Entscheidungsdatum: 16.02.2011
NV: Die Frage, ob bei einem Betrieb, der kein Großbetrieb ist, nach nur einem prüfungsfreien Jahr eine weitere Außenprüfung zulässig ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist als Arzt freiberuflich tätig.
Für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 wurde eine Außenprüfung durchgeführt, die wegen des Verdachts auf leichtfertige Steuerverkürzung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer Labor-Gemeinschaft auf die Jahre 1996 und 1997 erweitert wurde. Für das Jahr 2001 wurden Änderungen entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung für die Vorjahre vorgenommen.
2008 ordnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) eine weitere Außenprüfung an, die sich auf die Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 2002 bis 2004 bezog.
Der Kläger hält nach lediglich einem prüfungsfreien Jahr diese erneute Prüfung, die sich zudem auf die Umsatzsteuer erstreckt, für willkürlich und schikanös. Für diese quasi Anschlussprüfung fehle es an einer besonderen Begründung. Die Steuerfahndung habe ferner bei einer Durchsuchung, die sich auf den Zeitraum der ersten Außenprüfung bezieht, ungerechtfertigte Handlungen vorgenommen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung.
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Februar 2009 VIII B 114/08, BFH/NV 2009, 887). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln.
b) Nach diesen Maßstäben bedarf die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage
"Welche Grundsätze gelten bei der Auswahl und dem Prüfungsturnus von Steuerpflichtigen, die nicht Großbetriebe im Sinne der Betriebsprüfungsordnung sind, insbesondere welche konkreten Maßstäbe sind für die Wahrung der Verhältnismäßigkeit und die Beachtung des Willkür- und Schikaneverbots anzulegen?"
keiner erneuten Klärung durch eine weitere Revisionsentscheidung des BFH.
aa) Es ist höchstrichterlich geklärt, dass nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen zulässig ist, die einen gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, oder die --wie im Streitfall der Kläger-- freiberuflich tätig sind. Den Umfang der Außenprüfung bestimmt die Finanzverwaltung in einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung (§ 196 AO; ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 8. Dezember 1993 XI R 69/92, BFH/NV 1994, 500, m.w.N.; vom 19. August 2009 I R 106/08, BFH/NV 2010, 5). Die Bestimmung des Prüfungsumfangs ist eine von den Gerichten nur gemäß § 102 FGO zu überprüfende Ermessensentscheidung.
bb) § 194 Abs. 1 Satz 2 AO lässt zu, dass einer oder mehrere Prüfungszeiträume geprüft werden. Da die Finanzbehörden aufgrund ihrer begrenzten Prüfungskapazitäten nicht sämtliche gemäß § 193 Abs. 1 AO der Außenprüfung unterliegenden Steuerpflichtigen für alle Besteuerungszeiträume prüfen können, müssen sie unter den zu prüfenden Betrieben und hinsichtlich des Prüfungsumfangs eine Auswahl treffen. In § 4 Abs. 2 Satz 1 der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000) vom 15. März 2000 (BStBl I 2000, 368 - zuletzt geändert durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der BpO, der Vollstreckungsanweisung und der Vollziehungsanweisung vom 22. Januar 2008, BStBl I 2008, 274) hat die Finanzverwaltung dieses Auswahlermessen für Großbetriebe i.S. des § 3 BpO 2000 dahingehend ausgeübt, dass bei ihnen der Prüfungszeitraum lückenlos an den vorhergehenden anschließen soll. Bei anderen Betrieben --wie denen des Klägers-- soll der Prüfungszeitraum dagegen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000 in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Diese Beschränkung der Prüfung auf drei Besteuerungszeiträume gilt nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 jedoch nicht, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht. Anschlussprüfungen erklärt § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 ausdrücklich für zulässig. Die Finanzbehörden dürfen ferner die prophylaktische Wirkung nutzen, die in der Unberechenbarkeit eines prüfungsfreien Zeitraums zwischen den turnusmäßigen Prüfungen liegt (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, m.w.N.). Der Kläger zitiert selbst die einschlägige Rechtsprechung, wonach die Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf eine berechenbare Prüfungspause haben (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1989 IV R 29/89, BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272).
cc) Im Streitfall hat sich das Finanzgericht (FG) mit dem Problem der Ermessensausübung durch die Finanzverwaltung auseinandergesetzt und ist nach Abwägung der Umstände des Einzelfalles zu dem Schluss gekommen, die angefochtene Prüfungsanordnung verstoße weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch sei sie willkürlich oder schikanös. Insbesondere habe das FA in der Einspruchsentscheidung die Argumente des Klägers aufgegriffen und daher eine Begründung der Prüfungsanordnung nachgeholt.
Der Kläger übersieht, dass sich für den Erlass einer Prüfungsanordnung keine konkreten und allgemein gültigen Maßstäbe zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und Beachtung des Willkür- und Schikaneverbots entwickeln lassen. Eine Prüfungsanordnung erfordert eine auf den Einzelfall bezogene Beurteilung durch die Finanzverwaltung und wird grundsätzlich durch die Finanzgerichte als Tatsachengerichte überprüft.
dd) Der Kläger meint zu Unrecht, die Außenprüfung sei nur zulässig, wenn keine Einzelermittlungen möglich sind.
Der Gesetzgeber hat einen solchen Subsidiaritätsgrundsatz ausdrücklich für die Prüfungsanordnungen nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO und damit nur für andere als die in Abs. 1 genannten Steuerpflichtigen normiert. Die tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung in § 193 Abs. 1 AO unterstellt damit grundsätzlich die Prüfungsbedürftigkeit u.a. der freiberuflich Tätigen; sie erklärt sich daraus, dass sich die steuerlichen Verhältnisse eines Unternehmers im Allgemeinen erst durch Einsicht in die Buchführung und die sonstigen betrieblichen Aufzeichnungen kontrollieren lassen (vgl. BFH-Beschluss vom 11. August 2005 XI B 207/04, BFH/NV 2006, 9).
ee) Der Kläger meint schließlich zu Unrecht, die Eingriffe der Steuerfahndung in seinen privaten Lebensbereich während der Vorprüfung führten auch zur Rechtswidrigkeit der erneuten Außenprüfung. In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinanderstehen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328).