Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 05.09.2012


BGH 05.09.2012 - VII ZR 25/12

Gerichtsstandsvereinbarung: Unwirksamkeit der Vereinbarung bei Verwehrung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
05.09.2012
Aktenzeichen:
VII ZR 25/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Stuttgart, 16. Januar 2012, Az: 5 U 126/11, Beschlussvorgehend LG Heilbronn, 16. August 2011, Az: 21 O 33/10 KfH
Zitierte Gesetze
Art 267 Abs 3 AEUV
Art 17 EWGRL 653/86
Art 18 EWGRL 653/86
Art 19 EWGRL 653/86
Art 34 BGBEG vom 21.09.1994

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Gegenstandswert: 92.304,33 €

Gründe

1

Der Senat hält ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Auslegung von Art. 17 und Art. 18 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. EG Nr. L 382 S. 17) nicht für veranlasst.

2

1. Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, ein Vorabentscheidungsersuchen sei zu der Frage erforderlich, ob die Durchsetzung der Art. 17 bis 19 der Richtlinie 86/653/EWG die Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, mit der die ausschließliche internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Drittstaates prorogiert wird, zwingend erfordert.

3

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass Art. 17 und 18 der Richtlinie 86/653/EWG, die dem Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung gewisse Ansprüche gewähren, auch dann anzuwenden sind, wenn der Handelsvertreter wie hier seine Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt hat, der Unternehmer seinen Sitz aber in einem Drittland hat und der Vertrag vereinbarungsgemäß dem Recht dieses Landes unterliegt (EuGH, Urteil vom 9. November 2000 - C-381/98, Slg. 2000, I - 9305 Rn. 26 - Ingmar). Die Art. 17 bis 19 der Richtlinie 86/653/EWG bezwecken insbesondere den Schutz des Handelsvertreters (EuGH, Urteil vom 9. November 2000 - C-381/98, aaO Rn. 21).

4

Das Berufungsgericht hat der Vereinbarung eines international ausschließlichen Gerichtsstands der Gerichte in Virginia für den Ausgleichsanspruch des klägerischen Handelsvertreters die Anerkennung in Anwendung deutschen Rechts, darunter Art. 34 EGBGB a.F. i.V.m. § 89b HGB, versagt. Es kann dahinstehen, ob Art. 17 bis 19 der Richtlinie 86/653/EWG es nicht dem nationalen Recht freistellen, welche flankierenden zuständigkeitsrechtlichen Regelungen geschaffen werden. Selbst wenn Art. 17 bis 19 der Richtlinie 86/653/EWG den Mitgliedstaaten Vorgaben für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen machen sollten, mit denen die ausschließliche internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Drittstaates prorogiert wird, besteht im Streitfall keine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Denn es besteht keinerlei Raum für vernünftige Zweifel (vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 - C.I.L.F.I.T.), dass die genannten Richtlinienbestimmungen es nicht hindern, einer Gerichtsstandsvereinbarung, mit der die ausschließliche internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Drittstaates für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters prorogiert wird, die Anerkennung zu versagen, wenn das von den Parteien gewählte Recht - wie hier nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts das Recht von Virginia - keinen zwingenden Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung kennt und das Gericht des Drittstaates das zwingende europäische und nationale Recht eines Mitgliedstaates nicht zur Anwendung bringen und die Klage auf den Ausgleichsanspruch abweisen wird. Mit der Versagung der Anerkennung der Gerichtsstandsvereinbarung wird der international zwingende Anwendungsbereich der Art. 17 und 18 der Richtlinie 86/653/EWG, wie er sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. November 2000 - C-381/98, aaO ergibt, zugunsten des Handelsvertreters, dessen Schutz die genannten Richtlinienbestimmungen bezwecken, zuständigkeitsrechtlich abgesichert und damit die Geltung der genannten Richtlinienbestimmungen gestärkt.

5

Zu Unrecht beruft sich die Beschwerde zum Nachweis der fehlenden Offenkundigkeit auf den Aufsatz von Rühl, IPRax 2007, 294, 300. Im Gegenteil vertritt Rühl die Auffassung, die Effektivität des Gemeinschaftsrechts verlange, dass die Durchsetzung der Art. 17 und 18 der Richtlinie 86/653/EWG nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werde; dies sei der Fall, wenn wie hier feststeht, dass das Gericht des Drittstaates dem Handelsvertreter keinen Ausgleichsanspruch gewähren wird.

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2. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist auch nicht zu der weiteren, von der Beschwerde formulierten Frage geboten, ob der Anspruch auf Ausgleich oder Schadensersatz im Sinne des Art. 17 Abs. 2 und/oder Abs. 3 der Richtlinie 86/653/EWG gesondert als Ausgleich oder Schadensersatz ausgewiesen oder vereinbart werden muss, oder ob es genügt, dass Ausgleich oder Schadensersatz im wirtschaftlichen Ergebnis bereits durch Erhöhung der Provision geleistet wird. Denn nach dem Vortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen bestehen schon keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine derartige Kompensation. Außerdem hat der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 9. November 2000 - C-381/98, aaO, den international zwingenden Charakter der Art. 17 und 18 der Richtlinie 86/653/EWG bejaht, ohne nach dem Inhalt des gewählten Drittlandrechts zu differenzieren.

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3. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist auch nicht zu der weiter von der Beschwerde aufgeworfenen Frage geboten, ob eine partiell unwirksame Rechtswahlklausel die Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung in Gänze nach sich zieht und zur Durchsetzung des effet utile nach sich ziehen muss. Soweit das Berufungsgericht die Gerichtsstandsvereinbarung auch hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Provisionszahlung für unwirksam erachtet hat, handelt es sich um die allein nach deutschem Recht zu beurteilende Frage, ob die Teilunwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung bezüglich des Anspruchs auf Handelsvertreterausgleich auch deren Unwirksamkeit bezüglich des Anspruchs auf Provisionszahlung nach sich zieht. Art. 17 bis 19 der Richtlinie 86/653/EWG betreffen nur den Anspruch auf Ausgleich nach Vertragsbeendigung bzw. den Anspruch auf Schadensersatz nach Vertragsbeendigung, so dass sich die Frage nach ihrer Auslegung nicht stellt.

8

4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

Kniffka                                              Eick                                              Halfmeier

                           Kosziol                                           Kartzke