Entscheidungsdatum: 09.11.2017
Zur Höhe der Haftung eines Zuschauers eines Fußballspiels, der einen gezündeten Sprengkörper auf einen Teil der Tribüne geworfen hat, für den finanziellen Schaden des Vereins durch eine gegen den Verein für diesen und weitere Vorfälle gemeinsam verhängte Verbandsstrafe.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. März 2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin betreibt den Profifußballbereich des Sportvereins 1. Fußball-Club Köln 01/07 e.V. (1. FC Köln). Sie verlangt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 30.000 €, weil er als Zuschauer eines Heimspiels ihrer Lizenzspielermannschaft am 9. Februar 2014 in der zweiten Bundesliga gegen den SC Paderborn 07 einen Knallkörper gezündet und auf den Unterrang der Tribüne geworfen hatte, wo dieser detonierte und sieben Zuschauer verletzte.
Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen der Lizenzspielermannschaft der Klägerin verhängte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) mit Urteil vom 19. März 2014 eine Verbandsstrafe gegen die Klägerin, bestehend aus einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 € sowie einer zur Bewährung ausgesetzten Anordnung, zwei Heimspiele unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Ferner erteilte es der Klägerin die Bewährungsauflage, insgesamt einen Geldbetrag von 30.000 € für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätern bei den Fußballspielen der Klägerin dienen. Auf die Bewährungsauflage wurde ein Betrag angerechnet, den die Klägerin bereits zuvor für die Anschaffung eines Kamerasystems aufgewendet hatte, so dass insgesamt 60.000 € statt zunächst 80.000 € verblieben, die die Klägerin zahlte. Dem ursprünglichen Gesamtbetrag lagen vier Einzelgeldstrafen zugrunde, nämlich in Höhe von zweimal 20.000 €, einmal 38.000 € und einmal - betreffend den vom Beklagten verursachten Vorfall - 40.000 €. Der Gesamtbetrag wurde in analoger Anwendung von § 54 StGB durch die Erhöhung der höchsten verwirkten Einzelstrafe und unter Berücksichtigung des als Bewährungsauflage auferlegten Geldbetrages gebildet.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Dessen Urteil hat der Senat auf die Revision der Klägerin mit Urteil vom 22. September 2016 (VII ZR 14/16, BGHZ 211, 375) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat den Beklagten nunmehr verurteilt, an die Klägerin 20.340 € nebst Zinsen zu zahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Zahlung von insgesamt 30.000 € nebst Zinsen.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in SpuRt 2017, 158 sowie juris veröffentlicht ist, ist der Auffassung, die allein noch im Streit stehende Höhe des Schadensersatzanspruchs bemesse sich danach, in welchem Maße sich die Pflichtverletzung des Beklagten in der konkret verhängten und gezahlten Verbandsstrafe niedergeschlagen habe. Insoweit sei das Verhältnis der Einzelstrafen zur ursprünglichen Summe der Einzelstrafen - und nicht zur ursprünglich verhängten Gesamtstrafe - maßgeblich. Auf dieser Grundlage ergebe sich ein Betrag von gerundet 20.340 € (40.000 € : 118.000 € x 60.000 €).
Dass die Gesamtstrafe in analoger Anwendung des § 54 StGB ausgehend von der höchsten Einzelstrafe gebildet worden sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Denn § 54 StGB regele allein die Art der Berechnung der Gesamtstrafe. Dass die höchste Einzelstrafe reine Berechnungsgrundlage sei, ergebe sich auch daraus, dass § 54 StGB gemäß § 55 StGB bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung ebenfalls anzuwenden sei. Es hinge vom Zufall ab, welches dann jeweils die höchste Einzelstrafe sei, auf deren Grundlage die Gesamtstrafe gebildet werde.
Das Verhältnis der Einzelstrafe zur Summe der Einzelstrafen sei demgegenüber eine verlässliche Bemessungsgrundlage, bei der Änderungen der Gesamtstrafe stets verhältnismäßig weitergegeben werden könnten. Weil diese Berechnungsweise alle berücksichtigten Einzelstrafen gleichermaßen betreffe, verbleibe auch kein Restbetrag, der nicht regressfähig sei.
II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung stand, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin entschieden hat.
1. Das Zünden und der Wurf des Knallkörpers durch den Beklagten sind ursächlich für die sportgerichtliche Verurteilung der Klägerin vom 19. März 2014 geworden. Damit war sein Handeln auch ursächlich für den gesamten der Klägerin aufgrund des Urteils entstandenen Vermögensschaden in Höhe von 60.000 €, da es ohne die Tat des Beklagten nicht zu dieser konkreten Verurteilung gekommen wäre. Hierbei handelt es sich um eine adäquat kausale Folge der Tat, weil es kein völlig ungewöhnliches Geschehen darstellt, dass mehrere, mit Verbandsstrafen zu ahndende Vorfälle in einer Entscheidung zusammengefasst und mit einer einzigen Gesamtstrafe sanktioniert werden.
Gleichwohl gehen das Berufungsgericht wie auch die Klägerin und die Revision zutreffend stillschweigend davon aus, dass eine Haftung des Beklagten nur für einen Teil des Schadens in Betracht kommt, dagegen für den gesamten Schaden in Höhe von 60.000 € ausscheidet. Denn zu der verbandsgerichtlichen Verurteilung und zu einem Vermögensschaden der Klägerin in dieser Höhe ist es auch aufgrund von weiteren Vorfällen gekommen. Damit besteht kein Zurechnungszusammenhang zwischen der Handlung des Beklagten und der gesamten Verbandsstrafe, weil diese nicht in der vollen Höhe in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Beklagten geschaffenen Gefahrenlage steht. Vielmehr ist der Umstand, dass die Tat des Beklagten zusammen mit weiteren Vorfällen geahndet worden ist, lediglich ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang. Dieser genügt nicht, um dem Beklagten die Haftung auch hierfür aufzuerlegen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 22. September 2016 - VII ZR 14/16, BGHZ 211, 375 Rn. 14 m.w.N.).
2. Entscheidend ist daher, in welchem Umfang die verhängte Gesamtstrafe darauf beruht, dass hiermit weitere Vorfälle sanktioniert worden sind. Bei der Ermittlung dieses Anteils und damit zugleich des Anteils des Beklagten, für den dieser haftet, sind dem Berufungsgericht keine Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin unterlaufen.
a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, die Tat des Beklagten habe sich mit dem Anteil auf den der Klägerin entstandenen Schaden ausgewirkt, der dem Anteil der für den vom Beklagten verursachten Vorfall angemessenen Einzelstrafe an der Summe aller Einzelstrafen entspricht. Da die den Schaden der Klägerin maßgeblich bestimmende Gesamtstrafe niedriger als die Summe der für angemessen erachteten Einzelstrafen ist, folgt aus der Gesamtstrafenbildung, dass die tatsächliche Auswirkung jedes einzelnen Vorfalls auf den Vermögensschaden der Klägerin geringer ist, als sie gewesen wäre, wenn die Vorfälle einzeln abgeurteilt worden wären.
Dies entspricht dem Prinzip des § 54 StGB, den das Sportgericht bei der Bildung seiner Gesamtstrafe entsprechend angewandt hat. Danach darf die Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafe nicht erreichen (§ 54 Abs. 2 Satz 1 StGB). Umgekehrt ist regelmäßig die Gesamtstrafe höher als die höchste Einzelstrafe (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB).
Zutreffend erkennt das Berufungsgericht, dass die Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB, wonach die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelstrafe gebildet wird, lediglich die Art der Berechnung regelt und sicherstellt, dass die Gesamtstrafe niemals unter der höchsten verwirkten Einzelstrafe liegt. Eine weitere besondere Bedeutung kommt der höchsten Einzelstrafe nicht zu. Vielmehr wird die Gesamtstrafe insgesamt in den genannten Grenzen durch eine zusammenfassende Würdigung von der Person des Täters und der einzelnen Straftaten gefunden (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB); hierbei verbietet sich jede rechnerische Methode (BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 - 2 StR 487/00, juris Rn. 7, NStZ 2001, 365, 366). Mangels anderer Anhaltspunkte ist deshalb das Verhältnis der Bemessung der einzelnen Strafen ein geeigneter Maßstab (§ 287 Abs. 1 ZPO) für den Anteil, mit dem die jeweiligen Einzelstrafen die Gesamtstrafe beeinflussen und damit zurechenbar zu dem Vermögensschaden führen.
b) Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision sind unbegründet.
Entgegen der Auffassung der Revision ist die vom Beklagten verursachte Einzelstrafe gerade nicht unverändert an die Klägerin "durchgereicht" worden. Dementsprechend lässt sich eine absolute Anspruchshöhe ohne eine Berechnung von Haftungsanteilen nicht beziffern. Denn weder ist die Einzelstrafe in Höhe von 40.000 € ein ungeminderter Faktor der Gesamtstrafe gewesen, noch sind die weiteren Einzelstrafen in der Gewichtung nur mit 50 % eingeflossen. Hierbei handelt es sich, wie dargestellt, lediglich um eine Art der Berechnung, die sicherstellt, dass die höchste Einzelstrafe überschritten und die Summe der Einzelstrafen nicht erreicht wird. Sie ersetzt nicht die Gesamtwürdigung.
Bei dieser Betrachtung wird auch nicht die weitere Schadensentwicklung nach Ausspruch der Einzelstrafen ausgeblendet. Vielmehr hat sich der Schaden erst durch die verhängte Gesamtstrafe entwickelt. Die Gesamtstrafe ihrerseits ist durch Gesamtwürdigung der verschiedenen Fälle entstanden.
Dementsprechend hat sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht der Anteil etwaiger anderer Schädiger, die möglicherweise auch haften, über den Betrag hinaus erhöht, in dem die Einzelstrafen für die von ihnen verursachten Vorfälle tatsächlich Eingang in die Gesamtstrafe gefunden haben. Vielmehr sind auch die übrigen Einzelstrafen im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Taten in die Gesamtstrafe eingeflossen, so dass auch sie sich im Verhältnis ihres Gewichts (ausgedrückt durch die Einzelstrafen) dort widerspiegeln. Anders als die Revision meint, würde etwaigen weiteren Schädigern auf diese Weise nicht etwa ein Haftungsanteil auferlegt, den diese weder kausal noch zurechenbar verursacht haben. Vielmehr gilt, dass alle zusammen abgeurteilten Fälle im Verhältnis ihrer Bedeutung zueinander anteilig die Gesamtstrafe und den daraus resultierenden Schaden der Klägerin zurechenbar verursacht haben. Dafür spielt im Übrigen keine Rolle, ob es hierfür haftende Dritte gibt oder nicht. Verurteilt worden sind nicht Dritte, sondern für jeden Vorfall die Klägerin.
Bei dieser Betrachtung profitiert der Beklagte entgegen der Auffassung der Revision nicht in unbilliger Weise von dem hinzutretenden Fehlverhalten anderer. Der Gesichtspunkt, dass der Beklagte bei der von der Klägerin angestellten Berechnung nicht in größerem Umfang haften würde, als wenn die von ihm verursachte Einzelstrafe isoliert gegen die Klägerin verhängt worden wäre, führt nicht weiter. Zu einem derartigen Schadensverlauf ist es nicht gekommen. Deshalb ist es auch keine ungerechtfertigte Begünstigung, wenn der Beklagte keinen Schaden in dieser Höhe ersetzen muss. Das Schadensrecht dient keinen Strafzwecken.
Der Senat vermag schließlich nicht der Auffassung der Revision zu folgen, jeder Schädiger hafte über die vom Berufungsgericht ermittelten Anteile hinaus bis zur Höhe der auf seine Tat entfallenden Einzelstrafe als Gesamtschuldner mit weiteren Schädigern. Eine derartige wertende (weitere) Zurechnung ist nicht geboten, weil es zu einem solchen Schaden in Höhe der Einzelstrafe gerade nicht gekommen ist. Die Einzelstrafen stellen selbst noch keinen Vermögensschaden der Klägerin dar und sind damit auch kein Teil einer möglichen gesamtschuldnerischen Haftung.
c) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind für vier der fünf Vorfälle Einzelgeldstrafen in Höhe von 20.000 €, 20.000 €, 38.000 € und - betreffend den vorliegenden Fall - 40.000 € für angemessen erachtet worden.
Bei seiner Berechnung hat das Berufungsgericht die für die Tat des Beklagten ausgewiesene Einzelgeldstrafe in Höhe von 40.000 € in das Verhältnis zu der Summe dieser vier Einzelgeldstrafen gesetzt. Dieses Verhältnis hat es mit dem Schadensbetrag in Höhe von 60.000 € multipliziert (40.000 € : 118.000 € x 60.000 € ≈ 20.340 €).
Das Berufungsgericht hat zwar nicht beachtet, dass die Gesamtstrafe nicht nur für vier Fälle, sondern für insgesamt fünf Fälle verhängt worden ist. Das hat sich jedoch nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt. Der Haftungsanteil des Beklagten könnte sich allenfalls verringern, wenn - wofür einiges spricht - auch auf den fünften Vorfall ein eigener zurechenbarer Teil an der Gesamtstrafe und damit an dem insgesamt durch die Verurteilung der Klägerin entstandenen Vermögensschaden in Höhe von 60.000 € entfiele.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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