Entscheidungsdatum: 20.11.2018
Erzielt ein Übungsleiter steuerfreie Einnahmen unterhalb des sog. Übungsleiterfreibetrags nach § 3 Nr. 26 EStG, kann er die damit zusammenhängenden Aufwendungen insoweit abziehen, als sie die Einnahmen übersteigen , wenn hinsichtlich der Tätigkeit eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt (Anschluss an BFH-Urteil vom 20. Dezember 2017 III R 23/15, BFHE 260, 271) .
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Juni 2015 3 K 368/14 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
I.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zu Recht den Verlust des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) aus einer sog. Übungsleitertätigkeit bei der Einkommensteuerveranlagung außer Ansatz gelassen hat.
Der Kläger erzielte im Streitjahr (2013) aus der Übungsleitertätigkeit Einnahmen in Höhe von 108 €. Dem standen Ausgaben in Höhe von 608,60 € gegenüber. Die Differenz in Höhe von 500,60 € machte er in seiner Einkommensteuererklärung für 2013 als Verlust aus selbständiger Tätigkeit geltend.
Das FA lehnte dies im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch mit seiner Einspruchsentscheidung vom 26. September 2014 unter Hinweis auf R 3.26 Abs. 9 der Lohnsteuer-Richtlinien 2013 (LStR) ab, wonach ein Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben nur dann möglich sei, wenn die Einnahmen aus der Tätigkeit und gleichzeitig auch die jeweiligen Ausgaben den Freibetrag des § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) übersteigen würden.
Das Finanzgericht (FG) hat der hiergegen erhobenen Klage mit der Maßgabe stattgegeben, den geltend gemachten Verlust aus der Übungsleitertätigkeit des Klägers steuermindernd abzusetzen. Zur Begründung hat das Gericht auf die Entscheidungsgründe in dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 25. Mai 2011 2 K 1996/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 1596) verwiesen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht habe das FG Verluste aus einer Übungsleitertätigkeit als steuerlich abzugsfähig angesehen.
Gemäß § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG seien Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiter bis zu einer Höhe von insgesamt 2.400 € je Kalenderjahr steuerfrei. Nur soweit die Einnahmen für die nebenberufliche Tätigkeit den steuerfreien Betrag überschritten, dürften die mit den nebenberuflichen Tätigkeiten in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben abweichend von § 3c EStG als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Auch nach R 3.26 Abs. 9 LStR sei ein Abzug von Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, die mit den steuerfreien Einnahmen nach § 3 Nr. 26 EStG in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, nur dann möglich, wenn die Einnahmen und gleichzeitig auch die jeweiligen Ausgaben den Freibetrag überstiegen.
Daran fehle es im Streitfall, da die erzielten Einnahmen aus der Übungsleitertätigkeit nicht über den Freibetrag von 2.400 € hinausgingen.
Darüber hinaus seien Einkünfte aus selbständiger Arbeit nur dann unter einer der Einkunftsarten zu erfassen, wenn der ehrenamtlich Tätige die Absicht habe, letztlich einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten/Betriebsausgaben zu erwirtschaften. Daran fehle es im Streitfall, weil der Kläger positive Einkünfte auch zukünftig aufgrund der geringen Höhe der Aufwandsentschädigung (im Streitjahr 108 €) und der hohen Anzahl der im Rahmen der Übungsleitertätigkeit zu fahrenden Kilometer (im Streitjahr 1 872 km) nicht erzielen könne.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) beantragen im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Begründung der vorinstanzlichen Entscheidung, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat --ohne einen Antrag zu stellen-- ebenso wie das FA geltend gemacht, das FG habe die streitigen Verluste aus der ehrenamtlichen Tätigkeit des Klägers zu Unrecht steuermindernd berücksichtigt.
Nach § 3c Abs. 1 1. Halbsatz EStG könnten die geltend gemachten Beträge nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Die Vorschrift enthalte ein Aufteilungsgebot dem Grunde nach; die gegenteilige Auffassung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 20. Dezember 2017 III R 23/15, BFHE 260, 271) teile das BMF nicht, weil Aufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen zusammenhingen, nicht anders zu behandeln seien als Aufwendungen, die mit nicht steuerbaren Einnahmen zusammenhingen.
Im Übrigen ergebe sich die Abziehbarkeit der streitigen Aufwendungen auch nicht aus § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG, da die Vorschrift im Streitfall --auch nach Auffassung des FG-- nicht anwendbar sei. Sie sei auch nicht im Wege einer teleologischen Extension auf den Fall anwendbar, dass die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit den Übungsleiterfreibetrag nicht überstiegen.
II.
Die Revision des FA ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Zwar hat das FG dem Grunde nach zu Recht die Abziehbarkeit von Erwerbsaufwendungen zur Erzielung von Einnahmen aus einer Übungsleitertätigkeit i.S. des § 3 Nr. 26 EStG nach § 3c Abs. 1 EStG auch für den Streitfall bejaht, bei dem die Höhe der Einnahmen nicht über den Freibetrag des § 3 Nr. 26 EStG (2.400 €) hinausgeht (nachfolgend unter 1.).
Die Sache ist aber nicht spruchreif, weil das FG keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Kläger seine Übungsleitertätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeübt hat (nachfolgend unter 2.).
1. Wie der BFH bereits mit Urteil in BFHE 260, 271 entschieden hat, kann ein Sporttrainer, der mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig ist und steuerfreie Einnahmen unterhalb des Übungsleiterfreibetrags nach § 3 Nr. 26 EStG erzielt, die damit zusammenhängenden Aufwendungen insoweit abziehen, als sie die Einnahmen übersteigen.
a) Die Abziehbarkeit der Aufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen des Klägers aus der Übungsleitertätigkeit stehen, richtet sich im Streitfall nach § 3c Abs. 1 EStG und nicht --wie auch das BMF zu Recht ausgeführt hat-- nach § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG.
Die letztgenannte Vorschrift, der zufolge die mit einer nebenberuflichen Tätigkeit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben abweichend von § 3c EStG nur insoweit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden dürfen, als sie den Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen, ist hier nicht anwendbar, weil die nach § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG steuerfreien Einnahmen von 108 € den Maximalbetrag von 2.400 € nicht übersteigen.
b) Entgegen der Rechtsansicht des FA und des BMF folgt daraus jedoch nicht, dass der geltend gemachte Verlust im Streitfall schon dem Grunde nach nicht anzuerkennen ist. Die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG steht einem Abzug nicht entgegen (ebenso schon BFH-Urteil in BFHE 260, 271).
Hiernach dürfen Ausgaben, "soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen", nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden.
aa) Die Einschränkung "soweit" in § 3c Abs. 1 EStG besagt zunächst, dass bei Aufwendungen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang sowohl mit steuerpflichtigen als auch mit steuerfreien Einnahmen stehen, eine Aufteilung vorzunehmen ist ("Aufteilungsgebot"). Dabei richtet sich der nicht abziehbare Teil nach dem Verhältnis, in dem die steuerfreien zu den gesamten Einnahmen, die der Steuerpflichtige aus einer Tätigkeit bezogen hat, stehen (z.B. BFH-Urteil vom 26. März 2002 VI R 26/00, BFHE 198, 545, BStBl II 2002, 823, m.w.N.).
bb) Die Bedeutung der Konjunktion "soweit" ist jedoch nicht auf solche Fälle beschränkt. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ausschließlich steuerfreie Einnahmen erzielt worden sind und die damit unmittelbar wirtschaftlich zusammenhängenden Aufwendungen höher sind, ermöglicht sie darüber hinaus eine Auslegung, wonach die Ausgaben nur bis zur Höhe der steuerfreien Einnahmen vom Abzug ausgeschlossen sind und der übersteigende Betrag steuerrechtlich zu berücksichtigen ist (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile vom 14. November 1986 VI R 226/80, BFHE 148, 457, BStBl II 1987, 385; zuletzt vom 19. Oktober 2016 VI R 23/15, BFHE 255, 524, BStBl II 2017, 345; ebenso Schmidt/Levedag, EStG, 37. Aufl., § 3c Rz 9; Desens in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3c EStG Rz 42; Isler in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 3c Rz 30; Karrenbrock in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 3c Rz 48; a.A. Blümich/Erhard, § 3c EStG Rz 47).
cc) Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Rechtsgrundsatz, bei steuerfreien Einnahmen dürfe kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den Abzug von unmittelbar mit diesen Einnahmen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (z.B. BFH-Urteil in BFHE 255, 524, BStBl II 2017, 345). Die Anwendbarkeit des § 3c EStG wird durch diese Zweckbestimmung begrenzt (BFH-Urteile vom 4. März 1977 VI R 213/75, BFHE 122, 265, BStBl II 1977, 507, und vom 30. Januar 1986 IV R 247/84, BFHE 146, 65, BStBl II 1986, 401).
Die Abzugsbeschränkung kann deshalb nicht dazu führen, dass die im Rahmen einer Einkunftsart angefallenen Aufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, auch insoweit nicht abgezogen werden können, als sie die Einnahmen übersteigen (so schon BFH-Urteil in BFHE 260, 271).
Eine solche Gesetzesauslegung würde nämlich zu dem nicht gerechtfertigten Ergebnis führen, dass ein Steuervorteil in einen Steuernachteil umschlägt (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 61/04, BFHE 210, 332, BStBl II 2006, 163; ebenso FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Mai 2011 2 K 1996/10, EFG 2011, 1596; ähnlich FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Dezember 2007 7 K 3121/05 B, EFG 2008, 1535).
2. Die steuerliche Anerkennung des Verlustes setzt jedoch (auch) voraus, dass der Kläger seine nebenberufliche Tätigkeit als Übungsleiter mit der Absicht, einen Totalgewinn oder -überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen, ausgeübt hat. Denn sollte seine Tätigkeit als sog. Liebhaberei anzusehen sein, wären die daraus stammenden Einnahmen nicht steuerbar und die damit zusammenhängenden Aufwendungen steuerlich unbeachtlich (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2005 I R 34/05, BFH/NV 2006, 1068). Entsprechende Feststellungen des FG fehlen. Dies ist ein materiell-rechtlicher Mangel, der im Streitfall zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt.
a) Die Absicht der Gewinn- oder Überschusserzielung ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann (vgl. dazu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Unabhängig von den Motiven, aus denen der Einzelne einer Beschäftigung nachgeht, ist eine Gewinn-/Überschusserzielungsabsicht dann anzunehmen, wenn in der Regel Überschüsse aus der Beschäftigung tatsächlich erzielt werden. Umgekehrt ist von dem Fehlen einer Gewinn-/Überschusserzielungsabsicht dann auszugehen, wenn die Einnahmen in Geld oder Geldeswert lediglich dazu dienen, in pauschalierender Weise die tatsächlichen Selbstkosten zu decken (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der BFH im Urteil vom 23. Oktober 1992 VI R 59/91 (BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303, betreffend Amateurfußballspieler) eine steuerlich irrelevante Liebhaberei für den Fall angenommen, dass Sportler im Zusammenhang mit ihrer Betätigung lediglich Zahlungen erhalten, die geringer oder nur ganz unwesentlich höher sind als die ihnen entstandenen Aufwendungen (ähnlich BFH-Urteile vom 4. August 1994 VI R 94/93, BFHE 175, 276, BStBl II 1994, 944, betreffend Rotkreuzhelfer, und vom 9. April 2014 X R 40/11, BFH/NV 2014, 1359, betreffend Gewichtheber).
b) Im Streitfall drängt sich eine Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht auf, weil dem Kläger bei Einnahmen von lediglich 108 € Ausgaben von 608,60 € aufgrund von Fahrtaufwendungen entstanden sind. Die Einnahmen waren somit im Streitjahr nicht geeignet, die Ausgaben zu übersteigen oder auch nur in etwa abzudecken.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn der Verlust aus der Übungsleitertätigkeit auch bei einer unterstellten Einkünfteerzielungsabsicht nicht anzuerkennen wäre. Das ist jedoch --wie das FG zu Recht entschieden hat-- nicht der Fall.
Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob der Kläger bei seiner Vorgehensweise auf Dauer einen Totalgewinn erzielen konnte und ob er eine verlustbringende Tätigkeit möglicherweise wegen persönlicher Neigungen ausübte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. Oktober 2014 IV R 34/11, BFHE 247, 418, BStBl II 2015, 380).
4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.