Entscheidungsdatum: 28.07.2011
Eine in einem VOB-Vertrag enthaltene Klausel des Auftraggebers, mit der "zur Sicherung der vertragsgemäßen Abwicklung der Leistungen nach der Abnahme, insbesondere Gewährleistung", eine Sicherung von 5 % der Abrechnungssumme vereinbart wird und Bürgschaften unter Verzicht auf die Einrede gemäß § 768 BGB auszustellen sind, ist unwirksam .
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. November 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung aus einer Gewährleistungsbürgschaft.
Die Klägerin übertrug der B. GmbH im Jahre 2005 Rohbau- und Erdarbeiten. Die Auftragserteilung erfolgte unter Einbeziehung der VOB/B sowie folgender zusätzlicher Vertragsbedingungen (ZVB):
"12.2 Für die vertragsgemäße Abwicklung der Leistungen nach der Abnahme, insbesondere für die Gewährleistung, hat der Auftragnehmer Sicherheit in Höhe von 5 % der Abrechnungssumme einschließlich Mehrwertsteuer zu leisten. Diese Sicherheit wird nach Ablauf der Gewährleistungsfrist zurückgegeben, sofern das Werk zu diesem Zeitpunkt mangelfrei ist.
12.3 Bürgschaften sind entsprechend dem Muster des Auftraggebers auszustellen unter Verzicht auf die Einreden aus den §§ 770, 771 und 772 BGB und auf Hinterlegung. Bürgschaften sind entsprechend § 17 Abs. 4 unbefristet auszustellen."
Im beigefügten Bürgschaftsformular befindet sich unter anderem folgende Regelung:
"Auf die Einrede der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und Vorausklage gemäß §§ 770, 771, auf die Einrede gemäß § 768 BGB sowie auf das Recht gemäß § 776 BGB wird verzichtet."
Die Beklagte übernahm unter Verwendung dieses Bürgschaftsformulars eine Gewährleistungsbürgschaft über 10.415,39 €. Nachdem die B. GmbH in Insolvenz geraten war, nahm die Klägerin die Beklagte aus der Bürgschaft wegen Ersatzvornahmekosten in Höhe von 9.584,26 € in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hält die Sicherungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der B. GmbH unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 2009 (XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278) für unwirksam.
Die Vereinbarung einer Sicherung von Gewährleistungsansprüchen durch Einbehalt von 5 % des Werklohns mit der Ablösungsmöglichkeit durch eine Gewährleistungsbürgschaft bilde eine untrennbare Einheit. Aus Nr. 12.2 ZVB ergebe sich das Recht des Auftraggebers, einen Einbehalt vorzunehmen. Der Auftragnehmer bekomme seinen Werklohn nur dann ausbezahlt, wenn er eine Bürgschaft mit Verzicht auf die Einrede nach § 768 BGB stelle.
Eine ergänzende Auslegung der Sicherungsvereinbarung dahin, dass eine Bürgschaft ohne Einredeverzicht zu stellen sei, komme nicht in Betracht. Es stünde mit § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB eine gesetzliche Regelung zur Verfügung, die die Vertragslücke schließe. Zudem fehlten Anhaltspunkte dafür, was die Parteien, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten, bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen typischerweise vereinbart hätten.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Beklagte sich nach § 768 Abs. 1 BGB auf die der B. GmbH zustehende Einrede berufen kann, die Sicherungsabrede sei unwirksam und die Sicherheit deshalb ohne Rechtsgrund geleistet worden. Denn der formularmäßig vereinbarte Einredeverzicht des Bürgen ist unwirksam (BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278, Rn. 13 f.). Richtig ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Sicherungsabrede sei dahin auszulegen, dass die Auftragnehmerin eine Bürgschaft zu leisten habe, die den Verzicht auf die Einrede gemäß § 768 BGB enthalte. Das Muster, das den Verzicht enthält, gehört kraft Bezugnahme in der Sicherungsabrede unter Nr. 12.2 ZVB zum Inhalt der Sicherungsvereinbarung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - VII ZR 39/08, BGHZ, 179, 374, Rn. 11).
Die formularmäßige Sicherungsabrede zur Absicherung der Ansprüche der Klägerin nach der Abnahme ist, wie das Berufungsgericht weiter richtig erkannt hat, unwirksam. Sie benachteiligt die Auftragnehmer der Klägerin unangemessen, § 307 Abs. 1 BGB.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs benachteiligt eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die vorsieht, dass der Auftragnehmer einen Sicherungseinbehalt von 5 % der Schlussabrechnungssumme nur gegen Stellung einer Bürgschaft ablösen kann, den Auftragnehmer unangemessen, wenn der Bürge auf die ihm nach § 768 BGB zustehende Einrede verzichten muss. Enthält die Sicherungsabrede sprachlich getrennte Klauseln, von denen die eine vorsieht, dass der Sicherungseinbehalt durch eine Bürgschaft abgelöst werden kann, und die andere die Anforderung an die Bürgschaft auf den Einredeverzicht enthält, kann die Regelung nicht in der Weise aufrecht erhalten werden, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, den Sicherungseinbehalt durch eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft ohne Verzicht auf die Einrede gemäß § 768 BGB abzulösen. Denn eine Vereinbarung zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen, die einen Sicherungseinbehalt mit der Ablösungsmöglichkeit durch eine näher ausgestaltete Gewährleistungsbürgschaft vorsieht, bildet eine untrennbare, konzeptionelle Einheit. Eine ergänzende Auslegung dahin, dass eine Bürgschaft ohne umfassenden Einredeverzicht zu stellen ist, kommt nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278, Rn. 22 ff.).
2. Die Revision stellt diese Rechtsprechung nicht in Frage. Sie meint, sie sei nicht anwendbar, weil die Parteien die VOB/B vereinbart hätten. Die Auftragnehmerin habe ein Wahlrecht gehabt, die Sicherheit durch Einbehalt, Hinterlegung oder Bürgschaft zu stellen. Infolge dieser Besonderheit fehle es an dem sonst zu bejahenden Zusammenwirken zwischen einem Sicherungseinbehalt und einer Ablösungsmöglichkeit lediglich durch Bürgschaft mit Einredeverzicht. Es liege zudem eine sprachliche und inhaltliche Trennbarkeit der Regelungen vor. Der Streitfall sei vergleichbar mit demjenigen, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 2009 (VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374) zugrunde gelegen habe. Zudem, so meint die Revision, müsse die Klausel ergänzend dahin ausgelegt werden, dass die Parteien die Regelung der VOB/B vereinbart hätten, die keine Bürgschaft mit Einredeverzicht vorsehe. Denn die Parteien hätten die Geltung der VOB/B mit dem darin vorgesehenen Wahlrecht vereinbart und diese Regelung nicht abgeändert.
3. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
a) Die Sicherungsabrede zwischen der Klägerin und ihrer Auftragnehmerin unterscheidet sich strukturell nur unerheblich von derjenigen Klausel, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 2009 (XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278, Rn. 2) zugrunde lag. Allerdings hatte die Auftragnehmerin abweichend von jener Klausel die in § 17 Nr. 3 VOB/B (2002) eröffnete Wahl zwischen den Sicherheiten. Sie konnte also die Sicherheit durch auf Sperrkonto einzuzahlenden Einbehalt oder Hinterlegung von Geld oder durch Bürgschaft leisten, § 17 Nr. 2 VOB/B. Die Einräumung des Wahlrechts ändert allerdings nichts daran, dass die Auftragnehmerin einen Sicherungseinbehalt hinnehmen musste, wenn sie die anderen Sicherungsmöglichkeiten nicht wählte. Es macht keinen Unterschied, ob eine Klausel von vornherein einen Sicherungseinbehalt vorsieht, der nur durch Bürgschaft mit Einredeverzicht abgelöst werden kann, oder aber ein Wahlrecht, das letztlich keinen Vorteil bietet, der eine unterschiedliche Behandlung der Klauseln rechtfertigen könnte. Ein solcher Vorteil ist nicht zu erkennen. Es spielt keine Rolle, dass nach § 17 Nr. 6 Satz 2 VOB/B der Sicherungseinbehalt auf ein Sperrkonto einzuzahlen ist. Ebenso ist es ohne Belang, dass der Auftragnehmer die Möglichkeit hat, die Sicherheit durch Hinterlegung in Geld zu leisten. Denn diese Möglichkeiten führen nicht dazu, dass der Auftragnehmer den ihm nach der Abnahme gesetzlich zustehenden Werklohn ausgezahlt bekommt und damit Liquidität erlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 - VII ZR 210/06, BauR 2007, 1575, 1576 = NZBau 2007, 583 = ZfBR 2007, 671 für die Hinterlegung). Um diese Liquidität zu bekommen, muss er vielmehr die Bürgschaft mit Einredeverzicht stellen. Das ist, wie der XI. Zivilsenat (aaO, Rn. 26 ff.) überzeugend begründet hat, kein angemessener Ausgleich, weil der Bürge die dem Auftragnehmer zustehenden Einreden, die eine sofortige Auszahlung des so erlangten Werklohns an den Auftraggeber vermeiden können, nach der Klausel nicht erheben können soll, und so durch die Rückbelastung des Auftragnehmers diesem jedenfalls vorübergehend die Liquidität zu Unrecht wieder entzogen werden könnte. Zahlt der Bürge an den Auftraggeber, wird dem Auftragnehmer zudem erneut das Insolvenzrisiko überbürdet.
b) Aus allem folgt, dass die von den Parteien unter Einbeziehung der VOB/B in Nr. 12.2 und 12.3 ZVB getroffene Sicherungsabrede nicht deshalb wirksam ist, weil sie in sprachlich und räumlich getrennten Regelungen enthalten ist.
Eine solche Trennung liegt allerdings vor. Nr. 12.2 ZVB regelt lediglich die Verpflichtung zur Sicherheit in einer bestimmten Höhe, § 17 Nr. 2 und 3 VOB/B räumt das Wahlrecht zwischen verschiedenen Sicherheiten ein und in Nr. 12.3 ZVB sind die Anforderungen an die Bürgschaft formuliert.
In einer Regelung, die versucht, einen angemessenen Ausgleich für einen vereinbarten Sicherungseinbehalt zu formulieren, liegt jedoch trotz sprachlicher und räumlicher Trennung ihrer einzelnen Bestandteile eine geschlossene Konzeption. Diese zwingt zu einer einheitlichen, die wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien berücksichtigenden Gesamtbeurteilung des Regelungsgefüges. Sie kann durch Abtrennung sprachlich und räumlich abgesetzter Teile nicht aufrecht erhalten werden, weil damit die untrennbare Einheit aufgelöst würde (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278, Rn. 33 f.; Urteil vom 12. Februar 2009 - VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374, Rn. 20; Urteil vom 22. November 2001 - VII ZR 208/00, BauR 2002, 463, 464 = NZBau 2002, 151 = ZfBR 2002, 249). Eine solche Regelung enthält auch § 17 Nr. 2 bis 4 VOB/B. In gleicher Weise gilt das für eine Regelung, die sich an § 17 Nr. 2 bis 4 VOB/B anlehnt und lediglich die Anforderungen an die Bürgschaft abweichend formuliert. Auch dann sind Sicherungseinbehalt und Ablösungsrecht untrennbar miteinander verknüpft.
c) Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht.
Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet schon deshalb aus, weil eine lückenhafte Regelung nicht vorliegt. Nach der Rechtsprechung kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht, wenn die in einer Klausel enthaltene Regelung bei objektiver Betrachtung als vom Verwender bewusst abschließend gewählt anzusehen ist (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229, 236). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass eine ergänzende Vertragsauslegung von Sicherungsabreden, die eine Absicherung durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsehen, nicht in Betracht kommt, wenn der Auftraggeber diese Klauseln in Verträgen verwendet, die nach Bekanntwerden der Entscheidungen geschlossen werden, mit denen die Klauseln für unwirksam gehalten worden sind (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99, aaO; Urteil vom 9. Dezember 2004 - VII ZR 265/03, BauR 2005, 539, 541 f. = NZBau 2005, 219 = ZfBR 2005, 255).
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen der Klägerin und der B. GmbH im Jahre 2005 lag zwar eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Unwirksamkeit einer Abrede zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen, die einen Verzicht auf die Einrede gemäß § 768 BGB vorsieht, noch nicht vor. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Klägerin diese Vertragsgestaltung abschließend gewählt hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Problematik von Sicherungsabreden, die die Akzessorietät einer Bürgschaft teilweise aufheben, durch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit solcher Sicherungsabreden, die eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsehen, längst bekannt. Die Klägerin hat trotz der offen liegenden Problematik eine Konzeption gewählt, die die in § 768 BGB geregelte Akzessorietät der Bürgschaft in weiterem Umfang aufhebt als die Bürgschaft auf erstes Anfordern (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278, Rn. 25). Sie hat sich damit auch bewusst von der Konzeption der VOB/B gelöst, die in § 17 Nr. 4 VOB/B keine Bürgschaft mit Einredeverzicht, sondern lediglich eine Bürgschaft unter Verzicht auf die Vorausklage, § 771 BGB, vorsieht. Eine ergänzende Vertragsauslegung dahin, dass nunmehr die VOB/B gelten soll, würde sich in Widerspruch zu diesem bewussten Vertragswillen der Klägerin setzen.
III.
Die Klägerin trägt gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens.
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