Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.11.2018


BGH 21.11.2018 - VII ZR 232/17

Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
21.11.2018
Aktenzeichen:
VII ZR 232/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:211118BVIIZR232.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Dresden, 23. August 2017, Az: 5 U 77/17vorgehend LG Dresden, 1. Dezember 2016, Az: 9 O 795/16
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. August 2017 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 21. Dezember 2018.

Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt den Beklagten als Wirtschaftsprüfer wegen der Erstellung von in Anlageprospekten veröffentlichten Testaten zur Prüfung der Jahresabschlüsse der F.     B.     K.   (im Folgenden: F. B.  ) auf Schadensersatz in Höhe von 10.000 € in Anspruch.

2

Der Kläger gewährte der F. B.  am 16. August 2013 ein Nachrangdarlehen in Höhe von 10.000 €.

3

Der Beklagte fertigte als Abschlussprüfer Prüfberichte zu den Jahresabschlüssen der F. B.  für die Jahre 2007 bis 2011, die in den jeweiligen Emissionsprospekten abgedruckt wurden. Die Emissionsprospekte enthielten zudem Vermerke, mit welchen der Beklagte seine Prüftätigkeit im Hinblick auf die jeweiligen Jahresabschlüsse bestätigte.

4

Im April 2014 wurde Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. B. eröffnet.

5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen, weil das Verfahren als Musterverfahren für eine Vielzahl weiterer vergleichbarer Klageverfahren gegen den Beklagten geführt werde "und die Sache deshalb für den Oberlandesgerichtsbezirk Dresden grundsätzliche Bedeutung" habe.

II.

6

Das Berufungsgericht hat, soweit es für die Revision von Bedeutung ist, ausgeführt:

7

Der Kläger mache einen Schadensersatzanspruch wegen einer Prospekthaftung im engeren Sinn ausdrücklich nicht geltend. Er habe das landgerichtliche Urteil, soweit darin Ansprüche wegen einer Prospekthaftung abgelehnt worden seien, in der Berufung nicht angegriffen. Auch in der mündlichen Berufungsverhandlung habe der Kläger bekräftigt, dass er solche Ansprüche nicht verfolgen möchte. Der Senat habe daher keine Veranlassung gehabt, solche Ansprüche zu prüfen.

8

Selbst wenn Ansprüche aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im engeren Sinn Gegenstand der Berufung wären, würde eine Haftung des Beklagten nach diesen Grundsätzen aus materiell-rechtlichen Gründen ausscheiden. Solche Ansprüche richteten sich gegen Personen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich seien. Dazu zählten die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management bildeten oder beherrschten. Darüber hinaus hafteten Personen, die hinter der Gesellschaft stünden und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss bei der Initiierung des Prospekts ausübten und deshalb Mitverantwortung trügen, ohne dass es darauf ankomme, dass sie hierdurch nach außen in Erscheinung getreten seien. Diese Verantwortlichkeit gründe sich allgemein auf das Vertrauen, das diesem Personenkreis von Anlegern typischerweise entgegengebracht werde. Voraussetzung dafür sei, dass ihnen als "Hintermännern" faktisch eine Schlüsselfunktion zukomme, die mit derjenigen der Geschäftsleitung vergleichbar sei.

9

Nach diesen Grundsätzen hafte der Beklagte nicht. Es sei nicht ersichtlich, dass er maßgebliche Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung des Prospekts gehabt habe, an die typischerweise Vertrauen der Anleger geknüpft sei. Ihm komme keine weitergehende Funktion zu als die eines berufsmäßigen Sachkenners, der lediglich als sogenannter Garant der Prospekthaftung unterliegen könnte. Grundsätzlich habe der Bundesgerichtshof zwar anerkannt, dass Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer als mögliche Garanten in diesem Sinn in Frage kommen könnten. Als Inhaber einer solchen Garantenstellung hafteten Personen mit Rücksicht auf eine allgemein anerkannte und hervorgehobene berufliche und wirtschaftliche Stellung allerdings nur, sofern sie gerade durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an dem Emissionsprospekt einen besonderen zusätzlichen Vertrauenstatbestand geschaffen hätten.

10

In dem Emissionsprospekt der F. B.  sei eine auf die Gestaltung bezogene Mitwirkung oder eine Kontrolle des Prospekts durch den Beklagten nicht offen gelegt worden. Sie sei auch nicht anzunehmen, weil der Beklagte lediglich Abschlussprüfungen nach §§ 316, 317 HGB vorgenommen habe. Anders als in den Fällen, in denen der Wirtschaftsprüfer die Prüfung des gesamten Prospekts der Kapitalanlage übernommen habe und der betreffende Prüfbericht in den Prospekt aufgenommen worden sei oder er als im Prospekt benannter Mittelverwendungstreuhänder im Rahmen eines Kapitalanlagemodells die Ordnungsmäßigkeit des Mittelzuflusses und der Mittelverwendung geprüft habe, sei der Beklagte durch die in dem Prospekt der F. B.  vom Juli 2013 veröffentlichten Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Jahresabschlüsse der F. B. für 2010 bis 2012 nicht dergestalt als Kontrollorgan in das Kapitalanlagesystem als solches eingebunden gewesen, dass es gerechtfertigt sei, ihn einer prospektmäßigen Vertrauenshaftung hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens in der Folgezeit zu unterwerfen. Denn die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts von Kapitalgesellschaften durch einen Abschlussprüfer, die bei kleinen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) freiwillig erfolgen könne, sei keine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern nur eine Rechnungslegungsprüfung.

III.

11

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

12

Das Berufungsgericht hat die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil eine Vielzahl vergleichbarer Rechtsstreite gegen den Beklagten geführt werde und die Sache deshalb für den Bezirk des Oberlandesgerichts Dresden grundsätzliche Bedeutung habe. Damit ist ein Zulassungsgrund nicht dargetan.

13

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - II ZR 73/16 Rn. 12; Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14 Rn. 3, ZIP 2016, 266; Beschluss vom 14. Juli 2011 - VII ZR 113/10 Rn. 2, NJW 2011, 3086). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wirtschaftsprüfer gegenüber den Anlegern aus einer Prospekthaftung im engeren Sinn haftet, ist geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 156/13 Rn 16, 21 f., NJW 2014, 2345; Urteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12 Rn. 12 ff., NJW 2013, 1877; Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 103/10 Rn. 19 f., BGHZ 191, 310; Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 185/05 Rn. 15, NJW-RR 2007, 1479; Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611, juris Rn. 19).

14

b) Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich im vorliegenden Fall nicht. Davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht selbst aus, das ausdrücklich darauf hinweist, dass es seine Entscheidung nach dem von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung für die Wirtschaftsprüferhaftung aufgestellten Grundsätze getroffen habe. Dass und gegebenenfalls welche Rechtsfragen zur Entscheidung des Revisionsgerichts gestellt werden sollen, lässt sich weder der Zulassungsentscheidung noch den weiteren Entscheidungsgründen entnehmen. Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhaltskomplex betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt auch dann, wenn es sich zwar um eine Vielzahl von Einzelverfahren handelt, es aber nicht ersichtlich ist, dass deren tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht Allgemeininteressen in besonderem Maße berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - II ZR 73/16 Rn. 14; Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14 Rn. 5, ZIP 2016, 266).

15

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

16

a) Das Berufungsgericht hat zu Recht eine Prospekthaftung des Beklagten im engeren Sinn - die es im Übrigen auch nur vorsorglich geprüft hat, weil der Kläger sich hierauf gar nicht berufen hat - verneint.

17

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haften aus Prospekthaftung im engeren Sinn neben dem Herausgeber des Prospekts auch die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft für fehlerhafte oder unvollständige Angaben in dem Emissionsprospekt, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder es beherrschen, einschließlich der so genannten "Hintermänner" (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12 Rn. 12, NJW 2013, 1877; Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 103/10 Rn. 17, BGHZ 191, 310; Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611, juris Rn. 15; Urteil vom 12. Februar 2004 - III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, juris Rn. 13).

18

bb) Der Prospekthaftung im engeren Sinn unterliegen darüber hinaus die Personen, die mit Rücksicht auf ihre allgemein anerkannte und hervorgehobene berufliche und wirtschaftliche Stellung oder als berufsmäßige Sachkenner eine Art Garantenstellung einnehmen, sofern sie durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an dem Prospekt einen besonderen, zusätzlichen Vertrauenstatbestand schaffen und Erklärungen abgeben (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12 Rn. 12, NJW 2013, 1877; Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 103/10 Rn. 19, BGHZ 191, 310; Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 185/05 Rn. 15, NJW-RR 2007, 1479; Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611, juris Rn. 15). Der Bundesgerichtshof hat für die Prospekthaftung im engeren Sinn die bloße Mitwirkung an der Herausgabe des Prospekts oder an dessen Gestaltung für ebenso wenig ausreichend erachtet wie die nur in Teilbereichen ausgeübte Einflussnahme (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 - III ZR 298/05 Rn. 17 m.w.N., NJW-RR 2008, 1365).

19

Eine (Prospekt-)Haftung gegenüber Anlegern ist anzunehmen, wenn der Wirtschaftsprüfer über die Rolle des Abschlussprüfers hinaus auch gegenüber potenziellen Anlegern in dem Prospekt die Gewähr für die Richtigkeit seines Vermerks übernimmt. Der Vertrauenstatbestand muss sich aus dem Prospekt ergeben, sofern nicht die Mitwirkung an der Prospektgestaltung auf andere Weise nach außen hervorgetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 103/10 Rn. 19, BGHZ 191, 310; Urteil vom 26. September 2000 - X ZR 94/98, BGHZ 145, 187, juris Rn. 40 f.). Davon kann nur ausgegangen werden, wenn das Testat eigens für die Prospektveröffentlichung gefertigt worden ist. In einem solchen Fall handelt es sich um keinen Bestätigungsvermerk im Sinn des § 322 HGB, sondern um ein qualifiziertes Testat über den Prospekt selbst mit werbender Funktion. Die Einstandspflicht beschränkt sich dabei auf die dem Wirtschaftsprüfer zuzurechnenden Prospektaussagen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12 Rn. 12, NJW 2013, 1877; Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 103/10 Rn. 19 f., BGHZ 191, 310; Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 185/05 Rn. 15, NJW-RR 2007, 1479; Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611, juris Rn. 19).

20

cc) Nach diesen Maßstäben kommt eine Prospekthaftung des Beklagten nicht in Betracht.

21

Der Beklagte hatte keine Funktionen innerhalb der F. B.  inne und war auch für den Inhalt des Prospekts nicht verantwortlich. Er gehört zwar als Wirtschaftsprüfer zu dem Personenkreis, dessen berufliche Sachkunde und persönliche Zuverlässigkeit Grundlage für eine Vertrauenshaftung bilden kann. Eine Prospekthaftung als Garant scheidet hier schon deshalb aus, weil er keine eigenen Prospekterklärungen, sondern nur gesetzlich vorgeschriebene Prüftestate gegenüber der F. B.  abgegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611, juris Rn. 21). Die Tätigkeit des Beklagten war auf die Durchführung von Pflichtprüfungen nach den §§ 316 ff. HGB und auf die Erstellung von Bestätigungsvermerken nach § 322 HGB beschränkt. Die Bestätigungsvermerke haben sich nicht auf die Emissionsprospekte als solche, sondern auf den jeweils geprüften Jahresabschluss bezogen. Sie sind damit nicht als Testat mit werbender Funktion eigens für die Prospektveröffentlichung gefertigt worden. Die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts von Kapitalgesellschaften durch einen Abschlussprüfer (vgl. § 316 ff. HGB), die wie hier bei kleinen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) freiwillig erfolgen kann, ist zudem keine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern nur eine Rechnungslegungsprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611, juris Rn. 26).

22

Durch die Veröffentlichung der Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Jahresabschlüsse der F. B.  für die Jahre 2007 bis 2011 war der Beklagte ebenfalls nicht als Kontrollorgan in das Kapitalanlagesystem als solches eingebunden, dass es gerechtfertigt wäre, ihn einer prospektmäßigen Vertrauenshaftung hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens in der Folgezeit zu unterwerfen.

23

b) Es kann daher dahinstehen, ob der Bestätigungsvermerk des Beklagten unrichtig war.

24

c) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Haftung des Beklagten nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und wegen Prospektverantwortlichkeit im weiteren Sinn hat die Revision nicht angegriffen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

Pamp     

        

Jurgeleit     

        

Sacher

        

Borris     

        

Brenneisen     

        

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Verlustigkeitsbeschluss vom 9. Januar 2019 erledigt worden.