Entscheidungsdatum: 10.03.2011
Der Beschwerde der Klägerin wird stattgegeben.
Das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. November 2007 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 137.668,17 €
I.
Die Klägerin nimmt den beklagten Architekten auf Schadensersatz in Anspruch.
Sie ließ 1992/1993 durch verschiedene Fachfirmen ein Fitness-Zentrum, den "Sportpark L.", in D. errichten. Den Beklagten beauftragte sie mit der Bauleitung und der Bauüberwachung. Nach Fertigstellung wurde am 15. November 1994 an die Sport-Park Management M. GmbH (fortan: Mieterin) vermietet. Der Komplementär der Klägerin, A. M., ist zugleich einer der beiden Geschäftsführer der Mieterin; seine Ehefrau ist die zweite Geschäftsführerin.
Die Klägerin behauptet, die Mieterin habe seit Anfang 1995 ihr gegenüber Mängel des Objekts gerügt und deshalb von Juli 1995 bis Juni 1999 die Miete um 10 % und von Juli bis September 1999, als die Beeinträchtigungen während der Mangelbeseitigung angestiegen seien, noch stärker gemindert. Den behaupteten Mietausfall verlangt die Klägerin im Wege des Schadensersatzes vom Beklagten.
Bereits im Mai 1994 hatte die Klägerin im Rahmen eines gegen einen anderen Baubeteiligten geführten Prozesses (LG D., 6 O 79/94) vorgetragen, das Bauwerk weise Mängel auf, namentlich dringe Feuchtigkeit durch die Sohlplatte im Bereich der Damenumkleideräume von unten ein und der darüber befindliche PVC-Bodenbelag löse sich ständig.
Das Landgericht hat der Klägerin den Schadensersatz von insgesamt 137.668,17 € zugesprochen. Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie ihr Klageanliegen weiterverfolgt.
II.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.
1. Das Berufungsgericht meint, einen Anspruch auf Ersatz des Mietausfallschadens habe die Klägerin nicht, denn die Mieterin habe bei Vertragsschluss die Mängel gekannt. Deshalb sei sie nicht berechtigt gewesen, die Miete zu mindern. Die Kenntnis ergebe sich daraus, dass A. M. bereits im Mai 1994 in dem Prozess vor dem LG D., 6 O 79/94, zu den Mängeln vorgetragen habe.
Die Frage der Kenntnis der Mieterin sei bereits Gegenstand ausführlicher Erörterung vor dem Landgericht gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei aber offensichtlich noch nicht aufgefallen, dass genau der Mangel, der nunmehr Streitgegenstand sei, bereits bei Abschluss des Mietvertrages ausdrücklich im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens gerügt worden sei. Unter diesem Gesichtspunkt sei die Frage der Kenntnis in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals umfassend erörtert worden. Die Klägerin habe Gelegenheit gehabt, zu diesem Gesichtspunkt Stellung zu nehmen.
Das Berufungsgericht hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung ein Urteil verkündet.
2. Mit dieser Verfahrensweise hat das Berufungsgericht gegen den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG, verstoßen.
a) Das Gericht muss - in Erfüllung seiner prozessualen Fürsorgepflicht - gemäß § 139 Abs. 4 ZPO Hinweise auf seiner Ansicht nach entscheidungserhebliche Umstände, die die betroffene Partei erkennbar für unerheblich gehalten hat, grundsätzlich so frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung erteilen, dass die Partei die Gelegenheit hat, ihre Prozessführung darauf einzurichten und schon für die anstehende mündliche Verhandlung ihren Vortrag zu ergänzen und die danach erforderlichen Beweise anzutreten. Erteilt es den Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben. Das Berufungsgericht darf das Urteil in dem Termin erlassen, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, wenn die Partei in der mündlichen Verhandlung ohne weiteres in der Lage ist, umfassend und abschließend Stellung zu nehmen. Ist das nicht der Fall, soll das Berufungsgericht auf Antrag der Partei Schriftsatznachlass gewähren, § 139 Abs. 5 ZPO. Wenn es offensichtlich ist, dass die Partei sich in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, so muss das Berufungsgericht - wenn es nicht in das schriftliche Verfahren übergeht - auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass die mündliche Verhandlung vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Erlässt das Berufungsgericht in diesem Fall ein Urteil, ohne die Sache vertagt zu haben, verstößt es gegen den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 200/06, BauR 2009, 681 = NZBau 2009, 244 = ZfBR 2009, 349, Rn. 7 m.w.N.).
b) Danach hätte das Berufungsgericht der Klägerin durch Vertagung die Möglichkeit einräumen müssen, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Mietminderung wegen einer Kenntnis der Mieterin von den der Minderung zugrunde liegenden Mängeln bei Abschluss des Mietvertrages ausgeschlossen und deshalb ein Schadensersatzanspruch der Klägerin unbegründet ist.
Die Beklagte hat erstinstanzlich allerdings bereits auf diesen Gesichtspunkt kurz hingewiesen. Das Landgericht hat diesen Hinweis jedoch trotz der vom Berufungsgericht erwähnten Erörterung in der mündlichen Verhandlung in seinem Urteil nicht aufgegriffen und die Beklagte zum Schadensersatz verurteilt, ohne auf diesen Gesichtspunkt einzugehen. In den die mündliche Berufungsverhandlung vorbereitenden Schriftsätzen sind beide Parteien darauf nicht zurückgekommen. Erst in der mündlichen Verhandlung hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass dieser Gesichtspunkt für die Entscheidung des Falles eine erhebliche Rolle spielen könnte. Bei dieser Sachlage musste sich dem Berufungsgericht aufdrängen, dass eine abschließende Stellungnahme der Parteien in der mündlichen Verhandlung zu dem von ihm im Berufungsverfahren erstmals angesprochenen Problemkreis nicht möglich war. Bereits die Beurteilung der Frage, inwieweit die Mieterin Kenntnis im Sinne des § 539 BGB a.F. bzw. § 536b BGB n.F. von dem die Mietminderung begründenden Mangel hatte, wenn ihr Geschäftsführer ein räumlich eng begrenztes Mangelsymptom (hier: Feuchtigkeit in den Damenumkleideräumen) falsch einschätzt und später auf eine andere als die vermutete Ursache zurückzuführende, deutlich erweiterte Symptome auftreten, ist im Tatsächlichen und Rechtlichen komplex. Hinzu kommt, dass auch zu beurteilen war, ob deshalb der Schadensersatzanspruch ganz oder teilweise ausgeschlossen war. Das Berufungsgericht durfte auch nach ausführlicher Erörterung in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht davon ausgehen, dass die Klägerin alle rechtlichen und tatsächlichen Facetten des Falles ohne gründliche Vorbereitung klären konnte. Es durfte deshalb das Urteil nicht in dem Termin verkünden, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wurde.
3. Dieser Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Dies betrifft namentlich den Vortrag zu der Einschätzung des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen Mangelbildes und der Behauptung, die Klägerin habe insoweit Abhilfe versprochen (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2001 - XII ZR 241/98, Rn. 46 m.w.N., juris). Entscheidungserheblich könnte aber auch der Vortrag der Klägerin dazu sein, dass sich die Feuchtigkeitsschäden zum Zeitpunkt der Mietminderung deutlich verschlimmert und auf andere Bereiche ausgedehnt haben.
Kniffka Kuffer Eick
Halfmeier Leupertz