Entscheidungsdatum: 16.07.2013
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. September 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 312.962,02 €
I.
Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. F. GmbH, verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichtabnahme bei der Insolvenzschuldnerin bestellter Ware. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist bis zum 20. August 2012 verlängert worden.
Die Berufungsbegründung ist per Telefax am 20. August 2012 und im Original nebst beglaubigter Abschrift am 23. August 2012 bei Gericht eingegangen. Die Berufungsbegründungsschrift trägt den Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei F. und W. . Sie schließt mit der maschinenschriftlichen Namensangabe "A. D. , Rechtsanwalt" ab, die handschriftlich mit einem wellenförmigen Zeichen sowie mit einer nahezu senkrecht verlaufenden leicht gekrümmten Linie überschrieben ist, neben der sich links zwei andeutungsweise erkennbare weitere nahezu senkrechte Linien befinden.
Mit Verfügung vom 28. August 2012 hat das Berufungsgericht die Parteien darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden, weil die die Berufungsbegründungsschrift abschließende, nicht als Schriftzug erkennbare gekrümmte, nahezu senkrechte Linie nicht den Anforderungen an eine Unterschrift genüge. Der Kläger ist dem entgegengetreten und hat vorsorglich unter Wiederholung der Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Mit Beschluss vom 21. September 2012 hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, die Berufung sei mangels einer Unterschrift, welche den gesetzlichen Anforderungen an diejenige unter bestimmenden Schriftsätzen genüge, nicht formgerecht eingelegt worden. Die Autorenschaft des Rechtsanwalts D. sei bereits nicht eindeutig gesichert, vielmehr zweifelhaft. Der Vergleich mit anderen Unterschriften dieses Rechtsanwalts in den Akten des vorliegenden Rechtsstreits ergebe nämlich, dass der Klägervertreter vorhergehende und nachfolgende Schriftsätze in anderer Weise unterzeichnet habe. Insbesondere im Hinblick auf die Kürze des Zeichens ließen sich diesem auch sonst keine besonderen charakteristischen Merkmale entnehmen, welche die Wiedergabe eines Namens erkennen ließen. Dem Gebilde lasse sich auch aus diesem Grund die Absicht einer Unterschrift mit vollem Namen nicht entnehmen.
Der Antrag des Klägers, ihm wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, sei unbegründet. Der Rechtsanwalt müsse sich über den Stand der Rechtsprechung informieren. Es müssten ihm deshalb auch die höchstrichterlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze bekannt sein. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte somit erkennen können und müssen, dass die Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift den allgemein anerkannten und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten Anforderungen an eine Unterschrift nicht genügt habe.
Schließlich könne sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nicht auf den Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes berufen. Der Senat habe keine Schriftsätze des Klägervertreters ungerügt hingenommen, die einen der Berufungsbegründungsschrift entsprechenden Schriftzug aufgewiesen hätten.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, denn die angefochtene Entscheidung verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, juris Rn. 7; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 unter II 1).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Berufung des Klägers sei nicht innerhalb der bis zum 20. August 2012 verlängerten Frist durch einen von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schriftsatz begründet worden, ist rechtsfehlerhaft.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei bestimmenden Schriftsätzen die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers erforderlich, um diesen unzweifelhaft identifizieren zu können (vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, aaO Rn. 9 mwN). Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift (§ 130 Nr. 6, § 519 Abs. 4 ZPO). Erforderlich, aber auch genügend ist danach das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzugs, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, aaO Rn. 9 f.; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 unter II 2 a).
In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist jedenfalls dann, wenn die Autorenschaft gesichert ist, bei den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen ein großzügiger Maßstab anzulegen. Denn Sinn und Zweck des Unterschriftserfordernisses ist die äußere Dokumentation der eigenverantwortlichen Prüfung des Inhalts des Schriftsatzes durch den Anwalt (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 unter III 2 a bb), die gewährleistet ist, wenn feststeht, dass die Unterschrift von dem Anwalt stammt (Senatsbeschluss vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, aaO).
b) An der Autorenschaft des Klägervertreters bestanden hier - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - keine Zweifel. Sie ergibt sich daraus, dass die Berufungsbegründungsschrift unter dem Briefkopf als Ansprechpartner "Rechtsanwalt A. D. " aufführt und der von dem Klägervertreter zur Unterzeichnung des Berufungsbegründungsschriftsatzes verwendete handschriftliche Schriftzug, welcher über den maschinenschriftlichen Zusatz "A. D. Rechtsanwalt" gesetzt ist, bei Anlegung des gebotenen großzügigen Maßstabs noch den Anforderungen an eine formgültige Unterschrift genügt.
Dies kann der Senat selbständig und ohne Bindung an die Auffassung des Berufungsgerichts beurteilen (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, aaO Rn. 11; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, aaO unter II 2 b mwN). Das Schriftgebilde stellt eine zwar einfach strukturierte, gleichwohl aber als solche erkennbare Namensunterschrift dar. Sie ist offensichtlich in flüchtigerem Duktus, jedoch ersichtlich mit der gleichen mechanischen Bewegung hergestellt wie die übrigen in der Gerichtsakte enthaltenen Unterschriften, die das Berufungsgericht nicht beanstandet hat, namentlich die Unterzeichnung der Berufungsschrift und des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.
3. Da der Kläger seine Berufung rechtzeitig begründet hat, hätte das Berufungsgericht sie nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Der Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Es bedarf keiner Entscheidung über den von dem Kläger wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vorsorglich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insoweit ist der Beschluss des Berufungsgerichts gegenstandslos.
Ball Dr. Milger Dr. Hessel
Dr. Achilles Dr. Schneider