Entscheidungsdatum: 03.12.2015
Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.
Der Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Januar 2015 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Streitwert: 50.003,80 €
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Werklohn für die Durchführung von Renovierungsarbeiten vor der Eröffnung des Lokals "L. S.".
Die Beklagte betrieb ursprünglich dieses Lokal in der F.straße 9 in M. Im Juni 2012 entschloss sie sich, ihr Lokal von der F.-Straße in das Gebäude K.-Straße 10 in M. zu verlegen.
Vor der Neueröffnung am 3. August 2012 waren in den Gasträumen umfangreiche Renovierungsarbeiten erforderlich.
An der Durchführung der Renovierungsarbeiten waren sowohl Arbeiter, die von der Klägerin gestellt wurden, als auch Arbeiter aus dem Umfeld der Beklagten beteiligt.
Am 10. August 2012 wurde von der Klägerin nach Fertigstellung der Arbeiten der Beklagten eine abschließende, auf den 15. Juli 2012 datierte Rechnung übergeben, die einen Gesamtrechnungsbetrag in Höhe von 50.003,80 € brutto ausweist. Diese Rechnung wurde von der Beklagten nicht bezahlt.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 50.003,80 € nebst näher bezeichneter Zinsen an die Klägerin zu zahlen.
Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht nach vorangegangenem Hinweisbeschluss durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die ihren Zahlungsantrag weiterverfolgt.
II.
1. Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Klägerin gelinge es nicht, Fehler des landgerichtlichen Urteils aufzuzeigen. Sie beschränke sich darauf, die Beweiswürdigung des Landgerichts anzugreifen. Dieser Angriff wäre nur dann erfolgreich, wenn die entscheidungserheblichen Feststellungen fehlerhaft, lückenhaft, unter Verstoß gegen Denkgesetze oder widersprüchlich getroffen worden wären. Das sei nicht der Fall.
Es könne nach der Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen werden, dass der Vertrag mit der Zeugin L. abgeschlossen worden sei.
Dem Umstand, dass die Klägerin Rechnung gestellt habe, komme keine Bedeutung zu. Das belege nur, dass die Klägerin von einem Vertragsschluss ausgegangen sei, nicht aber, dass die Beklagte davon habe ausgehen müssen.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Parteivorbringen nicht zur Kenntnis nimmt. Da eine Partei sich regelmäßig ein für sie günstiges Beweisergebnis zu Eigen macht, verletzt das Übergehen eines solchen Beweisergebnisses deren Anspruch auf rechtliches Gehör, sofern es entscheidungserheblich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2011 - VIII ZR 88/11 Rn. 9; Beschluss vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, NJW-RR 2010, 495 Rn. 6; Beschluss vom 7. Dezember 2010 - VIII ZR 96/10, NJW-RR 2011, 704 Rn.13). Die Nichtberücksichtigung eines solchen für eine Partei günstigen Beweisergebnisses bedeutet, dass das Berufungsgericht erhebliches Vorbringen dieser Partei übergangen und damit deren verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, NJW-RR 2010, 495 Rn. 6). Diese Voraussetzungen können auch dann erfüllt sein, wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, nicht aber den Sinn des betreffenden Vorbringens erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2015 - VII ZR 282/14 Rn. 18; Beschluss vom 8. Juli 2010 - VII ZR 195/08, BauR 2010, 1792 Rn. 8; Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08, BauR 2009, 1003 Rn. 3).
b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG im Streitfall verletzt. Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung vom 18. September 2014, Seite 7 ausdrücklich auf die Ausübung des - vom Geschäftsführer der Beklagten G. bei seiner Anhörung im Termin vom 9. Mai 2014 vor dem Landgericht (Protokoll Seite 4) eingeräumten - Vorsteuerabzugs unter Verwendung der von der Klägerin erstellten, auf den 15. Juli 2012 datierten Rechnung gegenüber dem Finanzamt als Indiz für einen Vertragsschluss zwischen den Parteien abgestellt.
Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, es sei nicht bedeutsam, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Rechnung nicht zurückgeschickt, sondern verbucht habe; die Erklärung des Geschäftsführers hierzu, dass er jede Rechnung verbuche, auch wenn er sie nicht anerkenne, sei glaubhaft und plausibel. Selbst wenn das Verhalten der Beklagten unter steuerrechtlichen Aspekten als fragwürdig einzustufen sei, blieben der Vortrag und die Beweisführung der Klägerin in der ersten Instanz den Beweis für einen Vertragsschluss schuldig.
Das Berufungsgericht hat damit den Inhalt des klägerischen Vortrags nicht ausgeschöpft. Es hat nicht hinreichend erwogen, dass die Verwendung der genannten Rechnung für Zwecke des Vorsteuerabzugs seitens der Beklagten ein Indiz (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - VII ZR 222/10, ZfBR 2012, 138 f., juris Rn. 9) für einen Vertragsabschluss zwischen den Parteien darstellt, weil die Berechtigung zum Vorsteuerabzug voraussetzt, dass die Umsatzsteuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen geschuldet ist, die vom Rechnungsaussteller für das Unternehmen des den Vorsteuerabzug Ausübenden ausgeführt worden sind, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG.
Mit seiner jedenfalls den Sinn des klägerischen Vorbringens verfehlenden Wahrnehmung hat sich das Berufungsgericht in nicht mehr nachvollziehbarer Weise dem wesentlichen Kern dieses Vorbringens verschlossen und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen.
Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, wenn es das betreffende Vorbringen hinreichend berücksichtigt hätte, einen Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der Beklagten angenommen hätte und zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen der Klägerin in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung auseinanderzusetzen.
Eick Halfmeier Kartzke
Jurgeleit Sacher