Entscheidungsdatum: 05.12.2018
Zur Gebrauchsgewährungs- und -erhaltungspflicht des Vermieters bezüglich eines in der Mietwohnung vorhandenen Telefonanschlusses.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 19. Dezember 2017 im Kostenpunkt und bezüglich der Entscheidung zur Klage aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 13. März 2017 wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin ist seit 2011 Mieterin einer in einem Mehrfamilienhaus des Beklagten gelegenen Erdgeschosswohnung. Diese ist mit einem Telefonanschluss ausgestattet. Die Telefonleitung verläuft vom Hausanschluss durch einen Kriechkeller zur Wohnung der Klägerin.
Nachdem Telefongespräche und die Nutzung des Internets über diese Telefonleitung zunächst möglich waren, kam es in der Folgezeit zu einem Defekt an dieser Leitung. Dies zeigte die Klägerin im Jahr 2015 dem Beklagten an. Sie forderte ihn erfolglos auf, die Telefonleitung zwischen dem Hausanschluss und der Telefondose ihrer Wohnung in Stand zu setzen.
Der Telekommunikationsanbieter teilte der Klägerin nach einer Überprüfung mit, an der Zuleitung vom Hausanschluss zur Wohnung sei ein Defekt aufgetreten; das Kabel müsse vom Hauseigentümer erneuert werden. Derzeit behilft sich die Klägerin mit einem Kabel, welches vom Hausanschluss über ein gekipptes Fenster von außen in ihr Schlafzimmer verläuft.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten als Vermieter die Instandsetzung der Telefonleitung vom Hausanschluss bis zu ihrer Wohnung; hilfsweise beansprucht sie die Duldung notwendiger Reparaturarbeiten an der Leitung durch eine von ihr zu beauftragende Fachfirma. Nach einem von ihr eingeholten Kostenvoranschlag fiele hierfür ein Betrag in Höhe von 262,10 € an.
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Instandsetzung der Telefonzuleitung verurteilt. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen und den Beklagten auf den Hilfsantrag zur Duldung der notwendigen Reparaturarbeiten an der Telefonleitung verurteilt.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Die Revision hat Erfolg. Diese ist durch das Berufungsgericht unbeschränkt zugelassen, so dass die von der Klägerin vorsorglich erhobene Nichtzulassungsbeschwerde gegenstandslos ist (vgl. BGH, Urteile vom 22. September 2016 - VII ZR 298/14, BGHZ 212, 90 Rn. 21; vom 16. Mai 2017 - XI ZR 430/16, WM 2017, 1155 Rn. 9; jeweils mwN; vom 15. Mai 2018 - II ZR 2/16, WM 2018, 1183 Rn. 16).
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Instandsetzung der defekten Telefonleitung nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu. Zwar könne ein Wohnraummieter nach der Verkehrsanschauung verlangen, dass ihm Anschlüsse für die Telekommunikation zur Verfügung stünden. Auch sei die Wohnung mit einem funktionierenden Telefonanschluss angemietet worden. Aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB folge jedoch nicht die Pflicht des Vermieters, die Signalübertragung eines bestehenden Anschlusses auch dauerhaft zu gewährleisten. Es genüge vielmehr, dass er die Wohnung mit einer entsprechenden Anschlusseinrichtung ausstatte und einen Übergabepunkt im Haus einrichte, an dem die Telefonleitung zur Wohnung angeschlossen werden könne.
Ein Anspruch auf Instandsetzung folge auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Klägerin habe bereits nicht konkret behauptet und substantiiert dargelegt, dass der Beklagte den Wegfall einer ordnungsgemäßen Signalübertragung zu vertreten habe. Im Ergebnis bleibe offen, wer die Störung der Telefonleitung zu verantworten habe, was zu Lasten der hierfür beweisbelasteten Klägerin gehe.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Instandsetzung der Telefonleitung aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
1. Nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Kommt er diesen Verpflichtungen nicht nach, hat der Mieter einen entsprechenden Erfüllungsanspruch.
Der Umfang der Pflicht des Vermieters zur Gebrauchserhaltung richtet sich danach, was die Parteien als vertragsgemäß vereinbart haben. Fehlt es - wie vorliegend bezüglich der Telefonleitung - an einer vertraglichen Vereinbarung, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand im Sinne des § 535 Abs. 1 BGB nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in - gegebenenfalls ergänzender - Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben bestimmt (vgl. Senatsurteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 197/14, BGHZ 205, 177 Rn. 23).
Nach der allgemeinen Verkehrsanschauung kann der Mieter einer Wohnung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der der üblichen Ausstattung vergleichbarer Wohnungen entspricht. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete sowie eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen (st. Rspr.; Senatsurteile vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174 unter [II] A 1 b bb; vom 7. Juli 2010 - VIII ZR 85/09, NJW 2010, 3088 Rn. 13).
2. Gemessen daran umfasst der vertragsgemäße Gebrauch vorliegend die Überlassung und hiermit korrespondierend auch die Instandhaltung einer funktionsfähigen Telefonanschlusseinrichtung.
Es kann dahinstehen, ob ein funktionierender Telefonanschluss mangels einer gegenteiligen Vereinbarung vom Vermieter schon unter dem Gesichtspunkt eines nach der Verkehrsanschauung jedenfalls geschuldeten Mindeststandards zeitgemäßer Wohnnutzung geschuldet ist, wie der Senat dies in der Vergangenheit für die Stromversorgung einer Wohnung angenommen hat, die mangels abweichender Vereinbarung eines unter dem Mindeststandard liegenden Wohnungszustands jedenfalls den gleichzeitigen Betrieb einer Waschmaschine und eines weiteren elektrischen Geräts ermöglichen müsse (vgl. Senatsurteil vom 26. Juli 2014 - VIII ZR 281/03, aaO unter [II] A 2 b). Jedenfalls dann, wenn die Wohnung - wie vorliegend - mit einer sichtbaren Telefonanschlussdose ausgestattet ist, umfasst der zumindest im Wege ergänzender Auslegung zu ermittelnde vertragsgemäße Zustand einen (auch funktionsfähigen) Telefonanschluss. Dazu gehört - selbstverständlich - die Möglichkeit des Mieters, diesen Anschluss nach Abschluss eines Vertrages mit einem Telekommunikationsanbieter ohne Weiteres nutzen zu können, das heißt ohne zuerst noch Verkabelungsarbeiten von dem Anschluss in der Wohnung bis zu einem gegebenenfalls - wie hier - im Keller des Mehrfamilienhauses liegenden Hausanschlusspunkt (APL) vornehmen zu müssen.
Die nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Mietvertrag entstehende Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren, gestaltet § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zum einen dahin aus, dass der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen hat (Überlassungspflicht). Zum anderen trifft den Vermieter danach auf Dauer die Verpflichtung, die Mietsache während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten (Erhaltungspflicht), was zugleich die Pflicht beinhaltet, eine nach der Überlassung eingetretene Verschlechterung der Mietsache zu beseitigen und den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand wiederherzustellen (BGH, Urteile vom 29. April 2015 - VIII ZR 197/14, aaO Rn. 36; vom 19. November 2014- VIII ZR 191/13, BGHZ 203, 256 Rn. 25 mwN; vom 3. April 2003 - IX ZR 163/02, NZM 2003, 472 unter II 2).
Die vom Berufungsgericht und teilweise in der Instanzrechtsprechung vertretene Auffassung (AG Neukölln, Urteil vom 2. März 2011 - 5 C 340/10, juris Rn. 27 f.; LG Göttingen, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 5 S 53/12, juris Rn. 26; LG Berlin, Urteil vom 12. September 2014 - 63 S 151/14, juris Rn. 8; LG Essen, Urteil vom 21. Juli 2016 - 10 S 43/16, juris Rn. 5), bei einem späteren Defekt des Anschlusskabels eines mitvermieteten Telefonanschlusses treffe den Vermieter nicht die Pflicht zur Reparatur, sondern habe dieser lediglich entsprechende Arbeiten des Mieters zu dulden, ist mit der gesetzlichen Regelung der Gebrauchsgewährungs- und -erhaltungspflicht des Vermieters in § 535 Abs. 1 BGB unvereinbar. Im Übrigen würde es, was das Berufungsgericht gleichfalls verkannt hat, auch dem Interesse des Vermieters selbst widersprechen, die Gebrauchserhaltungspflicht für das Verbindungskabel zwischen der in der Wohnung des Mieters befindlichen Telefonanschlussdose und dem Hausanschluss im Keller dem Mieter aufzuerlegen. Denn in einem - wie hier - Mehrparteienhaus müsste dann jeder Mieter Arbeiten zur Verbindung der in seiner Wohnung befindlichen Telefonanschlussdose mit dem Hausanschluss im Keller durchführen oder durchführen lassen, was mit der Gefahr uneinheitlicher und nicht aufeinander abgestimmter Leitungsverläufe verbunden wäre.
Entgegen der Auffassung von Teilen der genannten Instanzrechtsprechung (vgl. LG Essen, Urteil vom 21. Juli 2016 - 10 S 43/16, aaO; LG Göttingen, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 5 S 53/12, aaO Rn. 28) kommt es für die Instandhaltungspflicht des Vermieters auch von vornherein nicht darauf an, ob und bejahendenfalls welche Ansprüche dem Mieter gegen ein Telekommunikationsunternehmen zustehen. Selbst wenn dem Mieter im Einzelfall im Hinblick auf die Verkabelung Ansprüche gegen Dritte zustünden, läge allenfalls ein Fall gesamtschuldnerischer Verpflichtung vor, bei der es dem Schuldner freisteht, welchen Gläubiger er in Anspruch nimmt.
Schließlich ist es auch unerheblich, dass sich die defekte Leitung außerhalb der vermieteten Räumlichkeiten befindet. Denn die Instandhaltungspflicht des Vermieters beschränkt sich nicht nur auf das eigentliche Mietobjekt, sondern erstreckt sich auch auf die nicht ausdrücklich mitvermieteten Hausteile, die, wenn auch nur mittelbar, dem Mietgebrauch unterliegen (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 2018 - VIII ZR 255/16, NJW-RR 2018, 726 Rn. 20; vom 19. Oktober 1966 - VIII ZR 93/64, NJW 1967, 154 unter 2 a).
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Dr. Milger |
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Dr. Hessel |
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Dr. Schneider |
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Dr. Bünger |
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Dr. Schmidt |
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