Entscheidungsdatum: 24.02.2015
1. NV: Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft gehören zu den steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit für diese nach dem Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto Eigenkapital i.S.d. § 27 KStG nicht verwendet wurde.
2. NV: Entspricht die Steuerbescheinigung der ausschüttenden Gesellschaft nicht den Anforderungen des § 27 Abs. 3 KStG, hat sie keine Bindungswirkung für die Qualifizierung der Ausschüttung als Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 18. November 2011 11 K 1481/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH. Das Stammkapital der GmbH belief sich auf 1.500.000 DM. Der Kläger hielt einen Geschäftsanteil in Höhe von 375.000 DM. Am zweiten Geschäftsanteil in Höhe von 1.125.000 DM bestanden Treuhandverhältnisse mit den Beigeladenen des Ausgangsverfahrens als Treugebern und dem Kläger als Treuhänder. Der Kläger schloss sich hinsichtlich der Beteiligung an der X-GmbH mit den Treugebern zu der X-GbR zusammen, für die er als Bevollmächtigter Feststellungserklärungen einreichte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte dementsprechend die von dem Kläger und den Treugebern aus der Beteiligung an der X-GmbH erzielten Einkünfte gesondert und einheitlich fest.
Mit notariellem Vertrag vom 13. Dezember 2000 brachte der Kläger seinen Geschäftsanteil an der Z-GmbH in Höhe von 650.313 DM (332.499,76 €) ohne Gegenleistung in die X-GmbH ein. Er vereinbarte mit den beigeladenen Treugebern, dass die durch die Einbringung entstandene Kapitalrücklage allein ihm zustehen und bei einer Auflösung auch nur ihm zufließen sollte. Die Kapitalrücklage wurde als EK 04 zum 31. Dezember 2000 gesondert festgestellt. Das Eigenkapital der X-GmbH belief sich lt. Steuerbilanz auf den 31. Dezember 2001 auf 2.954.957,07 €. Den Endbestand des steuerlichen Einlagekontos stellte das FA nach § 27 Abs. 2 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (KStG) zum 31. Dezember 2001 und zum 31. Dezember 2002 jeweils in Höhe von 2.156.174 DM (1.102.434 €) bestandskräftig fest.
Als sich die Finanzlage der X-GmbH gebessert hatte, fasste der Kläger am 22. März 2002 einen Gesellschafterbeschluss über die Auszahlung eines Teils der Kapitalrücklage. Die im Jahr 2002 erfolgte Auszahlung in Höhe von 226.500 € sah er als gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht steuerbare Zahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG an, so dass sie nicht im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die X-GbR für 2002 erfasst wurde. Nach einer Außenprüfung änderte das FA den Feststellungsbescheid für 2002 mit Bescheid vom 28. August 2007 und stellte die Kapitalrückzahlung in Höhe von 226.500 € als allein dem Kläger zuzurechnende, dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen fest.
Der von der "X - GbR" hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2009, die an die Gesellschafter der "X - GbR" gerichtet war, als unbegründet zurückgewiesen. Die "im Namen und im Auftrag" des Klägers, "handelnd als Gesellschafter und Empfangsbevollmächtigter" der "X - GbR" erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 949 veröffentlichten Urteil vom 18. November 2011 11 K 1481/09 als unbegründet abgewiesen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG sei nach der Rechtslage im Jahr 2002, d.h. vor Verabschiedung des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, berichtigt BGBl I 2007, 68), der Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto möglich gewesen. Das strikte Festhalten an der Verwendungsreihenfolge führe zu unsinnigen Ergebnissen. Der Kläger müsste die Rückzahlung der von ihm geleisteten Einlage versteuern, während die übrigen Gesellschafter spätere Ausschüttungen steuerfrei beziehen könnten, wenn der ausschüttbare Gewinn verbraucht sei. Dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Mai 2010 I R 51/09 (BFHE 230, 128, BStBl II 2014, 937) sei nicht zu entnehmen, dass die Feststellung des Einlagekontos der GmbH materiell-rechtliche Bindungswirkung gegenüber dem Gesellschafter habe. Andernfalls wäre den Gesellschaftern der Rechtsweg abgeschnitten, wenn die GmbH keinen Einspruch gegen die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos einlegen würde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger gleichzeitig Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, da ihm dieser Zufall nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Die von der X-GmbH ausgestellte Steuerbescheinigung sei auch nicht unwirksam, weil sie keine Unterschrift und kein Datum enthalte. § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG befreie den Aussteller von der Verpflichtung, die Steuerbescheinigung zu unterschreiben, wenn sie im maschinellen Verfahren erstellt werde. Die Angabe des Datums sei nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG nicht erforderlich. Auch die fehlende Angabe über den Zahlungstag sei unschädlich, weil sich dieser durch Auslegung ermitteln lasse.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz und den geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2002 vom 28. August 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2009 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Das FG hat zu Recht die Zulässigkeit der Klage bejaht und in rechtsschutzwahrender Auslegung die für die "X - GbR" erhobene Klage in eine Klage des Klägers umgedeutet. Die "X - GbR" war nach den Feststellungen des FG spätestens am 6. Februar 2009 und somit zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 23. März 2009 bereits beendet. Eine gleichwohl noch im Namen der "GbR" erhobene Klage wäre unzulässig, weil das FA in der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2009 nicht über einen Einspruch der GbR, sondern über den Einspruch der Gesellschafter entschieden hatte (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162).
In dieser Situation konnten nur noch die Feststellungsbeteiligten selbst Klage erheben. Ihre Klagebefugnis war nicht mehr durch § 48 FGO beschränkt. Der Kläger war in der Klageschrift ausdrücklich als derjenige bezeichnet worden, in dessen Namen und Auftrag die Klage erhoben werden sollte. Der Hinweis, dass er darüber hinaus "als Gesellschafter und Empfangsbevollmächtigter" der als Klägerin bezeichneten GbR handele, ging --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- ins Leere, nachdem eine solche GbR im Zeitpunkt der Klageerhebung jedenfalls nicht mehr bestand. Da nicht anzunehmen ist, dass die Anfechtung des in der Klageschrift näher bezeichneten Feststellungsbescheids und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung von der Eigenschaft des Klägers als Gesellschafter und Empfangsbevollmächtigter abhängig sein sollte, kann davon ausgegangen werden, dass dieser die Klage auch als Betroffener des angefochtenen Bescheids in eigenem Namen erheben wollte.
2. Das FG hat die nicht klagenden Feststellungsbeteiligten mit Beschluss vom 21. September 2011 notwendig beigeladen, so dass auch insoweit kein Verfahrensfehler vorliegt (Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 59, Stichwort "Vollbeendigung").
3. Zu Recht hat es das FG bei der Prüfung der Begründetheit der Klage verfahrensrechtlich nicht beanstandet, dass das FA die Einkünfte des Klägers und der Beigeladenen aus Ausschüttungen der X-GmbH gesondert und einheitlich festgestellt hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des FG hierzu wird Bezug genommen.
4. Das FG hat die von der X-GmbH an den Kläger ausgeschütteten Beträge zu Recht als gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert. Die Ausnahmevorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG greift nicht ein. Danach gehören Bezüge nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG als verwendet gelten. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Bei dem an den Kläger im Streitjahr ausgeschütteten Betrag kann es sich schon deshalb nicht um eine nicht steuerbare Zahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto handeln, weil die Summe der im Wirtschaftsjahr von der X-GmbH erbrachten Leistungen den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn nicht überstiegen hat (§ 27 Abs. 1 Satz 3 KStG). Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 1 Satz 4 KStG). Der Endbestand des steuerlichen Einlagekontos der X-GmbH war zum 31. Dezember 2001 bestandskräftig auf 2.156.174 DM (1.102.434 €) festgestellt worden. Das Eigenkapital belief sich laut Steuerbilanz zu diesem Stichtag auf 2.954.957 €, so dass abzüglich des Nennkapitals in Höhe von 766.937 € und dem Stand des Einlagekontos in Höhe von 1.102.434 € ein ausschüttbarer Gewinn von 1.085.586 € vorhanden war. Da die X-GmbH (tatsächlich) nur 226.500 € ausgeschüttet hat, ergibt sich hieraus, dass das steuerliche Einlagekonto für die Ausschüttung nicht verwendet worden ist, so dass es sich um eine nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbare Gewinnausschüttung handelte.
b) Zu keiner anderen Beurteilung führt der Einwand des Klägers, dass bis zur Änderung des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG durch das SEStEG (Einfügung des Zusatzes "unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung" in § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG) ein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto möglich gewesen sei, da der gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 KStG über § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG materiell-rechtliche Bindungswirkung für die Besteuerung des Anteilseigners zukommt. Dies ergibt sich eindeutig aus dem BFH-Urteil in BFHE 230, 128, BStBl II 2014, 937, nach dem Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG die im Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG ausgewiesenen Bestände sind (ebenso Gosch/Heger KStG, 2. Aufl., § 27 Rz 35, m.w.N.). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft zu den steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören, soweit für diese nach dem Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto Eigenkapital i.S. des § 27 KStG nicht als verwendet gilt. Dies ist vorliegend der Fall, da mit bestandskräftigen Feststellungsbescheiden der Endbestand des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG sowohl zum 31. Dezember 2001 als auch zum 31. Dezember 2002 in Höhe von 1.102.434 € festgestellt wurde. Somit steht fest, dass das steuerliche Einlagekonto i.S. des § 27 Abs. 2 KStG für die Ausschüttung an den Kläger im Jahr 2002 nicht verwendet wurde. Dass diese Feststellung im Steuerrechtsverhältnis der X-GmbH getroffen wurde, steht ihrer Wirkung in Bezug auf den Kläger schon deshalb nicht entgegen, weil dieser als Geschäftsführer der X-GmbH zu ihrer Anfechtung in der Lage gewesen wäre (vgl. § 166 der Abgabenordnung).
5. Auch die vom Kläger vorgelegte Steuerbescheinigung der X-GmbH, die eine Verwendung des steuerlichen Einlagekontos in Höhe von 223.500 € bescheinigt, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen, da sie nicht den Anforderungen des § 27 Abs. 3 KStG entspricht (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 2009 I R 10/09, BFHE 225, 384, BStBl II 2009, 974). Die Bescheinigung enthält keine Angaben darüber, wann die Auszahlung erfolgt ist. Diese Angabe ist jedoch nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KStG erforderlich, da die Steuerbescheinigung erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres zu einem Zeitpunkt erstellt werden kann, zu dem die Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto feststeht.
Es kann danach offenbleiben, ob der Bescheinigung auch deshalb die Anerkennung zu versagen ist, weil sie nicht unterschrieben worden ist. Zwar ist dies nicht erforderlich, wenn die Bescheinigung in einem maschinellen Verfahren ausgedruckt worden ist und den Aussteller erkennen lässt (§ 27 Abs. 3 Satz 2 KStG). Welche Person als Vertreter der X-GmbH die unrichtige Bescheinigung erstellt hat und damit nach § 27 Abs. 5 Satz 1 KStG haftet, lässt sich der Bescheinigung jedoch nicht entnehmen, so dass auch dieser Umstand dafür spricht, der Bescheinigung die Anerkennung zu versagen.
6. Schließlich hat das FG zu Recht entschieden, dass die Ausschüttung allein dem Kläger zuzurechnen ist. Die Feststellungsbeteiligten hatten vereinbart, dass Zahlungen aus der Auflösung der im Zusammenhang mit der Einbringung zu bildenden Kapitalrücklage allein dem Kläger zufließen sollten. Diese Abrede ist zivil- und gesellschaftsrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen, sachlich begründet und tatsächlich durchgeführt worden; sie ist deshalb auch steuerlich zu beachten (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2014 IV R 28/11, BFH/NV 2015, 495).
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.