Entscheidungsdatum: 10.04.2013
1. Unter den nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden Begriff des "Wohnens" fallen nur solche berufliche Tätigkeiten des Mieters, die in einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Weise ausgeübt werden. Geschäftliche Aktivitäten des Mieters, die der Mieter in ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen ausübt und die nach außen in Erscheinung treten, muss der Vermieter nicht ohne vorherige Vereinbarung dulden.
2. Eine Verpflichtung des Vermieters, eine vertragswidrige Nutzung der Mieträume zu gestatten, kommt nur dann in Betracht, wenn von der beabsichtigten Tätigkeit - was der Mieter darzulegen und zu beweisen hat - keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung (Bestätigung von BGH, Urteil vom 14. Juli 2009, VIII ZR 165/08, NJW 2009, 3157).
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Eigentümer des Mietshauses S. P. in B. . Die Mutter des Beklagten mietete in dem Haus im Jahr 1954 eine Wohnung an, in der sie bis zu ihrem Tod am 14. Januar 2011 lebte. Als sie sich ab dem Jahr 2006 nicht mehr allein versorgen konnte, zog der Beklagte in die Wohnung, um seine Mutter zu pflegen, und lebt seitdem dort. Da er seinen Beruf als Musiklehrer für Gitarre an der Musikschule C. wegen der Pflegetätigkeit nicht mehr in vollem Umfang in der Musikschule ausüben konnte, gab er, wie bereits in geringerem Umfang vor dem Jahr 2006, in der Wohnung Gitarrenunterricht. Eine Erlaubnis des Klägers für die Ausübung dieser Tätigkeit, deren Umfang und Auswirkungen auf den Hausfrieden zwischen den Parteien streitig sind, holte der Beklagte nicht ein.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2011 zeigte der Beklagte dem Kläger den Tod seiner Mutter an und erklärte den Eintritt in das Mietverhältnis. Mit Anwaltsschreiben vom 2. März 2011 kündigte der Kläger das Mietverhältnis außerordentlich nach § 563 Abs. 4 BGB und gab zur Begründung an, dass der Beklagte über mehrere Jahre hinweg ohne seine Erlaubnis in der Wohnung Musikunterricht gegeben und die Wohnung damit entgegen dem vertraglich vereinbarten Nutzungsweck gewerblich genutzt habe. Wegen des durch den Unterricht verursachten Lärms sei es zu den Hausfrieden unzumutbar beeinträchtigenden Streitigkeiten mit Mitmietern gekommen.
Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Räumung der Wohnung in Anspruch. Im Schriftsatz vom 25. August 2011 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zusätzlich nach § 543 BGB fristlos und gab zur Begründung unter anderem an, die Lärmbelästigung dauere fort.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Räumungsanspruch des Klägers sei nach § 546 BGB begründet, denn das Mietverhältnis, in welches der Beklagte gemäß § 563 Abs. 2 BGB nach dem Tod seiner Mutter eingetreten sei, sei aufgrund der auf § 563 Abs. 4 BGB gestützten wirksamen Kündigung des Klägers vom 2. März 2011 beendet worden.
Der nach § 563 Abs. 4 BGB zu fordernde in der Person des eingetretenen Mieters liegende wichtige Grund zur Kündigung sei hier darin zu sehen, dass der Beklagte ohne Erlaubnis des Klägers über Jahre hinweg in der Wohnung Gitarrenunterricht gegeben habe. Der Kläger habe konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass es deswegen in der Vergangenheit - auch zu Zeiten, in denen der Beklagte noch nicht Mieter der Wohnung gewesen sei - zu Auseinandersetzungen mit anderen im Haus lebenden Mietern gekommen sei. Derartige Auseinandersetzungen seien auch in Zukunft zu befürchten und führten zu einer in der Person des Beklagten liegenden unzumutbaren Beeinträchtigung des Hausfriedens.
Die freiberufliche Erteilung von Gitarrenunterricht stelle keine übliche Wohnnutzung dar und bedürfe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, da diese Tätigkeit wegen der in das Haus kommenden Schüler Außenwirkung entfalte, der Erlaubnis des Vermieters, an der es vorliegend fehle. Da der Kläger den Beklagten mehrfach vergeblich aufgefordert habe, den Gitarrenunterricht zu unterlassen, rechtfertigten allein die deshalb zu befürchtende weitere Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit gegen den Willen des Vermieters und die sich daraus nicht unwahrscheinlich ergebenden Probleme mit Mitmietern die außerordentliche Kündigung. Darauf, ob die Vorhaltungen des Klägers hinsichtlich der Auseinandersetzungen mit Mitmietern überhaupt zuträfen, komme es nicht an.
II.
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Zu Recht hat das Berufungsgericht darin, dass der Beklagte ohne Erlaubnis des Klägers in der Wohnung Gitarrenunterricht erteilt hat, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 563 Abs. 4 BGB gesehen. Der Räumungsanspruch ist deshalb nach § 546 Abs. 1 BGB begründet.
1. Gemäß § 563 Abs. 4 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem er von dem endgültigen Eintritt in das Mietverhältnis Kenntnis erlangt hat, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, wenn in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt.
Es bedarf keiner grundsätzlichen Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich der in § 563 Abs. 4 BGB genannte wichtige Grund zur außerordentlichen Kündigung von dem in § 543 Abs. 1 BGB genannten wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung unterscheidet. Jedenfalls muss dieser Grund so beschaffen sein, dass er dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund von Umständen unzumutbar macht, die in der Person des Mieters liegen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2010 - VIII ZR 254/09, WuM 2010, 431 Rn. 6). So verhält es sich im Streitfall.
2. Nach der vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des Senats fallen unter den nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden Begriff des "Wohnens" lediglich solche berufliche Tätigkeiten, die der Mieter - etwa im häuslichen Arbeitszimmer - in einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Weise ausübt. Der Senat hat beispielhaft hierfür die Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers, die Telearbeit eines Angestellten, die schriftstellerische Tätigkeit eines Autors sowie den Empfang oder die Bewirtung von Geschäftsfreunden angeführt (Senatsurteil vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 165/08, NJW 2009, 3157 Rn. 14). Für die Aufnahme derartiger Tätigkeiten, die mit dem vertraglich vereinbarten Nutzungszweck im Einklang stehen, bedarf es keiner Erlaubnis des Vermieters.
Hingegen muss der Vermieter in ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen geschäftliche (gewerbliche oder [frei-]berufliche) Aktivitäten des Mieters, die nach außen in Erscheinung treten, grundsätzlich nicht ohne entsprechende vorherige Vereinbarung dulden (Senatsurteil vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 165/08, aaO Rn. 15). Da der Beklagte in den ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen nach seinen Angaben an drei Werktagen in der Woche zehn bis zwölf Schülern Gitarrenunterricht erteilt, liegt eine vertragswidrige geschäftliche Aktivität mit Publikumsverkehr vor, für deren Zulässigkeit es an einer Vereinbarung der Parteien fehlt.
Zwar hat der Senat entschieden, dass der Vermieter im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein kann, eine Erlaubnis zur teilweisen gewerblichen oder (frei-)beruflichen Nutzung zu erteilen. Eine solche Verpflichtung des Vermieters, eine nach den Bestimmungen des Mietvertrags vertragswidrige Nutzung zu gestatten, wird jedoch nur dann in Betracht kommen, wenn von der beabsichtigten Tätigkeit - was der Mieter darzulegen und zu beweisen hat (Senatsurteil vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 165/08, aaO Rn. 17) - keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung. Beispielhaft hat der Senat dabei eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr genannt (Senatsurteil vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 165/08, aaO Rn. 15). Um eine derartige Tätigkeit handelt es sich bei der vom Beklagten ausgeübten Tätigkeit nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen offensichtlich nicht.
Ball Dr. Frellesen Dr. Milger
Dr. Achilles Dr. Schneider