Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 27.11.2013


BGH 27.11.2013 - VII ZR 371/12

Streit um die Verwirkung einer Vertragsstrafe bei Überschreitung des Fertigstellungstermins für Bauleistungen: Eigenständige Inhaltskontrolle für eine bezugnehmende Formularklausel; Revisionszulassung wegen vereinzelter Abweichung von Oberlandesgerichten von der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
27.11.2013
Aktenzeichen:
VII ZR 371/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 2. März 2012, Az: 12 U 2/10vorgehend LG Hamburg, 7. Januar 2010, Az: 409 HKO 88/09
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Wird in einer Vertragsstrafenklausel wegen der strafbewehrten Fristen auf eine weitere Klausel Bezug genommen, in der die Fertigstellungsfrist neben anderen Fristen gesondert aufgeführt ist, so liegt insoweit eine trennbare Regelung der Vertragsstrafe vor, die einer eigenständigen Inhaltskontrolle unterzogen werden kann (Bestätigung von BGH, Urteil vom 14. Januar 1999, VII ZR 73/98, BauR 1999, 645).

2. Eine Zulassung der Revision ist nicht allein deshalb geboten, weil andere Oberlandesgerichte als das Berufungsgericht vereinzelt von einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichen, ohne diese Abweichung zu begründen.

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 12. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 2. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Gegenstandswert: 63.336 €

Gründe

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1. Die Klägerin beauftragte die zwischenzeitlich insolvente M. GmbH mit der Ausführung eines Wärmedämmverbundsystems. Sie nimmt die Beklagte aus Vertragserfüllungsbürgschaften in Anspruch, weil die M. GmbH durch Überschreitung des Fertigstellungstermins eine Vertragsstrafe in Höhe von 63.336 € verwirkt habe. Die Parteien streiten u.a. über die Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung. Der Vertrag zwischen der Klägerin und der M. GmbH enthielt dazu folgende Regelungen:

"§ 8 Ausführungsfristen - Behinderungen

1. Für die zeitgerechte Ausführung der Bauleistungen ist der vereinbarte Terminplan maßgeblich. Folgende, dort aufgeführte Einzeltermine werden als Vertragstermine vereinbart

a) Beginn der Ausführung: spätestens 12 Kalendertage nach Abruf der Leistung

b) Zwischen- und Fertigstellungstermine sind im Bauzeitenplan festgelegt, welcher nach Anerkenntnis der Vertragsparteien wesentlicher Bestandteil des Werkvertrags wird

c) Gesamtfertigstellung Baumaßnahme: 20.9.2002.

§ 10 Vertragsstrafe

1. Überschreitet der Auftragnehmer aus von ihm zu vertretenden Gründen einen Vertragstermin, hat er hierfür an den Auftraggeber eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,2 % pro Werktag, höchstens aber 10 % der sich aus der Schlussrechnung ergebenden Bruttoauftragssumme zu leisten. Bei mehrfacher Überschreitung der Vertragstermine findet eine Kumulation nicht statt, so dass auch der Höchstbetrag nur einmal berechnet werden kann."

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Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, 63.336 € nebst Zinsen zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der Bürgschaftsurkunden. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.

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2. Die Beschwerde ist unbegründet.

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a) Das Berufungsgericht hält das Vertragsstrafenversprechen jedenfalls für wirksam, soweit es sich auf die hier allein maßgebliche Überschreitung des Fertigstellungstermins beziehe. Die Klausel sei insoweit trennbar und nicht zu beanstanden. Da die Klägerin den Vertragsstrafenanspruch ausschließlich auf die Überschreitung des Fertigstellungstermins stütze, ergebe sich unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Kumulierung kein Bedenken. Der Höchstbetrag von 10 % der Bruttoauftragssumme sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht überhöht, wenn die Vereinbarung - wie hier - vor Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 getroffen worden sei.

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b) Die Beschwerde macht unter anderem geltend, die Vertragsstrafenklausel sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil hinsichtlich der Verzögerungen nicht zwischen Zwischenterminen und Gesamtfertigstellung unterschieden werde. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Senats sei nach dem heutigen Stand der AGB-Rechtsprechung zu "Summierungseffekten" nicht mehr aufrechtzuerhalten. Mehrere Oberlandesgerichte hätten entschieden, dass die in Rede stehende Vertragsstrafenklausel unwirksam sei und sich nicht in einen unwirksamen - die Zwischentermine betreffenden - und einen wirksamen - den Gesamtfertigstellungstermin betreffenden - Teil aufteilen ließe. Die Vertragsstrafenregelung benachteilige die Auftragsnehmerin zudem deshalb unbillig, weil sie die Vertragsstrafe nach der Brutto- statt nach der Nettoauftragssumme bemesse.

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c) Damit ist einer der in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Gründe, die Revision zuzulassen, nicht gegeben.

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aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsstrafenklausel wirksam, soweit die Überschreitung des Fertigstellungstermins unter Strafe gestellt worden ist. Die Vertragsstrafe für die Überschreitung des Fertigstellungstermins ist nach der Vertragsgestaltung eine eigenständige Regelung, die inhaltlich, optisch und sprachlich von der Vertragsstrafe für die Überschreitung sonstiger Termine getrennt ist. Die trennbare, aus sich heraus verständliche Regelung kann einer eigenen Inhaltskontrolle unterzogen werden. Dieser hält sie stand (BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 73/98, BauR 1999, 645, 646 f.; Urteil vom 18. Januar 2001 - VII ZR 238/00, BauR 2001, 791, 792 = NZBau 2001, 257).

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bb) Die Ausführungen der Beschwerde geben keinen Anlass, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen. Der Senat hat sich bereits in den genannten Entscheidungen damit auseinandergesetzt, dass die Klausel hinsichtlich der Vertragsstrafe für die Überschreitung des Fertigstellungstermins ungeachtet des Umstands wirksam ist, dass die Überschreitung vorhergehender Termine ebenfalls und dazu noch in bedenklicher Weise strafbewehrt ist. Insoweit bringt die Nichtzulassungsbeschwerde im Ergebnis keine neuen Argumente. Das gilt auch für den Hinweis auf den sogenannten Summierungseffekt.

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cc) Soweit die Beschwerde meint, die Revision sei zuzulassen, weil die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte teilweise davon abweiche, kann dem nicht gefolgt werden. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Damit ist die Revision weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Besteht eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, gibt es eine Leitlinie, an der sich andere Gerichte orientieren können und es gibt keinen Klärungsbedarf mehr. Allein der Umstand, dass Oberlandesgerichte vereinzelt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht berücksichtigen, erfordert die Zulassung der Revision nicht, wenn es nichts zusätzlich zu klären gibt. Ein zusätzlicher Klärungsbedarf kann dadurch entstehen, dass diejenigen Oberlandesgerichte, die dem Bundesgerichtshof nicht folgen, dafür beachtenswerte Argumente entwickeln, mit denen sich der Bundesgerichtshof noch nicht ausreichend auseinandergesetzt hat (Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 543 Rn. 5a; MünchKommZPO/Krüger, 4. Aufl., § 543 Rn. 7). So liegt es hier nicht. Die von der Beschwerde zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte setzen sich mit der Rechtsprechung des Senats in dem hier interessierenden Punkt nicht auseinander. Das OLG Jena (BauR 2003, 1416) zitiert zwar die Entscheidung des Senats vom 14. Januar 1999 - VII ZR 73/98, befasst sich jedoch nicht mit der Frage, ob die Vertragsstrafe für die Endtermine einer eigenen Inhaltskontrolle zugängig ist. Gleiches gilt für die Entscheidung des OLG Nürnberg (BauR 2010, 1591 = NZBau 2010, 566). Auch die Entscheidung des OLG Naumburg (NZBau 2012, 237) erwähnt nicht die Rechtsprechung des Senats, wobei nach dem Inhalt der Entscheidung offen bleibt, ob überhaupt eine Vertragsstrafe für die Überschreitung des Fertigstellungstermins geltend gemacht worden ist.

10

dd) Einen Klärungsbedarf gibt es auch nicht zu der Frage, ob die Vertragsstrafe in vor dem 30. Juni 2003 geschlossenen Verträgen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Juli 2004 - VII ZR 24/03, BauR 2004, 1609 = NZBau 2004, 609) mit einem Tagessatz von 0,2 Prozent und einem Höchstsatz von 10 % der Bruttoauftragssumme vereinbart werden kann. Das hat der Bundesgerichtshof bereits bejaht (BGH, Urteil vom 18. Januar 2001 - VII ZR 238/00, BauR 2001, 791, 793 = NZBau 2001, 257).

11

3. Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

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