Entscheidungsdatum: 16.03.2017
Die akquisitorische Tätigkeit eines Architekten ohne vertragliche Bindung begründet einen Vergütungsanspruch nicht. Die vergütungsfreie akquisitorische Phase endet, sobald eine Vergütungsvereinbarung getroffen wird. Für die hiervon erfassten Leistungen kann der Architekt grundsätzlich eine Vergütung nach den Mindestsätzen der HOAI (2002) verlangen, wenn und soweit seine Leistungen von den Leistungsbildern der HOAI (2002) erfasst sind.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 8. Januar 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Honorar für Architektenleistungen zu den Leistungsbildern Objektplanung, Tragwerksplanung und Technische Ausrüstung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI 2002, im Folgenden nur noch HOAI).
Die Beklagte, eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, beabsichtigte im Jahr 2005, eine ihr gehörende Wohnanlage zu modernisieren und umzugestalten. Für die Durchführung des Vorhabens benötigte sie die Bewilligung von Fördermitteln und einen Interessenten, der bereit war das Objekt anzumieten. Die Beklagte bat deshalb die Klägerin, verschiedene Umbauvarianten zu erarbeiten, die potentiellen Mietinteressenten vorgestellt werden sollten. Aufgrund der Rückmeldungen wollte die Beklagte entscheiden, ob und wie der Umbau gestaltet werden sollte. Zudem benötigte die Beklagte Planungsunterlagen, um die für die Umsetzung erforderlichen Fördermittel bewilligt zu erhalten. Diese Umstände waren der Klägerin bekannt.
Die Klägerin erstellte eine Studie, die mögliche Varianten auswies und diese kostenseitig bewertete, und fertigte eine Broschüre. Mit Schreiben vom 17. Mai 2005 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde diese Leistung im Rahmen ihrer Akquisition kostenfrei erbringen. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2005 bestätigte die Klägerin der Beklagten, dass sie die am 9. September 2005 übergebene Broschüre im Rahmen ihrer Akquisition kostenfrei erarbeitet habe. Zugleich schlug sie der Beklagten hinsichtlich "der weiterführenden Arbeiten bis zur Klärung der detaillierten Bauaufgabe eine Abrechnung auf der Grundlage des tatsächlich benötigten Zeitaufwandes" vor, wobei sie als Stundensatz 45 € netto nannte und ankündigte, "diese Aufwendungen bei dem noch abzuschließenden Architektenvertrag mit dem dort vereinbarten Honorar zu verrechnen". In der Folgezeit erbrachte die Klägerin weitere Planungsleistungen.
Im Juni 2006 bot die Klägerin der Beklagten den Abschluss eines schriftlichen Architektenvertrages an, der auf die Leistungsphasen 1 bis 3 beschränkt sein sollte. Dieses Angebot lehnte die Beklagte ab, da ein schriftlicher Architektenvertrag bezogen auf alle Leistungsphasen erst nach einer endgültigen Entscheidung über die konkrete Art des Umbaus abgeschlossen werden sollte.
Im Dezember 2006 und Dezember 2007 erteilte die Klägerin zwei Rechnungen über brutto 20.775,60 € und 9.504,53 €. Beide Rechnungen leitete sie mit der Formulierung ein: "Unsere Leistungen rechnen wir vorläufig auf der Grundlage des benötigten Zeitaufwandes wie folgt ab". Die Beklagte beglich beide Rechnungen.
Das Bauprojekt wurde wegen des Wohnungsleerstandes in anderen Objekten der Beklagten nicht durchgeführt. Die Beklagte beendete die Zusammenarbeit mit der Klägerin. Daraufhin erteilte die Klägerin der Beklagten im Juli 2009 Schlussrechnung auf der Grundlage der HOAI und errechnete ein Gesamthonorar von 112.600,44 €, von dem sie die bereits erbrachten Zahlungen der Beklagten in Abzug brachte.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 82.320,31 € nebst Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.680,10 € zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Klageforderung weiter.
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Zwischen den Parteien sei kein "HOAI-Architektenvertrag" geschlossen worden, aus dem der geltend gemachte Honoraranspruch hergeleitet werden könnte. Letztlich hänge es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob ein Architekt werbend tätig werde, um den Auftrag zu erhalten, oder ob er bereits auf vertraglicher Grundlage eine vergütungspflichtige Tätigkeit wahrnehme. Vorliegend ergebe die Auslegung des Schriftwechsels sowie das Verhalten der Parteien, dass ein Architektenvertrag nicht abgeschlossen worden sei. Da die Beklagte sehr deutlich gemacht habe, dass sie noch keinen Architektenvertrag schließen wolle und die Klägerin dies letztlich durch ihre eigenen Handlungen akzeptiert habe, könne nicht von einem konkludenten Vertragsschluss ausgegangen werden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Leistungen der Klägerin über das normalerweise im Rahmen der Akquisition Übliche hinausgegangen seien. Denn insoweit habe die Beklagte den Wunsch der Klägerin akzeptiert, diese Tätigkeit auf Stundensatzbasis zu entgelten. Dementsprechend sei von einer Einigung der Streitparteien dahin auszugehen, dass die Akquisephase zwar weitergehen, jedoch nicht kostenlos sein sollte. Vielmehr habe sich die Beklagte verpflichtet, die weitergehende Akquisitionsmaßnahme zu vergüten. Diese Zahlungen hätten dann später nach dem möglichen Abschluss eines Architektenvertrages mit der Honorarforderung der Klägerin verrechnet werden sollen. Hätte die Klägerin im weiteren Verlaufe die Beklagte weitergehend vertraglich binden wollen, hätte sie dies der Beklagten unmissverständlich deutlich machen müssen. Dies habe sie jedoch nicht getan.
Die Parteien hätten damit eine Entgeltabrede getroffen, die Akquisitionstätigkeiten der Klägerin betroffen habe. Eine solche Vereinbarung unterfalle nicht § 4 Abs. 4 HOAI, wonach die jeweiligen Mindestsätze der HOAI als vereinbart anzusehen seien, sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden sei. Denn die HOAI lasse die Vertragsfreiheit unberührt, so dass es den Parteien freistehe, für Akquisitionstätigkeiten ein Entgelt zu vereinbaren, das sich unterhalb der Mindestsätze der HOAI bewege.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Resthonoraranspruch nicht verneint werden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, den Vertragsparteien eines Architektenvertrags stehe es uneingeschränkt frei, für akquisitorische Tätigkeiten ein Entgelt unterhalb der Mindestsätze der HOAI zu vereinbaren, ist unzutreffend.
1. Nach § 1 HOAI finden die Bestimmungen der HOAI für die Berechnung der Entgelte für die Leistungen der Architekten und Ingenieure Anwendung, soweit sie durch Leistungsbilder oder andere Bestimmungen der HOAI erfasst werden. Für diese Leistungen gelten gemäß § 4 Abs. 2 und 4 HOAI grundsätzlich die Mindestsätze der HOAI als vereinbart. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Mindestsätze der HOAI für die Berechnung der vereinbarten Vergütung maßgeblich, wenn der Auftragnehmer sich dazu verpflichtet hat, Architekten- oder Ingenieuraufgaben zu erbringen, die in der HOAI beschrieben sind. Danach ist unerheblich, welchem Vertragstyp des Besonderen Teils des Schuldrechts der Vertrag zuzuordnen ist, der den Vergütungsanspruch begründet. Entscheidend ist allein, ob die vertraglich geschuldete Leistung des Auftragnehmers in den Leistungsbildern der HOAI beschrieben ist (BGH, Urteil vom 18. Mai 2000 - VII ZR 125/99, BauR 2000, 1512, 1513, juris Rn. 8 f. = NZBau 2000, 473).
2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien auf der Grundlage des Schreibens der Klägerin vom 5. Oktober 2005 eine (konkludente) Vereinbarung über einen Stundenlohn von 45 € (netto) für weitere Leistungen der Klägerin getroffen. Darin liegt die Vereinbarung einer Vergütung.
3. Entscheidend ist, dass mit der Vergütungsvereinbarung der Parteien die Klägerin nicht länger unentgeltlich im Rahmen einer Akquise tätig wurde.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet eine akquisitorische Tätigkeit des Architekten ohne vertragliche Bindung einen Vergütungsanspruch nach den Regelungen der HOAI nicht (BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - VII ZR 124/96, BGHZ 136, 33, 36 f., juris Rn. 10 ff.).
Die vergütungsfreie akquisitorische Phase endet, sobald eine Vergütungsvereinbarung getroffen wird. Ab diesem Zeitpunkt gelten für die Vergütung des Architekten neben den vertraglichen Bestimmungen die Regeln der HOAI, soweit deren Anwendungsbereich gemäß § 1 eröffnet ist.
b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vertragsparteien könnten einen Vertrag über eine "entgeltliche Akquise" schließen, auf den die HOAI keine Anwendung fände, ist mit dem Vergütungssystem der HOAI nicht zu vereinbaren. Es bestünde über die Konstruktion einer "entgeltlichen Akquise" die Möglichkeit, Architektenleistungen, die von den Leistungsbildern der HOAI erfasst sind, ohne die Bindung an die Mindestsätze der HOAI entgegenzunehmen. Das würde zu einer Veränderung des Vergütungssystems führen (vgl. Koeble in Locher/Koeble/Frik, HOAI, 13. Aufl., Einleitung Rn. 62), die mit dem Zweck der Mindestsätze nicht zu vereinbaren wäre.
Die Regelung in § 4 Abs. 2 und 4 HOAI hat den Zweck, zum Schutz des Berufsstandes der Architekten und Ingenieure eine wirksame Schranke gegen eine Unterschreitung der Mindestsätze zu schaffen. Die Mindestsätze sollen insbesondere dazu dienen, den vom Gesetzgeber gewollten Qualitätswettbewerb zu fördern und einen ungezügelten, ruinösen Preiswettbewerb zu unterbinden, der die wirtschaftliche Situation der Architekten und Ingenieure und damit auch die Qualität der Planung und die unabhängige Stellung des Planers zwischen Bauherr und Unternehmer beeinträchtigen würde (vgl. BT-Drucks. 10/1562, S. 5; BT-Drucks. 10/543, S. 4; Plenarprotokoll des 10. Deutschen Bundestags 10/86 vom 21. September 1984, S. 6285 ff.; BVerfG, BauR 2005, 1946, 1948, juris Rn. 17 = NZBau 2006, 121; BGH, Urteil vom 24. April 2014 - VII ZR 164/13, BGHZ 201, 32 Rn. 16 m.w.N.).
Die Qualität der Planung und die unabhängige Stellung des Planers zwischen Bauherr und Unternehmer wäre aber nicht mehr hinreichend gewährleistet, könnte der Bauherr im Rahmen einer "entgeltlichen Akquise" eine Vergütungsvereinbarung unter Umgehung der Mindestsätze der HOAI herbeiführen.
III.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und inwieweit die Klägerin Leistungen erbracht hat, die in der HOAI beschrieben sind.
Eick |
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Jurgeleit |
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Sacher |
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