Entscheidungsdatum: 20.11.2012
Die Untätigkeitsbeschwerde des Klägers vom 23. September 2012 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
I.
Der Kläger hat nach Erlass des Berufungsurteils vom 17. April 2012 beim Berufungsgericht Anträge auf Tatbestandsberichtigung und Urteilsergänzung gestellt, mehrere Ablehnungsgesuche wegen Befangenheit der Richter eingereicht und die Rüge nach § 321a ZPO erhoben. Die Anträge sind vom Berufungsgericht jeweils durch Beschluss abschlägig beschieden worden. Hiergegen und gegen die Kostenrechnung hat der Kläger am 9. August 2012 und am 11. August 2012 "Rechtsmittel" beim Berufungsgericht eingelegt. Am 24. August 2012, 2. September 2012 und 18. September 2012 hat der Kläger gegenüber dem Berufungsgericht Verzögerungsrügen und am 23. September eine Untätigkeitsbeschwerde beim Bundesgerichtshof erhoben.
II.
Die vom Kläger erhobene Untätigkeitsbeschwerde ist mangels Statthaftigkeit als unzulässig zu verwerfen.
Jedenfalls seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) am 3. Dezember 2011 mit Wirkung für alle zu dieser Zeit bereits anhängigen Verfahren ist die nach früherer Rechtslage von einzelnen Gerichten und Teilen der Literatur befürwortete Untätigkeitsbeschwerde (vgl. hierzu Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 567 Rn. 21) nicht mehr statthaft.
Durch die gesetzliche Neufassung sollten die Anforderungen des Art. 13 EMRK erfüllt werden, der verlangt, dass einem Betroffenen ein Rechtsbehelf bei einer innerstaatlichen Instanz zusteht, mit dem er rügen kann, die aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung, über eine Streitigkeit innerhalb angemessener Frist zu entscheiden, sei verletzt (vgl. BT-Drucks. 17/3802, S. 15; EGMR, NJW 2001, 2694 Rn. 156). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss ein innerstaatlicher Rechtsbehelf bei überlanger Verfahrensdauer wirksam sein. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsbehelf geeignet ist, entweder die befassten Gerichte zu einer schnelleren Entscheidungsfindung zu veranlassen (präventive Wirkung) oder dem Rechtsuchenden für die bereits entstandenen Verzögerungen eine angemessene Entschädigung zu gewähren (kompensatorische Wirkung, vgl. EGMR, NJW 2006, 2389 Rn. 99).
Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit § 198 Abs. 1 GVG bewusst für die Kompensationslösung entschieden (BT-Drucks. 17/3802, aaO). Der Gedanke der Prävention wurde nur insoweit aufgegriffen, als der Entschädigungsanspruch eine Verzögerungsrüge beim Ausgangsgericht (§ 198 Abs. 3 GVG) voraussetzt (BT-Drucks. 17/3802, S. 16). Im Gesetzesentwurf ist ausgeführt: "Da Gerichte auf entsprechende Rügen mit Abhilfe reagieren können und in begründeten Fällen auch regelmäßig abhelfen werden, hat die Regelung eine konkret-präventive Beschleunigungswirkung. Eine Beschwerdemöglichkeit für den Fall der Nichtabhilfe ist nicht vorgesehen, um die Belastungen für die Praxis begrenzt zu halten" (BT-Drucks. 17/3802, aaO). Hieraus ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber gegen die Untätigkeit des Gerichts keine Rechtsmittelmöglichkeit zu einer höheren Instanz vorsehen wollte. Einer außerordentlichen Beschwerde ist damit der Boden entzogen (OLG Düsseldorf, NJW 2012, 1455 f.; OLG Brandenburg, MDR 2012, 305; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 567 Rn. 21b; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl., § 567 Rn. 10).
Ball Dr. Milger Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Fetzer