Entscheidungsdatum: 28.01.2010
Der Beschwerde der Beklagten wird stattgegeben.
Das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2009 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 55.222,35 €
I.
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Werklohn und Abweisung ihrer Widerklage aus einem Vertrag über die Herstellung von drei Aufzugsanlagen.
Die Klägerin hat den Vertrag nach teilweiser Leistungserbringung aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, gekündigt.
Sie verlangt Zahlung von Werklohn. Die Beklagte verlangt die Abweisung der Werklohnklage und begehrt mit der Widerklage die Rückzahlung geleisteter Zahlungen mit der Begründung, sie habe den Vertrag wegen Kartellabsprachen der Beklagten wirksam gemäß § 123 Abs. 1 BGB angefochten.
Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sei nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr (§ 124 BGB) erfolgt. Nach eigenem Vortrag der Beklagten sei die Kartellabsprache aufgrund Zeitungsartikel jedenfalls ab Februar 2007 allgemein bekannt gewesen. Die am 22. September 2008 (richtig: 2. Oktober 2008) erfolgte Anfechtung sei verspätet gewesen. Soweit die Beklagte dargelegt habe, erst kurz vor der Anfechtungserklärung von der Kartellsituation erfahren zu haben, sei der Vortrag verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO). Die Beklagte habe sich erstinstanzlich auf die Anfechtung berufen, dabei habe es ersichtlich auch des Tatsachenvortrags zur Einhaltung der Anfechtungsfrist bedurft.
Darüberhinaus bestehe auch kein Anfechtungsgrund, weil ein Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des Vertrags führe, sondern allenfalls zur Teilnichtigkeit der Preisvereinbarung.
II.
1. Das Berufungsgericht hat, soweit es den Vortrag der Beklagten und den hierfür angebotenen Beweis, sie habe erst kurz vor der Erklärung der Anfechtung im Schriftsatz vom 2. Oktober 2008 vom Kartellverstoß erfahren, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet behandelt, den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
Mit diesem Vortrag ist die Beklagte der mit der Berufungserwiderung vertretenen Auffassung der Klägerin entgegen getreten, die Anfechtung sei verspätet. Die Presseinformation, auf die die Beklagte Bezug nehme, stamme vom 7. Februar 2007 und die Beklagte habe selbst vorgetragen, diese Presseerklärung sei im Jahre 2007 allgemein bekannt gewesen.
Es ist schon nicht nachvollziehbar, dass das Berufungsgericht dieser Auffassung mit der Begründung folgt, die Beklagte habe sich bereits erstinstanzlich auf die Anfechtung berufen, dabei bedürfe es ersichtlich auch des Tatsachenvortrags zur Einhaltung der Anfechtungsfrist. Denn die Beklagte hat erstinstanzlich die Presseinformation in einem anderen Zusammenhang vorgelegt und nicht die Anfechtung erklärt, wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang auch zuvor feststellt. Selbst wenn erstinstanzlich die Anfechtung erklärt worden wäre, hätte es keines Vortrags zur Einhaltung der Anfechtungsfrist bedurft. Denn die Darlegungslast trägt insoweit der Anfechtungsgegner (BGH, Urteil vom 11. März 1992 - VIII ZR 291/90, NJW 1992, 2346, 2347).
Bedenklich erscheint es dem Senat auch, den Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz dazu, das Landgericht habe bei der Berechnung des Werklohns die allgemein bekannte Preisabsprache übersehen, dahin auszulegen, auch die Beklagte habe diese bereits mit Erscheinen der Pressemitteilung gekannt.
Jedenfalls hätte das Berufungsgericht den klarstellenden Vortrag, das sei nicht der Fall gewesen, nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückweisen dürfen. Denn dieser Vortrag war überhaupt erst durch die Berufungserwiderung der Klägerin veranlasst, so dass der Beklagten keine Nachlässigkeit zur Last fällt. Die Zurückweisung des Vortrags der Beklagten findet im Gesetz keine Stütze und verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.
2. Unter weiterem Verstoß gegen den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, hat das Berufungsgericht in der Hilfserwägung angenommen, es liege kein Anfechtungsgrund vor. Das Berufungsgericht hat sich in der Folge nicht mit der Anfechtung befasst, sondern lediglich mit der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach §§ 134, 138 BGB. Diese Ausführungen zeigen, dass es den Kern des Vortrags der Beklagten zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Darin liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, denn die Anfechtung kann für die Entscheidung des Rechtsstreits von zentraler Bedeutung sein (vgl. BVerfG, NJW-RR 1995, 1033).
3.Der Gehörsverstoß kann entscheidungserheblich sein. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es den Vortrag der Beklagten in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen hätte. Wurde die Beklagte zur Abgabe der Willenserklärung durch Täuschung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Juli 2001 - 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83) bestimmt, unterliegt der Vertrag der Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB. Ist die Anfechtung rechtzeitig erfolgt, stehen der Klägerin keine vertraglichen Ansprüche zu und die Beklagte kann gemäß § 812 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen haben.
Eine rechtliche Würdigung, ob ein Anfechtungsgrund vorliegt, ist dem Senat nicht möglich, da es dazu an den erforderlichen Feststellungen fehlt.Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung zurückzuverweisen.
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Halfmeier Leupertz