Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 12.04.2012


BGH 12.04.2012 - VII ZR 217/10

Berufung im Werklohnprozess: Verletzung rechtlichen Gehörs bei Wertung eines Vergleichsangebots als unstreitigen Sachverhalt


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
12.04.2012
Aktenzeichen:
VII ZR 217/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 1. Dezember 2010, Az: 6 U 87/10vorgehend LG Magdeburg, 21. April 2010, Az: 10 O 2337/08, Urteil
Zitierte Gesetze
§§ 631ff BGB

Tenor

Der Beschwerde der Beklagten wird teilweise stattgegeben.

Das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 1. Dezember 2010 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 70.254,49 € nebst Zinsen wegen Verschiebung des Baubeginns zu zahlen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

Von einer Begründung wird insoweit abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

Gegenstandswert: 1.019.516,42 € (zugelassener Teil: 70.254,49 €)

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um Restwerklohn, Mehrkosten wegen Bauzeitverlängerung und um die Herausgabe von Bürgschaftsurkunden. Die Beklagte rechnet mit Rückzahlungsansprüchen wegen Überzahlung auf und macht widerklagend Schadensersatzansprüche geltend.

2

Die Beklagte schrieb 2003 das Bauvorhaben "Neubau eines Dienstgebäudes für das Umweltbundesamt D.   " öffentlich aus. In dem Angebots-Leistungsverzeichnis war als Bodenbelag "noraplan uni elastic 4,9 o. glw. Art" ausgeschrieben, der den aus den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen ersichtlichen ökologischen Anforderungen genügen sollte. Mit Schreiben vom 30. Januar 2004 beauftragte die Beklagte die Klägerin, die Bodenbelagsarbeiten auf einer Fläche von 18.890 m² mit dem von dieser angebotenen Alternativfabrikat Mondoplan uni acoustik auszuführen. Die Arbeiten, die ursprünglich am 29. März 2004 beginnen sollten, konnten erst am 17. Mai 2004 aufgenommen werden, weil der Estrich zuvor eine zu hohe Restfeuchte aufwies.

3

Nach Verlegung einer Teilfläche stoppte die Beklagte die Bodenverlegungsarbeiten wegen von dem Belag ausgehender Emissionen und ordnete die Verlegung des ursprünglich ausgeschriebenen Belags an.

4

Nach Abnahme ihrer Leistungen erteilte die Klägerin der Beklagten eine Schlussrechnung über eine Restforderung von 989.643,61 €, die sie erstinstanzlich geltend gemacht hat. Zusätzlich hat die Klägerin von der Beklagten die Bezahlung von 299.250 € Zug um Zug gegen Übergabe von 17.500 m² Bodenbelag Mondoplan, die Vergütung für deren Einlagerung und die Rückgabe zweier Vertragserfüllungsbürgschaften verlangt. Die Beklagte hat widerklagend Schadensersatz geltend gemacht und die Rückzahlung überzahlter Beträge gefordert.

5

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 131.327,71 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Widerklage hat es die Klägerin zur Zahlung von 30.377,75 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen haben die Klägerin und deren Streithelferin Berufung und die Beklagte Anschlussberufung eingelegt, soweit sie zur Zahlung einer 74.977,75 € übersteigenden Restwerklohnforderung verurteilt worden war. Gegen diese Forderung hat sie mit einer gleich hohen Gegenforderung aufgerechnet und mit der Widerklage über den bereits ausgeurteilten Betrag hinaus Zahlung weiterer 139.104,65 € verlangt.

6

Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 475.676,94 € nebst Zinsen sowie zusätzlich 299.250 € Zug um Zug gegen Übergabe von 17.500 m² Bodenbelag Mondoplan zu zahlen und die beiden Bürgschaften herauszugeben. Die Widerklage hat es abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie erstrebt die vollständige Abweisung der Klage sowie die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 113.261,77 €.

II.

7

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Soweit das Berufungsgericht der Klägerin 70.254,49 € wegen der Verschiebung des Baubeginns zugesprochen hat, beruht das Berufungsurteil auf einer Verletzung des Rechts der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG. Insoweit ist es deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

8

1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe wegen der Verschiebung des Baubeginns vom 29. März 2004 auf den 17. Mai 2004 gemäß § 642 BGB ein Anspruch in Höhe von 70.254,49 € zu. Grund und Dauer der Baubeginnverzögerung seien unstreitig. Die Beklagte habe sich bereit erklärt, kulanzweise, ohne Präjudiz und zur Beilegung des Rechtsstreits einen Betrag von 70.254,49 € zu zahlen. Diesen Betrag habe sie auf der Grundlage einer eigenen Berechnung unter Bezugnahme auf von dem Sachverständigen V. zugrunde gelegten Werte ermittelt. Zur Zahlung dieses Betrags sei die Beklagte zwar lediglich für den Fall einer außergerichtlichen Einigung bereit gewesen. Die Berechnung der Beklagten enthalte jedoch zumindest das Zugeständnis der Angemessenheit der eigenen Berechnungsgrundlagen, so dass der Klägerin ein Entschädigungsanspruch in entsprechender Höhe zuzusprechen sei.

9

2. Mit diesen Erwägungen hat sich das Berufungsgericht über entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten hinweggesetzt. Wie das Berufungsgericht zutreffend feststellt, hat sich die Beklagte zur Zahlung von 70.254,49 € ohne jedes Rechtsanerkenntnis lediglich für den Fall einer vergleichsweisen Einigung bereit erklärt. Nachdem eine solche Einigung nicht zustande kam, hat sie die Forderungen der Klägerin nach Grund und Höhe bestritten. Sie hat insbesondere im Hinblick auf die erhebliche Dauer der Bauzeitverschiebung beanstandet, dass dem Vortrag der Klägerin jede Darlegung dazu fehle, wie sie ihre Mitarbeiter anderweitig eingesetzt habe. Sie hat deutlich gemacht, dass sie die für den Fall einer vergleichsweisen Regelung angebotene Vergütung nicht als der Klägerin zustehende Forderung anerkenne, sondern den entsprechenden Betrag als den der Höhe nach maximal möglichen Anspruch ansehe. Sie hat klargestellt, entgegen der Annahme des Landgerichts auch keine 1.584 Arbeitsstunden als vergütungspflichtig anzuerkennen. Insbesondere aber hat die Beklagte darauf verwiesen, dass sie ihr Entschädigungsangebot auf der Grundlage einer bestrittenen Berechnung der Klägerin erstellt habe, nämlich unter Berücksichtigung des der Klageschrift als Anlage K 42 beigefügten Gutachtens. Die für eine vergleichsweise Regelung angebotene Vergütung beruhte daher entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht auf eigenen Berechnungsgrundlagen der Beklagten.

10

3. Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht der Klägerin bei Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten einen Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe zusprechen wird.

Kniffka                                           Kuffer                                           Safari Chabestari

                          Eick                                              Leupertz