Entscheidungsdatum: 22.11.2012
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Abfallentsorgungsunternehmens, wonach der Vertragspartner bei Nichtanlieferung der vereinbarten Quartalsmenge Abfall das Entgelt für die gesamte vereinbarte Menge zu zahlen hat, wenn die Fehlmenge nicht durch entsprechende Mehrlieferungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgeglichen wird ("bring-or-pay-Verpflichtung"), benachteiligt den Vertragspartner unangemessen und ist deshalb unwirksam.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Januar 2012 wird zurückgewiesen, soweit der Zahlungsanspruch aus der "bring-or-pay-Klausel" abgewiesen worden ist. Soweit das Berufungsgericht über einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB, § 281 Abs. 1 BGB entschieden hat, wird das Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage einer Vertragsklausel ("bring-or-pay-Verpflichtung") auf Zahlung für nicht gelieferte Abfallmengen in Anspruch.
Die Klägerin betreibt seit 2009 in H. die Müllverbrennungsanlage R. II mit zwei Verbrennungslinien für Gewerbeabfälle. Sie gehört zur A. Unternehmensgruppe, die bereits seit längerem eine Müllverbrennungsanlage in H. unterhält. Nachdem A. die Genehmigung für die Anlage R. II erhalten hatte, war zunächst die Gründung einer GmbH unter Beteiligung mehrerer Abfallentsorgungsunternehmen beabsichtigt, die zur Absicherung der Investitionen in die neu zu errichtende Anlage verpflichtet sein sollte, an die spätere Betreiberin der R. II eine bestimmte Abfallmindestmenge pro Jahr zu liefern. Dieses Kooperationsmodell wurde nicht umgesetzt. Stattdessen bot die im Jahre 2005 gegründete Klägerin der Beklagten eine langfristige Zusammenarbeit an und übersandte ihr am 2. September 2005 den Entwurf für einen Vertrag über die Anlieferung und Entsorgung/Verwertung von festgelegten Abfallmengen in der Müllverbrennungsanlage R. II. Der Entwurf sah eine Vertragslaufzeit von 17 Jahren vor und beinhaltete eine sogenannte "bring-or-pay-Verpflichtung", wonach die Klägerin das Entgelt für die quartalsmäßig festgelegte Abfallmenge auch in dem Fall erhalten sollte, dass die Beklagte weniger als die vereinbarte Quartalsmenge anliefert und kein Ausgleich über entsprechende Mehrlieferungen im ersten Monat des folgenden Quartals erfolgt. Nachdem die Beklagte die vorgesehene Laufzeit beanstandet und angeregt hatte, die "bring-or-pay-Verpflichtung" dahin zu modifizieren, keinen Ausgleich für Mindermengen zahlen zu müssen, soweit der Klägerin hieraus nachweisbar kein Schaden entstanden sei, übersandte die Klägerin der Beklagten eine modifizierte Vertragsfassung mit einer Laufzeit von 10 Jahren und Verlängerungsoption; die im ursprünglichen Entwurf enthaltene "bring-or-pay-Klausel" blieb unverändert. Nach weiteren Verhandlungen schlossen die Parteien schließlich unter dem 12. April/3. Mai 2006 einen Anlieferungsvertrag, mit dem sich die Beklagte verpflichtete, jährlich eine Mindestgesamtmenge von 20.000 Mg an Abfällen bestimmter Spezifikationen zu festgelegten Preisen/Mg zur Entsorgung anzuliefern oder anliefern zu lassen, und zwar 5.000 Mg pro Quartal. Die Klägerin verpflichtete sich ihrerseits, die festgelegten Abfallmengen von der Beklagten zur Verbrennung anzunehmen. § 2 Ziffer 3 des Anlieferungsvertrages enthält folgende Regelung:
"Hat die C. [Beklagte] die vereinbarte Quartalsmenge nicht angeliefert und ist auch kein Ausgleich durch entsprechende Mehrmengen im ersten Monat des folgenden Quartals erfolgt, hat die C. das Entgelt für die volle vereinbarte Menge zu zahlen (bring-or-pay-Verpflichtung)."
Bereits kurz nach Beginn der Abfallanlieferungen der Beklagten am 1. Januar 2009 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, u.a. hinsichtlich der Liefermengen und der Qualität des von der Beklagten angelieferten Abfalls. Als Ergebnis ihrer Verhandlungen über mögliche Änderungen des Anlieferungsvertrages trafen die Parteien am 13. November 2009 eine als "1. Änderungsvertrag zum Vertrag vom 12.04./03.05.2006" bezeichnete Vereinbarung, in der das Entgelt für die Entsorgung der von der Beklagten anzuliefernden Abfälle der Preisgruppe 1 reduziert wurde. Weiter heißt es dort u.a.:
"1.
…
c) Der Kunde hat das Recht, die Minderanlieferungen aus dem I. und II. Quartal 2009 in Abweichung von der Vereinbarung in § 2 Nr. 2a Satz 2 des Anlieferungsvertrages vom 12.04./03.05.2006 bis zum 30.06.2010 in Abstimmung mit der R.-GmbH [Klägerin] (wie in § 3 Nr. 5 und 6 des Anlieferungsvertrages) auszugleichen. Hat der Kunde die Minderanlieferungen aus dem I. und II. Quartal nicht bis zum 30.06.2010 ausgeglichen, hat er das in Ziffer 1. vereinbarte Entgelt für die Mindermengen zu zahlen (bring-or-pay-Verpflichtung).
…
2. Alle übrigen Vereinbarungen des Vertrages vom 12.04./03.05.2006 bleiben unberührt."
Auf dieser Grundlage nahm die Klägerin am 15. Juli 2010 eine Nachberechnung vor und stellte der Beklagten für Mindermengen 2009 einen Betrag von 709.922,02 € brutto (6.056,58 t zu je 98,50 € netto) in Rechnung. Weil die Beklagte hierauf keine Zahlungen geleistet hat, macht die Klägerin den genannten Betrag nebst Zinsen nunmehr mit der vorliegenden Klage geltend. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat Erfolg gehabt und zur Abweisung der Klage geführt. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ihr ursprüngliches Klageanliegen weiterverfolgt.
Die Revision ist unbegründet, soweit der Anspruch aus der "bring-or-pay-Klausel" verfolgt wird. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Berufungsgericht über einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB entschieden hat.
I.
Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung die Annahme zugrunde, dass es sich bei der in Rede stehenden "bring-or-pay-Klausel" um eine von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Die mehrfach verwendete Klausel sei nicht individuell ausgehandelt, weil nach den feststellbaren Umständen nicht davon auszugehen sei, dass die Klägerin den Kerngehalt der Regelung ernsthaft zur Disposition gestellt habe, und zwar auch nicht im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Abänderung des Anlieferungsvertrages. Die hierzu im 1. Änderungsvertrag vom 13. November 2009 enthaltenen Regelungen ließen die Verpflichtung der Beklagten, Mindermengen mit den vertraglichen Preisen bezahlen zu müssen, unberührt und beträfen lediglich die hierfür maßgeblichen Rahmenbedingungen (Preis und Nachlieferungszeitraum), die zugunsten der Beklagten angepasst worden seien. Weil es sich demnach bei der "bring-or-pay-Klausel" um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, unterliege diese der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB. Aus § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB folge nichts anderes, weil die Klausel keine kontrollfreie, der unmittelbaren Beschreibung der beiderseitigen Leistungen und Gegenleistungen dienende Preisabrede beinhalte. Die nach der "bring-or-pay-Klausel" vorgesehene Zahlung für Mindermengen sei keine im Synallagma stehende Vergütung für Vertragsleistungen der Klägerin, sondern darauf gerichtet, der Klägerin einen Ausgleich für die Vorhaltung von nicht genutzten Annahme- und Entsorgungskapazitäten zu schaffen, der ihr ohne eine entsprechende Regelung nach dispositivem Gesetzesrecht gemäß §§ 280, 281, 283 BGB zustünde. Die "bring-or-pay-Klausel" sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie die Beklagte unangemessen benachteilige. Insoweit könne dahinstehen, ob die Klausel eine den Anforderungen des § 309 Nr. 5 BGB nicht genügende und schon deshalb unwirksame Schadenspauschale enthalte. Sie verpflichte die Beklagte unabhängig davon zu Ausgleichszahlungen, ob die die Zahlungspflicht auslösende Nichtlieferung kausal zu einem Schaden für die Klägerin geführt habe und lasse zudem das Prinzip der Vorteilsausgleichung außer Betracht, wonach die Klägerin sich eine anderweitige Nutzung der für die Beklagte vorgehaltenen Entsorgungskapazitäten sowie sonstige infolge der Nichtlieferung ersparte Aufwendungen gemäß § 254 Abs. 2 BGB anrechnen lassen müsse. Im Ergebnis führe die Klausel dazu, dass die Beklagte erbrachte und nicht erbrachte Leistungen der Klägerin in gleicher Weise vergüten müsse. Eine solche Regelung laufe den Interessen der Beklagten zuwider und sei auch unter Berücksichtigung des Interesses der Klägerin, die Auslastung der Anlage zur Absicherung ihrer Investitionen sicher zu stellen, unangemessen. Die sich durch die "bring-or-pay-Verpflichtung" für die Beklagte ergebenden Nachteile würden auch nicht durch andere Bestimmungen des Vertrages, namentlich die Berechtigung, Fehlmengen innerhalb des ersten Monats des nächsten Quartals auszugleichen, hinreichend kompensiert. Das Zahlungsverlangen der Klägerin sei schließlich auch nicht gemäß §§ 280, 281 Abs. 1, 283 BGB gerechtfertigt, weil die Klägerin einen dahingehenden Schadensersatzanspruch nicht schlüssig dargelegt habe.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen stand.
1. Der Klägerin steht der für Abfallmindermengen geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht gemäß § 2 Ziffer 3 des Anlieferungsvertrages vom 12. April/3. Mai 2006 zu. Die dort vereinbarte "bring-or-pay-Klausel" ist eine von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie die Beklagte entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
a) Das Berufungsgericht geht auf beanstandungsfrei festgestellter Tatsachengrundlage davon aus, dass es sich bei der "bring-or-pay-Klausel" um eine für eine Vielzahl von gleichartigen Anlieferungsverträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelt, deren Einbeziehung in den Vertrag die Klägerin verlangt hat. Dagegen bringt die Revision nichts vor. Ohne Erfolg macht sie geltend, es liege gleichwohl keine Allgemeine Geschäftsbedingung vor, weil die Klausel ausgehandelt worden sei, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert Aushandeln gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01, BGHZ 153, 321; Urteil vom 16. Juli 1998 - VII ZR 9/97, BauR 1998, 1094, 1095 = ZfBR 1998, 308; Urteil vom 26. September 1996 - VII ZR 318/95, BauR 1997, 123, 124 = ZfBR 1997, 33). Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Allenfalls unter besonderen Umständen kann eine Vertragsklausel auch dann als Ergebnis eines Aushandelns gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01, BGHZ 153, 321; Urteil vom 3. November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104, 112).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Klausel in § 2 Ziffer 3 des Anlieferungsvertrages nicht zwischen den Parteien ausgehandelt worden.
Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Klägerin ihrem eigenen Vorbringen zufolge die Einbeziehung der "bring-or-pay-Verpflichtung" in den Vertrag als zwingend erforderlich für die Absicherung des Liquiditätsflusses und der Finanzierung der Müllverbrennungsanlage gehalten und deshalb als nicht verhandelbar dargestellt hat. Die Beklagte ihrerseits hat die Klausel von Anfang an kritisiert und schon nach Erhalt des ersten Vertragsentwurfs erfolglos beanstandet, Mindermengen auch dann bezahlen zu müssen, wenn der Klägerin hierdurch nachweisbar kein Schaden entsteht. Diese Umstände sprechen, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, dafür, dass auf Seiten der Klägerin keine Bereitschaft bestand, die "bring-or-pay-Klausel" ernsthaft zur Disposition zu stellen.
Das Berufungsgericht hat weitergehend erwogen, dass eine zur Vielfachverwendung vorgesehene und von einer Vertragspartei als nicht verhandelbar gestellte Vertragsklausel gleichwohl individuell ausgehandelt sein könne, wenn die andere Partei sich den Inhalt der Klausel unter dem Eindruck der Vertragsverhandlungen zu Eigen gemacht und als sachlich berechtigt akzeptiert habe. Ebenso sei es, wenn die Vertragsparteien über viele Aspekte eines komplexen Vertrages umfangreich und langwierig verhandelt hätten und die streitige Vertragsklausel stehen geblieben sei, weil beispielsweise an anderer Stelle des Vertrages eine Kompensation stattgefunden habe. Das Berufungsgericht hat dem Tatsachenvorbringen der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin allerdings mit Recht keine hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Annahme entnehmen können, dass die Beklagte ihre ursprünglichen Einwände und Vorbehalte gegen die Klausel fallengelassen und diese in einer Weise als sachlich berechtigt akzeptiert hat, die nach den vom Berufungsgericht hierfür herangezogenen Grundsätzen auf eine individuell ausgehandelte Vertragsbedingung schließen lassen könnte. Nicht ausreichend ist insoweit, dass die Parteien nach dem Sachvortrag der Klägerin ausführlich über den Vertrag verhandelt haben und die Beklagte den abgestimmten Vertragsentwurf erst nach intensiver juristischer Prüfung gebilligt hat. Darin tritt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu Tage, dass die Beklagte ihre Bedenken gegen die von der Klägerin in den Vertrag eingeführte "bring-or-pay-Verpflichtung" als Ergebnis des Verhandlungsprozesses aufgegeben und die Klausel schließlich als in der Sache gerechtfertigt in ihren rechtsgeschäftlichen Willen aufgenommen hat. Weitergehenden Tatsachenvortrag hat die Klägerin hierzu nicht gehalten. Dass das Berufungsgericht solches Vorbringen zur schlüssigen Darlegung des Aushandelns für erforderlich gehalten hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und rechtfertigt den von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf einer Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht.
cc) Die demnach als Allgemeine Geschäftsbedingung in den Anlieferungsvertrag einbezogene "bring-or-pay-Klausel" kann nicht deshalb als individuell ausgehandelte Vertragsbestimmung gelten, weil die Parteien nach Vertragsbeginn Änderungen hinsichtlich der Höhe des für die Abnahme und Entsorgung des Abfalls zu zahlenden Entgelts und des der Beklagten für Mindermengen für 2009 zugebilligten Nachlieferungszeitraums vereinbart haben. Hintergrund hierfür waren Differenzen der Parteien über Abfalllieferungen der Beklagten zu Beginn des Jahres 2009. Die zur Beilegung dieses Streits im "1. Änderungsvertrag" niedergelegten Vereinbarungen setzen die Fortgeltung der im Anlieferungsvertrag enthaltenen "bring-or-pay-Klausel" voraus, die dementsprechend gemäß Ziffer 2 des Änderungsvertrages von den Vertragsänderungen unberührt bleiben sollte.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin die in § 2 Ziffer 3 des Anlieferungsvertrages festgelegte Verpflichtung der Beklagten, Mindermengen mit den Vertragspreisen vergüten zu müssen, während der Verhandlungen über den Änderungsvertrag dennoch zur Disposition gestellt hat. Sie hat - im Gegenteil - auf den Vorschlag der Beklagten, die nach der "bring-or-pay-Klausel" vorgesehene Vergütungspflicht mit ersetzender Nachlieferungsmöglichkeit für die Quartale I. und II. 2009 zu streichen, deutlich gemacht, auf die Einhaltung festgelegter Liefermengen und die Bezahlung eventueller Mindermengen nicht verzichten zu wollen. Von dieser Position ist die Klägerin nicht dadurch abgerückt, dass sie einer Reduzierung des Entgelts für die Abnahme einer Abfallgruppe zugestimmt hat. Diese Vertragsänderung regelt die Vergütung für bestimmte Abfalllieferungen. Sie betrifft die "bring-or-pay-Verpflichtung" nur mittelbar, weil der von der Beklagten für Fehlmengen zu zahlende Geldbetrag der Vergütung für Abfalllieferungen entspricht. Gleiches gilt im Ergebnis für die in Ziffer 1. c) des Änderungsvertrages vereinbarte Erweiterung des Nachlieferungszeitraums, die im offenkundigen Zusammenhang mit den Abwicklungsschwierigkeiten zu Beginn des Jahres 2009 steht und die der "bring-or-pay-Klausel" immanente Kompensationsmöglichkeit der Nachlieferung zur Beseitigung dieser Schwierigkeiten zeitlich begrenzt modifiziert, ohne die "bring-or-pay-Verpflichtung" inhaltlich zu verändern. Bei dieser Sachlage ist kein Raum für die Annahme, die "bring-or-pay-Klausel" könnte nachträglich ausgehandelt worden sein und so ihren AGB-Charakter verloren haben.
b) Die "bring-or-pay-Klausel" unterliegt der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB. Sie ist entgegen der Auffassung der Revision nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfrei. Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten, von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Das gilt insbesondere für vertragliche Vereinbarungen betreffend Leistung und Gegenleistung, die von den Vertragsparteien nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie frei bestimmt werden können (BGH, Urteil vom 19. November 1991 - X ZR 63/90, BGHZ 116, 119; Urteil vom 16. November 1999 - KZR 12/97, BGHZ 143, 128, 138 f.; Urteil vom 18. April 2002 - III ZR 199/01, NJW 2002, 2386). Allerdings führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die bloße Einstellung einer Klausel in ein Regelwerk, das Preise für Einzelleistungen bei der Vertragsabwicklung festlegt, noch nicht dazu, dass die einzelne Klausel als unselbständiger Bestandteil einer "Gesamtpreisabsprache" jeder Kontrolle entzogen ist. Der klare Wortlaut des Gesetzes (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) verlangt auch dann eine Prüfung, ob die Klausel lediglich deklaratorische Wirkung hat oder ob sie Rechtsvorschriften ergänzt, indem sie etwa ein Entgelt festlegt, obwohl eine Leistung für den Vertragspartner nicht erbracht wird. Der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposition des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Daher ist ohne Rücksicht auf die Preisstruktur insgesamt und die Beschaffenheit der sonstigen Einzelpreise zu überprüfen, ob der streitigen Klausel eine echte (Gegen-)Leistung zugrunde liegt oder ob es sich um eine kontrollfähige (Preisneben-)Abrede handelt, die zwar (mittelbare) Auswirkungen auf Preis und Leistung hat, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann (BGH, Urteil vom 18. Mai 1999 - XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380; Urteil vom 10. Juni 1999 - VII ZR 365/98, BGHZ 142, 46; Urteil vom 16. November 1999 - KZR 12/97, BGHZ 143, 128, 138 f.; Urteil vom 6. Juni 2000 - VII ZR 73/00, BauR 2000, 1756 = ZfBR 2000, 546).
Bei Anwendung dieser Grundsätze unterliegt die "bring-or-pay-Klausel" der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Die vertragliche Hauptleistungsverpflichtung der Klägerin besteht darin, den von der Beklagten nach vertraglich festgelegten Mengen anzuliefernden Abfall zu den im Vertrag festgelegten Preisen abzunehmen und zu entsorgen. Die "bring-or-pay-Klausel" betrifft weder diese Hauptleistungsverpflichtung noch den ihr im vertraglichen Synallagma gegenüberstehenden Vergütungsanspruch. Sie erstreckt vielmehr diesen Anspruch auf von der Beklagten nicht zur Entsorgung angebotene Fehlmengen, obwohl die Klägerin insoweit keine Entsorgungsleistungen erbringen muss. Das erkennt auch die Klägerin, die allerdings meint, ihre Verpflichtung zur Vorhaltung von ausreichenden Abnahme- und Entsorgungskapazitäten stelle eine weitere vertragliche Hauptleistungspflicht dar, die nach Maßgabe der "bring-or-pay-Klausel" vergütet werden müsse. Das trifft nicht zu. Die Klägerin muss ausreichende Anlagenkapazitäten vorhalten, um ihre auf Abnahme und Entsorgung der vereinbarten Mengen Abfall gerichtete vertragliche Hauptleistungspflicht erfüllen zu können. Der nach der "bring-or-pay-Klausel" vorgesehene Zahlungsanspruch dient ersichtlich nicht dazu, (nur) diese Vorhaltekosten auszugleichen, sondern ist darauf gerichtet, die Vollauslastung der Anlage finanziell abzusichern. Er erweist sich deshalb als nicht im vertraglichen Synallagma stehender Anspruch mit Entschädigungscharakter. Ohne eine solche Vereinbarung wäre die Klägerin, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, auf einen Anspruch nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen in §§ 280, 281, 283 BGB angewiesen.
c) Der demnach gebotenen Inhaltskontrolle hält die "bring-or-pay-Klausel" nicht stand. Der Senat braucht die auch vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob die Klausel eine Schadenspauschale enthält, nicht zu beantworten. Die Klausel ist unabhängig davon gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie die Beklagte unangemessen benachteiligt.
Als unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Klausel angesehen, in der der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - VII ZR 7/10, BauR 2011, 677 Rn. 18 = NZBau 2011, 229 = ZfBR 2011, 241; Urteil vom 20. April 2000 - VII ZR 458/97, BauR 2000, 1498 = NZBau 2000, 424 = ZfBR 2000, 477; Urteil vom 5. Juni 1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27).
Eine solche, aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten unangemessene Durchsetzung der Interessen der Klägerin liegt der hier zu beurteilenden "bring-or-pay-Klausel" zugrunde. Sie verlagert das unternehmerische Risiko der Klägerin, die Finanzierung der neu errichteten Müllverbrennungsanlage und ihre Rentabilität durch eine ausreichende Auslastung abzusichern, hinsichtlich der mit der Beklagten vereinbarten Liefermengen vollständig auf diese. Darüber hinaus eröffnet sie der Klägerin die Möglichkeit, die von der Beklagten nicht genutzten, gleichwohl aber voll bezahlten Kapazitäten anderweitig gewinnbringend einzusetzen, ohne dass die Beklagte hiervon profitieren kann. Auf diese Weise dient die "bring-or-pay-Verpflichtung" nicht nur der Absicherung von Risiken, sondern sie begründet zugleich zusätzliche Erwerbschancen für die Klägerin, die sich allein zu Lasten der Beklagten gerade dann ergeben, wenn die Klägerin ihre in § 3 des Anlieferungsvertrages niedergelegte Verpflichtung zur Abnahme der festgelegten Abfallmengen nicht erfüllen muss.
Ein solches Regelungssystem ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang zu bringen. Danach ist die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie die in § 2 des Anlieferungsvertrages quartalsbezogen festgelegten Abfallmengen aus in ihre Verantwortung fallenden Gründen nicht zur Entsorgung bei der Klägerin anliefert und auch keine zeitgerechten Nachlieferungen vornimmt (§ 2 Ziffer 2. a) des Anlieferungsvertrages). Bei der Berechnung des erstattungspflichtigen Schadens sind nach allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts nur diejenigen vermögenswerten Nachteile zu berücksichtigen, die sich ursächlich aus der vertragswidrigen Nichtanlieferung von Abfall ergeben. Darüber hinaus muss sich die Klägerin die durch die Nichtanlieferung ersparten Aufwendungen und gegebenenfalls den hierdurch ermöglichten anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Klägerin durch den finanziellen Ausgleich für eine vertragswidrig hinter den vertraglich festgeschriebenen Mengen zurückbleibende Abfallanlieferung nicht besser gestellt wird, als sie stünde, wenn die Beklagte vertragsgerecht geliefert hätte. Die "bring-or-pay-Klausel" setzt diese Grundsätze, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, zugunsten der Klägerin weitgehend außer Kraft und verschafft ihr eine Rechtsposition, deren vertragliche Durchsetzung nach der Rechtsordnung keinen Schutz verdient.
Die sich aus der "bring-or-pay-Verpflichtung" für die Beklagte ergebenden Nachteile werden durch die weiteren Regelungen des Anlieferungsvertrages nicht angemessen kompensiert. Allerdings ist die Klägerin gemäß § 3 des Anlieferungsvertrages ihrerseits verpflichtet, die im Anlieferungsvertrag festgelegten Abfallmengen von der Beklagten anzunehmen und zu entsorgen. Das gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gemäß § 2 Ziffer 3 und 4; § 3 Ziffer 2 des Anlieferungsvertrages auch dann, wenn die Klägerin aus betriebsinternen Gründen nicht in der Lage ist, die von der Beklagten vertragsgemäß angelieferten Abfälle selbst zu entsorgen. Hierdurch ist gewährleistet, dass die Beklagte für den auf 10 Jahre festgelegten Vertragszeitraum sicher davon ausgehen kann, die von ihr zu bewältigenden Abfallmengen in dem mit der Klägerin vereinbarten Umfang der Entsorgung zuführen zu können. Der darin liegende Vorteil der Planungssicherheit besteht indes in gleicher Weise für die Klägerin, für die im Interesse der Auslastung ihres Betriebes sichergestellt ist, von der Beklagten mit Abfall beliefert zu werden. Sie hat sich gemäß § 2 Ziffer 2. b) des Anlieferungsvertrages darüber hinaus vorbehalten, über die Annahme der 5 % der Quartalsmengen übersteigenden Mehrlieferungen und die hierfür zu entrichtenden Preise zu entscheiden. Demgegenüber trägt die Beklagte durch die "bring-or-pay-Klausel" das durch das Abnahmeversprechen der Klägerin nicht verminderte Risiko, die vereinbarten Abfallmengen nicht aufbringen zu können und die Entsorgung dennoch bezahlen zu müssen.
Ebenfalls keinen angemessenen Ausgleich stellt schließlich die der Beklagten durch die "bring-or-pay-Klausel" eingeräumte Möglichkeit dar, die Bezahlung von Fehlmengen durch entsprechende Nachlieferungen innerhalb des ersten Monats des Folgequartals zu vermeiden. Abgesehen davon, dass § 2 Ziffer 2 b) die Annahme von Mehrmengen zur Disposition der Klägerin stellt und nicht klar ist, ob hiervon auch Ausgleichslieferungen erfasst werden, welche die Beklagte über die Quartalsmenge hinaus vornehmen will, ist die Beklagte durch die Ausgleichsmöglichkeit nicht von dem Risiko entlastet, kontinuierlich den für die Erfüllung ihrer Anlieferungsverpflichtung erforderlichen Umsatz an Abfallmengen generieren und gegebenenfalls Mehrmengen anbieten zu können. Faktisch wirkt sich damit die Nachlieferungsmöglichkeit nur bei kurzzeitigen Umsatzschwankungen im Betrieb der Beklagten aus, wohingegen ihr bei einer langfristig degressiven Umsatzentwicklung keine Möglichkeit bleibt, der vollen Bezahlung hierdurch bedingter Fehlmengen zu entgehen. Derartige betriebsbedingte Risiken ergeben sich für die Klägerin aus der Vertragsbeziehung zur Beklagten nicht. Es ist nicht gerechtfertigt, sie auch insoweit der Beklagten aufzubürden, als sich für die Klägerin aus Minderanlieferungen der Beklagten kein erstattungsfähiger Schaden ergibt.
2. Das Berufungsurteil ist allerdings insoweit aufzuheben, als es einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB abgewiesen hat. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist ein anderer Streitgegenstand als der Anspruch auf Zahlung des vertraglichen Entgelts aus der "bring-or-pay-Klausel". Denn sie setzt einen völlig anders gelagerten Sachverhalt voraus. Die Klägerin hat weder einen solchen Schadensersatzanspruch geltend gemacht, noch einen entsprechenden Sachvortrag dazu gehalten. Sie hat also insoweit keine Klage erhoben, so dass das Berufungsgericht einen eventuellen Schadensersatzanspruch nicht abweisen durfte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Kniffka Eick Halfmeier
Leupertz Kosziol