Entscheidungsdatum: 28.07.2011
Die zur Sekundärhaftung des Architekten entwickelten Grundsätze sind grundsätzlich nicht auf Sonderfachleute anwendbar .
Auf die Revision des Beklagten zu 4 wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Dezember 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten zu 4 entschieden worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Beklagte zu 4, ein Elektroingenieur (im Folgenden: Beklagter), wendet sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz. Im Revisionsverfahren geht es nur darum, ob er sich aufgrund einer Sekundärhaftung nicht auf die Einrede der Verjährung berufen kann.
Der Kläger beauftragte in den Jahren 1990 und 1997 die Beklagten zu 1 und 3 sowie den früheren Beklagten zu 2 mit den Leistungen der Leistungs-phasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI a.F. hinsichtlich des Um- und Erweiterungsbaus zweier Altenpflegeheime. Beim ersten Bauvorhaben übertrug der Kläger dem Beklagten mit Vertrag vom 26. April 1995 "Teilleistungen des Elektro-Ingenieurs nach HOAI" von insgesamt 62 %. Hinsichtlich des zweiten Bauvorhabens beauftragte der Kläger den Beklagten durch Vertrag vom 12. August 1997 mit insgesamt 68 % der Leistungen nach den Leistungsphasen des § 73 HOAI a.F. In der Präambel dieses Vertrages heißt es:
"Der Ingenieur ist unabhängiger Sachwalter des Bauherrn …"
Die vom Beklagten über die von ihm erbrachten Leistungen erstellten Schlussrechnungen vom 9. November 1998 und 6. April 2000 wurden vom Kläger bezahlt.
Die Elektroarbeiten wurden von der Streithelferin des Klägers ausgeführt. Sie waren mangelhaft. Der Beklagte wendet sich nicht dagegen, dass er als vom Kläger für den Bereich Elektrotechnik eingeschalteter Sonderfachmann für die Mängel einzustehen hat.
Nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens hat der Kläger mit der im Jahre 2005 erhobenen Klage die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 68.456,90 € nebst Zinsen zu verurteilen und ihre weitergehende Ersatzpflicht hinsichtlich näher bezeichneter Mängel festzustellen. Das Landgericht hat, soweit hier von Interesse, den Beklagten verurteilt, an den Kläger 50.638,97 € nebst Zinsen zu zahlen, festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den durch näher bezeichnete Mängel entstehenden weiteren Schaden zu ersetzen, und im Übrigen die Klage gegen den Beklagten abgewiesen. Dessen Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt er weiterhin Klageabweisung.
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht lässt es dahinstehen, ob die Leistungen des Beklagten abgenommen worden sind und ob die Verjährung des Schadensersatzanspruches des Klägers aus § 635 BGB a.F. durch Verhandlungen gehemmt worden ist. Denn jedenfalls könne sich der Beklagte entsprechend den Grundsätzen zur Sekundärhaftung von Architekten nicht auf die Verjährung berufen. Diese Grundsätze gälten auch für als Sonderfachleute beauftragte Ingenieure, wenn diese eine dem umfassend beauftragten Architekten vergleichbare Sachwalterstellung innehätten. Das sei beim Beklagten der Fall. Bei beiden Bauvorhaben könne im Hinblick darauf, dass die übertragenen Teilleistungen mit insgesamt 62 % bzw. 68 % bewertet worden seien, von einem wesentlich eingeschränkten "abgespeckten" Leistungsbild nicht die Rede sein. Der Beklagte sei durch den Bauherrn direkt beauftragt worden. Eine weitgehende Abhängigkeit des Beklagten von den Architekten habe daher nicht vorgelegen. Diese und der Beklagte seien bezüglich des Sonderbereichs Elektroarbeiten umfassend und gleichwertig beauftragt worden. Zudem heiße es in der Präambel des zweiten Vertrages, der Beklagte sei unabhängiger Sachwalter des Bauherrn. Schließlich werde die besondere Vertrauensstellung des Beklagten auch dadurch dokumentiert, dass dieser an insgesamt sechs Projekten des Klägers als Sonderfachmann für den Bereich Elektrotechnik beteiligt gewesen sei.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht versagt dem Beklagten zu Unrecht in Anwendung der Grundsätze der Sekundärhaftung des Architekten die Einrede der Verjährung.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats obliegt dem umfassend beauftragten Architekten im Rahmen seiner Betreuungsaufgabe nicht nur die Wahrung der Auftraggeberrechte gegenüber den Bauunternehmern, sondern auch und zunächst die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn zu diesen eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören. Eine Vertragsverletzung durch pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung, mit der der Architekt möglicherweise die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche herbeiführt, begründet - nicht anders als eine falsche Beratung - einen weiteren Schadensersatzanspruch dahin, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt. Anknüpfungspunkt für die Sekundärhaftung des Architekten ist der übernommene Aufgabenkreis. Eine Pflicht zur Aufklärung über eigene Fehler muss sich aus den übernommenen Betreuungsaufgaben ergeben. Derartige Betreuungspflichten folgen für den umfassend beauftragten Architekten daraus, dass er die Objektüberwachung und die Objektbetreuung übernommen hat. Er ist verpflichtet, für die Mängelfreiheit des Bauwerks zu sorgen und dem Besteller auch nach Fertigstellung des Bauwerks bei der Untersuchung und Behebung des Baumangels zur Seite zu stehen. Mit der umfassenden Beauftragung eines Architekten räumt der Besteller diesem eine zentrale Stellung bei der Planung und Durchführung des Bauwerks ein. Er ist der primäre Ansprechpartner des Bestellers, wenn es zu Problemen bei der Bauabwicklung kommt. Dies setzt sich auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens fort. Deshalb ist der Architekt auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens Sachwalter des Bestellers, der ihm bei der Durchsetzung der Ansprüche gegen die anderen Bau- und Planungsbeteiligten behilflich sein muss (BGH, Urteil vom 23. Juli 2009 - VII ZR 134/08, BauR 2009, 1607 = NZBau 2009, 789 = ZfBR 2009, 781).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze, die das Berufungsgericht an sich nicht verkennt, ist nicht auf den Architekten beschränkt. Sie gelten auch für den umfassend beauftragten Ingenieur, der mit der Errichtung eines Ingenieurbauwerks, § 51 Abs. 1 HOAI a.F., § 40 HOAI n.F., betraut wurde. Sie gelten dagegen grundsätzlich nicht für den Tragwerksplaner (BGH, Urteil vom 27. September 2001 - VII ZR 320/00, BauR 2002, 108 = NZBau 2002, 42 = ZfBR 2002, 61; vgl. nunmehr auch § 3 Abs. 5 HOAI). Sie sind grundsätzlich auch nicht auf andere Sonderfachleute anzuwenden (Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 12. Teil Rn. 511; von Rintelen, NZBau 2008, 209, 213; Schulze-Hagen in Kniffka/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 16. Juli 2010, § 634a BGB Rn. 81; Löffelmann, IBR 2002, 28; a.A. Locher in Locher/Koeble/Frik, HOAI, 10. Aufl., Einleitung Rn. 331).
Diese Sonderfachleute haben regelmäßig keine dem umfassend beauftragten Architekten vergleichbare Stellung. Sie werden zusätzlich zu dem Architekten für die Bearbeitung von Teilbereichen des Bauvorhabens hinzugezogen. Ihnen kommt keine zentrale Stellung als primärer Ansprechpartner des Bauherrn für das Bauvorhaben als Ganzes zu.
3. Danach hat das Berufungsgericht zu Unrecht eine Sachwalterstellung des Beklagten bejaht. Rechtsfehlerhaft hat es nur die Stellung des Beklagten innerhalb der ihm übertragenen Aufgabenbereiche im Blick und nicht seine Stellung in den jeweiligen Bauvorhaben als Ganzes.
Dem Beklagten waren als Sonderfachmann bei beiden Bauvorhaben die Planung der elektrotechnischen Stark- und Schwachstrominstallationsanlagen und damit nur Teilbereiche der technischen Ausrüstung (vgl. § 68 Satz 1 Nr. 3 HOAI a.F., § 51 Abs. 2 Nr. 4 HOAI n.F.) übertragen worden. Der Beklagte hatte damit keine zentrale Stellung hinsichtlich der Planung und Durchführung der Bauwerke als Ganzes inne. Seine Position ist mit der eines umfassend beauftragten Architekten nicht vergleichbar. Es ist daher nicht gerechtfertigt, ihn zu verpflichten, im Rahmen der Mängelhaftung Maßnahmen zu ergreifen, die dazu führen, dass der Anspruch gegen ihn nicht verjährt. Auf die Frage, in welchem Umfang ihm die Überwachung der Elektroarbeiten übertragen worden ist, kommt es nicht an. Ebenso ist es unerheblich, dass er vom Kläger direkt beauftragt worden war und dass er an insgesamt sechs Bauvorhaben des Klägers mitgewirkt hat. Eine Sachwalterstellung kann auch nicht durch die formelhafte Wendung in der Präambel des Vertrags vom 12. August 1997 begründet werden, der Ingenieur sei unabhängiger Sachwalter des Bauherrn. Entscheidend ist der übertragene Aufgabenkreis.
III.
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Da die Grundsätze der Sekundärhaftung nicht auf den Beklagten anwendbar sind, kommt es darauf an, ob und gegebenenfalls wann die Leistungen des Beklagten abgenommen wurden, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, der Beklagte habe den Mangel seiner Planung arglistig verschwiegen, oder ob die Verjährung durch Verhandlungen gehemmt war. Zu diesen Punkten hat das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen getroffen.
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