Entscheidungsdatum: 14.09.2017
Bringt der Besteller eines Kfz-Reparaturauftrags für den Unternehmer erkennbar zum Ausdruck, dass Voraussetzung für den Abschluss dieses Vertrages möglichst verlässliche Informationen über die zur Behebung des Schadens notwendigen Kosten sind, müssen ihm vom Unternehmer die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände mitgeteilt werden.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 10. November 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Der Kläger war Eigentümer eines Pkw F. F. . Der Pkw war erstmals am 31. August 2007 zugelassen worden. Die Laufleistung des Pkw im März 2014 betrug 212.475 km. Der Wiederbeschaffungswert des Pkw lag bei 4.000 €.
Im März 2014 stellte der Kläger atypische Motorgeräusche fest. Er wandte sich daraufhin an die Beklagte und gab zu erkennen, nur noch an wirtschaftlich sinnvollen Reparaturen interessiert zu sein. Die Beklagte untersuchte den Pkw und stellte einen Defekt an den Einspritzdüsen fest. Ob weitere Motordefekte vorlagen, untersuchte die Beklagte nicht, insbesondere nicht, ob ein Defekt am Pleuellager bestand. Hierzu hätte die Beklagte die Ölwanne abbauen und die Pleuelhalbschalen demontieren müssen, was erhebliche Kosten verursacht hätte. Bei Pkw mit einer Laufleistung von über 200.000 km können beim Auftreten atypischer Motorgeräusche neben einem Defekt an den Einspritzdüsen weitere Schäden vorliegen, auch ein Defekt am Pleuellager, der allerdings bei diesem Fahrzeugtyp nicht häufig ist. Die Kosten der Reparatur des Pleuellagers hätten den Wiederbeschaffungswert überstiegen.
Die Beklagte wies den Kläger auf die Notwendigkeit eines Austauschs der Einspritzdüsen hin. Sie teilte dem Kläger nicht mit, dass bei einem atypischen Motorgeräusch weitere Schadensursachen vorliegen können, deren Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Der Kläger erteilte der Beklagten den Auftrag zum Austausch der Einspritzdüsen. Die Beklagte stellte für diese Arbeiten 1.668,39 € in Rechnung, die der Kläger bezahlte.
Unmittelbar im Anschluss an die Reparatur zeigte sich, dass diese nicht zur Beseitigung der atypischen Motorgeräusche geführt hatte. Im Rahmen des vom Kläger angestrengten selbständigen Beweisverfahrens stellte der Sachverständige fest, dass ein Pleuellagerschaden bereits im Zeitpunkt der Auftragsvergabe vorhanden gewesen war.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch und verlangt die Erstattung der von ihm gezahlten Reparaturkosten in Höhe von 1.668,39 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Weder bei der Fehlerprüfung noch bei der Reparatur habe die Beklagte mangelhaft gearbeitet. Die Beklagte hätte den Kläger aber vor Durchführung des Austauschs der Einspritzdüsen darauf hinweisen müssen, dass weitere Motordefekte vorliegen könnten, die das atypische Motorgeräusch verursachten. Der nur noch an einer wirtschaftlich sinnvollen Reparaturmaßnahme interessierte Kläger hätte dann den Austausch der Einspritzdüsen nicht in Auftrag gegeben und die Reparaturvergütung von 1.668,39 € nicht bezahlt, weshalb er um diesen Betrag geschädigt sei.
Die Hinweispflicht leite sich als Nebenpflicht nach Treu und Glauben aus dem Rahmen der vertraglichen Verpflichtung ab. Die Beklagte habe die Untersuchung der Ursache des atypischen Motorgeräuschs übernommen, bevor ihr der Auftrag erteilt worden sei, die Einspritzdüsen auszutauschen. Eine Nebenpflicht zur Information des Bestellers werde angenommen, wenn das bestellte Werk für den vorgesehenen Zweck untauglich sei und den Bedürfnissen des Bestellers nicht entsprechen könne. Dieser Umstand sei bei einem Auftraggeber, der nur noch an wirtschaftlich sinnvollen Reparaturen interessiert sei, gegeben, wenn dem Auftragnehmer bewusst sei, dass sich eine Reparatur wirtschaftlich nicht mehr lohne. Zwar sei der Beklagten der Pleuellagerschaden am Motor nicht bekannt gewesen. Die Beklagte habe aber gewusst, dass der Defekt bei den Einspritzdüsen bei einem atypischen Motorgeräusch nicht die alleinige Ursache sein müsse. Dieser Umstand hätte dem Kläger mitgeteilt werden müssen, damit er hätte abwägen können, ob er den Auftrag zum Austausch der Einspritzdüsen noch habe erteilen wollen.
II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Zahlung von 1.668,39 € zu. Nach dieser Vorschrift ist der Schuldner, der eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt, dem Gläubiger zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet.
1. Bevor der Kläger die Beklagte mit dem Austausch der Einspritzdüsen beauftragte, bestand zwischen den Parteien ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift entsteht ein Schuldverhältnis durch die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut. Der Kläger hatte das Interesse, nur eine wirtschaftlich sinnvolle Reparatur durchführen zu lassen. Dieses Interesse hat der Kläger der Beklagten zu erkennen gegeben. Dementsprechend hat die Beklagte zunächst keine Reparatur durchgeführt, sondern untersucht, welche Ursache das atypische Motorgeräusch haben könnte.
2. Die sich aus dem Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergebenden Pflichten, wie sie in § 241 Abs. 2 BGB geregelt sind, hat die Beklagte verletzt.
Nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Dementsprechend bestand die Pflicht der Beklagten zur Rücksicht auf das Interesse des Klägers daran, nur eine wirtschaftlich sinnvolle Reparatur vorzuschlagen. Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt, indem sie den Kläger nicht darauf hingewiesen hat, dass für die atypischen Motorgeräusche neben einem Defekt der Einspritzdüsen weitere Ursachen, insbesondere ein Schaden des Pleuellagers, verantwortlich sein könnten, deren Beseitigung höhere Kosten als den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs verursachen würde.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei Vertragsverhandlungen zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen. Eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage besteht allerdings bereits dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 2. Juni 2016 - VII ZR 107/15, NJW-RR 2016, 859 Rn. 12 m.w.N.).
Bringt der Besteller für den Unternehmer erkennbar zum Ausdruck, dass Voraussetzung für den Abschluss eines Reparaturauftrags möglichst verlässliche Informationen über die zur Behebung des Schadens notwendigen Kosten sind, müssen ihm vom Unternehmer die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände mitgeteilt werden (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1329, 1330, juris Rn. 13; Staudinger/Peters/Jacoby, 2014, BGB, § 631 Rn. 49; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 311 Rn. 47).
b) Auf dieser Grundlage war die Beklagte verpflichtet, den Kläger nicht nur auf die defekten Einspritzdüsen und die mit deren Austausch verbundenen Kosten hinzuweisen. Die Beklagte war darüber hinaus verpflichtet, auf das Risiko hinzuweisen, dass mit dem Austausch der Einspritzdüsen nicht zwangsläufig das atypische Motorengeräusch beseitigt werden könnte, sondern gegebenenfalls weitere, den Wiederbeschaffungswert übersteigende Reparaturen notwendig sein könnten, insbesondere zur Beseitigung eines Pleuellagerschadens. Erst beide Informationen hätten den Kläger in die Lage versetzt zu entscheiden, ob er seinen Pkw noch reparieren lässt.
Von dieser Hinweispflicht war die Beklagte nicht deshalb entbunden, weil der Defekt an einem Pleuellager nicht häufig ist. Auch über weniger häufige Ursachen für ein atypisches Motorgeräusch ist in der gegebenen Situation aufzuklären. Anderes würde nur gelten, wenn es sich bei der Diagnose eines Pleuellagerschadens um eine völlig entfernte und deshalb vernachlässigenswerte Ursache für die atypischen Motorgeräusche gehandelt hätte. Das ist jedoch nach den nicht angegriffenen Feststellungen des sachverständig beratenen Berufungsgerichts nicht der Fall.
3. Durch die Pflichtverletzung der Beklagten ist dem Kläger ein Schaden entstanden, weil er die Beklagte mit dem Austausch der Einspritzdüsen beauftragte und deshalb eine Vergütung in Höhe von 1.668,39 € zahlte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte der Kläger diesen Auftrag nicht erteilt, wenn er den Hinweis erhalten hätte, dass weitere Motordefekte vorliegen können, die das atypische Motorgeräusch verursachen.
4. Die von der Revision vorgetragenen Einwendungen führen zu keiner anderen Beurteilung.
a) Die Revision meint, es habe keines Hinweises der Beklagten auf weitergehende Schadensursachen bedurft, weil dem Kläger das allgemeine Risiko der Reparaturanfälligkeit seines Pkw aufgrund des Alters und der Laufleistung bewusst gewesen sei.
Dieser Einwand lässt die Pflichtverletzung der Beklagten nicht entfallen.
Zwar war dem Kläger bewusst, dass der Pkw aufgrund seines Alters und seiner Laufleistung reparaturanfällig sein konnte. Aber gerade wegen dieses Umstands und des im Verhältnis zu möglichen Reparaturkosten geringen Wiederbeschaffungswerts des Pkw hat er sich vor der Erteilung eines Auftrags an die Beklagte gewandt, um eine Grundlage dafür zu gewinnen, ob sich eine Reparatur noch lohnt.
b) Die Revision macht weiter geltend, das Risiko, ob sich in wirtschaftlicher Hinsicht eine Reparatur lohne, liege beim Besteller. Wenn dieser eine sichere Grundlage für die Einschätzung von Reparaturkosten wolle, müsse er eine entsprechende Prüfung beauftragen. Das habe der Kläger nicht getan. Demgegenüber könne der Unternehmer wegen der letztlich kaum eingrenzbaren Vielzahl denkbarer Ursachen für das atypische Motorgeräusch ohne eingehende und kostenintensive Untersuchungen keine sichere Einschätzung der Reparaturkosten vornehmen.
Das steht einer Pflichtverletzung der Beklagten nicht entgegen.
Zutreffend ist, dass die Beklagte nicht mit kostenintensiven Untersuchungen zu allen möglichen Ursachen des atypischen Motorgeräuschs beauftragt war. Dass eine entsprechende Prüfung von der Beklagten nicht vorgenommen wurde, ist ihr auch nicht vorzuwerfen. Die Beklagte hat vielmehr versäumt, darauf hinzuweisen, dass neben dem Austausch der Einspritzdüsen noch weitere kostenträchtige Reparaturen notwendig sein könnten, zum Beispiel die Beseitigung eines Pleuellagerschadens.
c) Die Revision macht weitergehend geltend, der Kläger habe im unmittelbaren Anschluss an die Feststellung des Pleuellagerschadens und im selbständigen Beweisverfahren allein geltend gemacht, der Austausch der Einspritzdüsen sei nicht notwendig gewesen. Daraus folge, dass der Kläger selbst nicht davon ausgegangen sei, über alle möglichen Ursachen für das atypische Motorgeräusch aufgeklärt zu werden. Mit der Nichteinbeziehung dieser Umstände in die Bewertung des Geschehensablaufs habe das Berufungsgericht die Beklagte in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
Dieser Einwand liegt neben der Sache.
Der Kläger war - nachvollziehbar - nicht damit einverstanden, 1.668,39 € für eine Reparatur gezahlt zu haben, die nicht dazu geführt hatte, die atypischen Motorgeräusche zu beseitigen. Es liegt deshalb nahe, zunächst davon auszugehen, dass der Austausch der Einspritzdüsen auf einer falschen Einschätzung der Beklagten beruhte. Daraus kann bereits im Ansatz nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger habe keinen Hinweis darauf erwartet, dass mit dem Austausch der Einspritzdüsen das atypische Motorgeräusch möglicherweise nicht zu beseitigen sein könnte.
d) Schließlich macht die Revision geltend, als Anspruchsteller treffe den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität der behaupteten Pflichtverletzung. Der Kläger habe in keiner Weise dargelegt, dass er sich für eine kostenanfällige Untersuchung hinsichtlich weiterer nur denkbarer Ursachen entschieden hätte, nachdem mit der Verifizierung des Defekts der Einspritzdüsen eine naheliegende Ursache festgestellt worden sei. Dementsprechend seien die Feststellungen des Berufungsgerichts unvollständig. Das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, dass sich der Kläger für eine Reparatur erst nach einer weiteren mit Kostenaufwand verbundenen Untersuchung entschieden hätte.
Dieser Einwand liegt ebenfalls neben der Sache.
Das Berufungsgericht hat mit Tatbestandswirkung festgestellt, dass der Kläger bereits von einer Reparatur seines Pkw abgesehen hätte, wenn er von der Beklagten den Hinweis erhalten hätte, dass neben dem Austausch der Einspritzdüsen noch weitere Ursachen für das atypische Motorgeräusch in Betracht kommen würden. Diese tatbestandsmäßige Feststellung ist unangegriffen geblieben. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist nicht gestellt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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