverhältnisses und der Weiterbelieferung mit Nissan-Vertragswaren begehrt. Die Beklagte hat im Wege der Hilfswiderklage beantragt, festzustellen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertragshändlervertrag infolge der Kündigung vom 11. Januar 2006 spätestens zum 31. Januar 2008 endet. Das Landgericht hat der Klage und der Hilfswiderklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung vom 11. Januar 2006 habe das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 31. Januar 2007, sondern erst zum 31. Januar 2008 beendet, da die Voraussetzungen für eine Kündigung des Händlervertrags mit einjähriger Kündigungsfrist nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b (im Folgenden: Strukturkündigung) nicht dargetan seien.
Das Sonderkündigungsrecht nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Vertrags erfordere eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstrukturen des Lieferanten sowohl in finanzieller als auch in räumlicher Hinsicht, die auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sein müsse.
Die nach dem Vortrag der Beklagten vorgesehene Abschaffung des zweistufigen Händlernetzes, die Schaffung regional unterschiedlicher Qualitätsstandards (Metro-, Urban- und Rural-Regionen) sowie die Reduzierung der Händlerstandorte stellten zwar objektiv durchaus eine Umstrukturierung des Vertriebsnetzes dar. Es sei jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass diese Umstrukturierungsmaßnahmen in finanzieller und räumlicher Hinsicht bedeutsam seien.
Zu dem finanziellen Aspekt fehle substantiierter Sachvortrag. Auch eine in räumlicher Hinsicht bedeutsame Veränderung habe die Beklagte nicht dargetan. Die Bedeutsamkeit der Veränderung in räumlicher Hinsicht lasse sich nicht schon aus der Zahl der nach dem Vorbringen der Beklagten von einem Wegfall betroffenen Standorte herleiten, da von 638 Standorten lediglich 352 entfallen und 286 - darunter 63 von bisher 213 Sekundärhändlern - erhalten bleiben sollten. Auch die geplante Abschaffung des Sekundärhändlernetzes und die Klassifizierung von Standorten entsprechend der Gebietseinteilung "metro-urban-rural" begründeten keine in räumlicher Hinsicht wesentliche Umstrukturierung.
Die Beklagte habe darüber hinaus auch nicht dargetan, dass die Änderungen der Vertriebsstruktur plausibel durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt gewesen seien. Soweit die Beklagte angeführt habe, dass eine zweijährige Kündigungsfrist den von ihr geplanten Werteffekt um ca. 39 Mio. € schmälern und die Amortisationszeit auf vier Jahre verdoppeln würde, bleibe dies auch unter Heranziehung der dazu als Anlage B 9 vorgelegten Tabelle ohne Substanz.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Beklagten kann die Wirksamkeit der zum 31. Januar 2007 ausgesprochenen Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Händlervertrags nicht verneint werden.
1. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsgerichts entschieden hat (Urteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, BGHZ 181, 346 Rn. 12 ff.), verstoßen die vertraglichen Bestimmungen im Händlervertrag der Parteien über die Verkürzung der Kündigungsfrist auf ein Jahr bei einer Strukturkündigung entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht gegen den Grundsatz der Fristenparität (§ 89 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, § 89 Abs. 2 Satz 2 HGB).
2. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer Strukturkündigung nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Händlervertrags verkannt und ist infolge dessen zu Unrecht davon ausgegangen, die Beklagte habe diese Voraussetzungen nicht hinreichend dargetan.
a) Nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Händlervertrags und der zugrunde liegenden Regelung des Art. 3 Abs. 5 Buchst. b ii der Verordnung (EG) 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (ABl. EG Nr. L 203 S. 30; im Folgenden: GVO 1400/2002) ist die Beklagte berechtigt, den Vertrag mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr zu beenden, wenn sich für sie die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren. Die Voraussetzungen, die an eine derartige notwendige Umstrukturierung zu stellen sind, sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) zu Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. EG Nr. L 145 S. 25; im Folgenden: GVO 1475/95) konkretisiert worden. Danach setzt das Bestehen der Notwendigkeit, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzugestalten, eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstrukturen des betroffenen Lieferanten sowohl in finanzieller als auch in räumlicher Hinsicht voraus, die auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sein muss. Es ist Sache der nationalen Gerichte, unter Berücksichtigung aller konkreten Gegebenheiten der Streitigkeit, mit der sie befasst sind, zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind (EuGH, Slg. 2006, I-7637 Rn. 39 f. - Vulcan Silkeborg A/S ./. Skandinavisk Motor Co. A/S; Slg. 2006, I-11383, Rn. 33 f. - Brünsteiner GmbH u.a. ./. BMW). Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese von dem Gerichtshof zu Art. 5 Abs. 3 der GVO 1475/95 entwickelten Grundsätze auch für die Auslegung des inhaltlich übereinstimmenden Art. 3 Abs. 5 Buchst. b ii der GVO 1400/2002 heranzuziehen sind (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO Rn. 22 mwN).
b) Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer Strukturkündigung nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Händlervertrags gegeben sind, unterliegt nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung, die sich darauf zu beschränken hat, ob das Berufungsgericht die rechtlichen Voraussetzungen einer solchen Kündigung verkannt hat, ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, ob es wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat oder Erfahrungssätze verletzt hat (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 2001 - VIII ZR 186/99, NJW-RR 2001, 677 unter II 1; BGH, Urteil vom 29. März 1990 - I ZR 2/89, NJW 1990, 2889 unter I 2 b). Ein solcher Rechtsfehler liegt hier vor.
c) Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine Strukturkündigung verkannt. Nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen der Beklagten sind die Voraussetzungen einer Kündigung nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Händlervertrags gegeben.
aa) Die Beklagte hat eine in räumlicher und finanzieller Hinsicht bedeutsame Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes hinreichend dargetan.
(1) Nach Maßgabe des auch vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Beklagtenvorbringens war die beabsichtigte Umstrukturierung - wie die Revision zu Recht geltend macht - in räumlicher Hinsicht bedeutsam. Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe ihr Vertriebsnetz durch eine Unternehmensberatungsgesellschaft überprüfen lassen und sich aufgrund dieser Untersuchung für ein eingliedriges Vertriebssystem mit einer Reduzierung der Gesamtzahl der Standorte entschieden. Von den bisherigen Standorten sollten lediglich 286 - weniger als die Hälfte - unverändert bestehen bleiben, während 352 der bisher für die Beklagte tätigen Primär- und Sekundärhändler durch 249 Unternehmen an neuen Standorten ersetzt werden sollten. Zugleich sollte das gesamte Sekundärhändlernetz abgeschafft werden. Geplant war demnach, Standorte innerhalb des gesamten Vertriebsnetzes in Deutschland zu einem nicht unerheblichen Teil zu verändern. Dies reicht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für eine in räumlicher Hinsicht bedeutsame Umstrukturierungsmaßnahme aus (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO Rn. 24). Es ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht erforderlich, dass alle oder nahezu alle bisherigen Standorte wegfallen oder verändert werden (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO).
(2) Die von der Beklagten geplante Umstrukturierung des Vertriebsnetzes ist auch in finanzieller Hinsicht als bedeutsam anzusehen. Es liegt auf der Hand, dass eine derart weitgehende Umstrukturierung des gesamten Vertriebsnetzes, wie sie die Beklagte nach ihrem Vortrag beabsichtigt und durchgeführt hat, auch in finanzieller Hinsicht bedeutsam ist (vgl. OLG Frankfurt, BB 2008, 1417, 1418; bestätigt durch Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO Rn. 25). Dies ergibt sich schon daraus, dass die Vorbereitung und Durchführung einer solchen Umstrukturierung mit erheblichen Kosten verbunden ist, zu denen auch die Abfindungs- und Ausgleichsansprüche einer Vielzahl von Händlern gehören, die infolge der das gesamte Vertriebsnetz umfassenden Kündigungen entstehen (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO). Es ist deshalb für die finanzielle Größenordnung der Umstrukturierung von Bedeutung, ob der Kraftfahrzeughersteller infolge der Umstrukturierung - wie hier - fast der Hälfte seiner bisherigen Vertragshändler ausgleichspflichtig ist. Neben den Kosten der Umstrukturierung ist auch der mit der Umstrukturierung erstrebte wirtschaftliche Vorteil zu berücksichtigen, der allerdings nicht exakt bemessen werden muss (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO). Er beläuft sich nach dem Vorbringen der Beklagten (Anlage B 9) auf einen Betrag in Höhe von 91 Mio. €.
bb) Nach dem Beklagtenvorbringen ist auch die Notwendigkeit der Umstrukturierung auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt.
(1) Im Rahmen eines Rechtsstreits über die Rechtmäßigkeit einer Strukturkündigung ist es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht Sache der nationalen Gerichte, die wirtschaftlichen und geschäftlichen Überlegungen, aufgrund deren ein Lieferant die Entscheidung getroffen hat, sein Vertriebsnetz umzustrukturieren, in Frage zu stellen. Andererseits kann die Notwendigkeit einer solchen Umstrukturierung - anders als die Revision meint - nicht der freien Beurteilung des Lieferanten unterliegen, sollen die Händler nicht jeden wirksamen gerichtlichen Schutz in dieser Frage verlieren. Unter Berücksichtigung sowohl des Zwecks als auch des Ausnahmecharakters der Vorschrift über die Strukturkündigung ist es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Notwendigkeit der Umstrukturierung auf plausible Weise gerechtfertigt werden kann mit Gründen der wirtschaftlichen Effizienz, die sich auf interne oder externe objektive Umstände des Unternehmens des Lieferanten stützen, welche ohne eine schnelle Umstrukturierung des Vertriebsnetzes in Anbetracht des Wettbewerbsumfelds, in dem der Lieferant agiert, die Effizienz der bestehenden Strukturen des Vertriebsnetzes beeinträchtigen können; mögliche wirtschaftlich nachteilige Folgen, die der Lieferant im Fall einer Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit einer Frist von zwei Jahren erleiden könnte, sind in dieser Hinsicht erheblich (EuGH, Slg. 2006, I-7637 Rn. 35 ff.; Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO Rn. 27).
(2) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Beklagte die Notwendigkeit einer Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hinreichend dargelegt.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie ab dem Jahr 2000 einen dramatischen Einbruch der Verkaufszahlen erlitten habe und die Ursache für den starken Rückgang ihrer Marktanteile in der Struktur des zweistufigen Vertriebsnetzes - insbesondere in der finanziellen Schwäche vieler kleiner Händler - gelegen habe. Es sei erforderlich gewesen, die Anzahl der Vertriebspartner zu reduzieren, das zweistufige Vertriebssystem abzuschaffen und durch eine Anhebung der Standards zu gewährleisten, dass die Vertragspartner der Beklagten größer und repräsentativer werden. Schon dieser revisionsrechtlich zu unterstellende Zusammenhang zwischen den erlittenen Markteinbußen und der Schwäche des Händlernetzes begründet ein anerkennenswertes Interesse der Beklagten daran, die Vertriebsstruktur möglichst kurzfristig zu ändern, um dem Rückgang der Marktanteile alsbald entgegenzuwirken (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO Rn. 28). Dieses berechtigte Interesse der Beklagten reicht aus, um die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erforderliche Notwendigkeit der Umstrukturierung zu begründen und damit die Strukturkündigung zu rechtfertigen (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO Rn. 31). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Slg. 2006, I-7637 Rn. 26 ff.) sind für die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 5 Buchst. b ii GVO 1400/2002 eine Darlegung und - was kaum je gelingen dürfte - ein Nachweis, dass die binnen Jahresfrist zu realisierende Umstrukturierung des Vertriebsnetzes die (einzig) gebotene Entscheidung des Herstellers war, um die Effizienz des Vertriebsnetzes zu erhalten, nicht erforderlich (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO).
Es kommt deshalb entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob der Beklagten über das Schwinden ihrer Marktanteile hinaus weitere wirtschaftliche Nachteile drohen und sie substantiiert dargelegt hat, dass eine - bei Kündigung mit zweijähriger Frist - um ein Jahr verzögerte Umstrukturierung den angestrebten wirtschaftlichen Nutzen der Umstrukturierung um 38 Mio. € geschmälert hätte. Mögliche wirtschaftlich nachteilige Folgen, die der Lieferant im Fall einer Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit einer Frist von zwei Jahren im Vergleich zur Strukturkündigung mit einjähriger Frist erleiden könnte, lassen sich nicht genau berechnen und ermitteln. Denn die Beurteilung der negativen Folgen einer unveränderten Fortführung des bisherigen Vertriebssystems beruht auf Prognosen, die sich nach erfolgter Umstrukturierung nicht mehr verifizieren lassen. Davon geht ersichtlich auch der Gerichtshof aus, wenn er auf lediglich mögliche - nicht sichere - Nachteile für den Lieferanten abstellt. Es kann daher nur verlangt werden, dass mögliche wirtschaftlich nachteilige Folgen einer um ein Jahr hinausgeschobenen Umstrukturierung plausibel dargelegt werden, nicht jedoch, dass die befürchteten wirtschaftlichen Nachteile - der Höhe nach - feststehen und bewiesen werden können. Das Berufungsgericht hat die in diesem Zusammenhang zu stellenden Anforderungen überspannt. Wenn der Beklagten im Fall der Fortführung des bisherigen Vertriebssystems über einen Zeitraum von einem weiteren Jahr voraussichtlich weiter sinkende Marktanteile drohen, so reicht dies aus, um einen möglichen wirtschaftlichen Nachteil im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs anzunehmen und eine Strukturkündigung zu rechtfertigen. Nicht erforderlich ist dafür ein konkreter Vortrag oder Nachweis für die in einem Geldbetrag ausgedrückte Höhe dieser Nachteile (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, aaO Rn. 32).
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen treffen kann, soweit entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten von der Klägerin bestritten worden ist.
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Dr. Frellesen |
Dr. Milger |
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Dr. Hessel |
Richter am Bundesgerichtshof |
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