Entscheidungsdatum: 04.08.2010
Der Beschwerde der Beklagten wird stattgegeben.
Das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. September 2008 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 985.665,46 €
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz für die Folgen einer mangelhaften Bauleistung in Anspruch.
Der Kläger beauftragte die Beklagte durch VOB/B-Vertrag vom 2./20. August 2000 mit Baumeisterarbeiten für die Errichtung einer Gewerbehalle, darunter die Herstellung einer Bodenplatte. Nach den vertraglich vereinbarten Ausführungsvorgaben sollte die Bodenplatte in einer Stärke von 20 cm mit Bewehrung ausgeführt werden. Tatsächlich betonierte die Beklagte die Bodenplatte ohne Bewehrung. Es zeigten sich Risse im Hallenboden, die zunächst saniert wurden. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger nun Erstattung der Kosten für den Austausch der unbewehrten Bodenplatte gegen eine solche mit Bewehrung (622.563,66 €) sowie Ersatz für entgangenen Gewinn (282.778,28 €). Darüber hinaus trägt er auf Feststellung an, dass die Beklagte ihm alle weiteren, ursächlich auf den Einbau einer fehlerhaften Bodenplatte zurückzuführenden Schäden zu ersetzen habe. Nach den Feststellungen des Landgerichts und des Berufungsgerichts wäre auch eine bewehrte Bodenplatte mit den ausgeschriebenen Beschaffenheiten mangels ausreichender Tragfähigkeit nicht funktionstauglich gewesen.
Das Landgericht hat ein Grund- und Teilurteil erlassen, mit dem es die Beklagte dem Grunde nach zum Schadensersatz unter Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs verurteilt und im Übrigen die beantragte Feststellung getroffen hat. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, der Kläger mit dem Ziel, den vom Landgericht mit einem Haftungsanteil von 25 % bemessenen Vorteilsausgleich auf die tatsächlich sich ergebenden Sowiesokosten von 14.314,23 € zu beschränken. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage begehrt. Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel teilweise stattgeben und unter Aufrechterhaltung des Feststellungsausspruchs die bezifferte Klageforderung ohne Einschränkung dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision hat es nicht zugelassen.
II.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.
1. Das Berufungsgericht hält die Beklagte gemäß § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B (2000) für verpflichtet, dem Kläger den ursächlich auf den Austausch der Bodenplatte zurückzuführenden Schaden zu erstatten. Es entnimmt dem Vorbringen der Beklagten keinen Sachverhalt, nach dem der Kläger auf diesen Anspruch verzichtet habe oder es ihm nunmehr gemäß § 242 BGB verwehrt sei, Schadensersatz für den Austausch der Bodenplatte zu verlangen. Das gelte auch in Ansehung des Umstandes, dass im Gutachten des Sachverständigen S. vom 20. Oktober 2000 die Kosten für den Abbruch und die Neuherstellung der Bodenplatte in der seinerzeit noch nicht in Benutzung genommenen Halle lediglich mit 86.000 DM veranschlagt worden seien. Denn spätestens mit Schreiben des Klägers vom 9. Oktober 2000 sei der Beklagten bekannt gewesen, dass der Kläger eine unbewehrte Bodenplatte nicht akzeptieren würde. Ab diesem Zeitpunkt sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die unbewehrte Bodenplatte durch eine mit Bewehrung zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, durch den Einzug des Klägers in die Werkhalle seien die Mängelbeseitigungskosten nun um ein Vielfaches höher, als sie vor diesem Zeitpunkt gewesen wären. Allerdings müsse der Kläger diejenigen Kosten selbst tragen, die durch solche Maßnahmen verursacht würden, die die Beklagte nach dem Vertrag gar nicht hätten erbringen müssen ("Sowieso-Kosten").
2. Damit übergeht das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Tatsachenvorbringen der Beklagten insbesondere im Schriftsatz vom 4. Januar 2006 sowie in der Berufungsbegründungsschrift vom 28. April 2008.
a) Dort hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe im Schreiben vom 16. Oktober 2000 zwar ausgeführt, die fehlende Bewehrung sei vertragswidrig. Er habe jedoch selbst als Mängelbeseitigungsmaßnahme ein Verdübeln und Vergießen der Risse vorgesehen und mitgeteilt, er werde vor Ausführung dieser Mängelbeseitigung das Gutachten des Ingenieurbüros S. abwarten; nach Erhalt werde er wieder auf die Beklagte zukommen. Aus diesem Umstand und daraus, dass die sodann nach Vorlage des Gutachtens einverständlich vorgenommene Sanierung durch Beseitigung der Risse vorbehaltlos abgenommen und die Halle in Benutzung genommen worden sei, hat sie den Schluss gezogen, der Kläger habe sich mit der vom Sachverständigen S. vorgeschlagenen Sanierung des Hallenbodens durch Beseitigung der dort vorhandenen Risse einverstanden erklärt. Deshalb sei es treuwidrig und damit rechtsmissbräuchlich, wenn er nun von der Beklagten gleichwohl Schadensersatz in Höhe der Kosten für die Entfernung des vorhandenen sowie die Einbringung eines bewehrten Hallenbodens verlange.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte den Austausch der Bodenplatte kostengünstig vor der Ingebrauchnahme der Halle ausführen können und müssen, weil ihr bereits durch die Schreiben des Klägers vom 9. Oktober 2000 und vom 16. Oktober 2000 und damit lange vor jenem Zeitpunkt bewusst gewesen sei, hierzu verpflichtet zu sein, belegt, dass es diesen Vortrag nicht vollständig zur Kenntnis genommen hat. Denn aus ihm ergibt sich im Hinblick darauf, dass der Kläger selbst die Beseitigung der Risse vorgesehen hat, und den Umstand, dass nach Vorlage des Gutachtens eine derartige Sanierung auch einverständlich durchgeführt worden ist, ohne weiteres ein im Widerspruch zur Auffassung des Berufungsgerichts stehendes Verhalten des Klägers, welches der Beklagten berechtigten Anlass für die Annahme bot, nicht mehr mit dem Verlangen des Klägers konfrontiert zu werden, unter Zerstörung des Sanierungsergebnisses eine bewehrte Bodenplatte herzustellen. Das Berufungsgericht war gehalten, sich mit dem Sachverhalt zu befassen, weil er einen entscheidungserheblichen Kern des Sachvortrags betraf.
b) Dieser Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör kann entscheidungserheblich sein.
Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Beschwerde, der Anspruch des Klägers scheitere schon daran, dass der Kläger keinen Schaden erlitten habe. Der Schaden liegt darin, dass die Beklagte eine nicht funktionsgerechte, der Ausschreibung nicht entsprechende Bodenplatte hergestellt hat.
Das Berufungsgericht musste über den, hier von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren zudem ausdrücklich erhobenen Einwand eines etwaigen Mitverschuldens von Amts wegen (BGH, Urteil vom 26. Juni 1990 - X ZR 19/89, NJW 1991, 166, 167) befinden, weil ein Feststellungsurteil, das unter dem Vorbehalt eines später zu bestimmenden Mitverschuldens ausgesprochen wird, unzulässig ist (BGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - IX ZR 5/00, NJW 2003, 2986; Urteil vom 13. Mai 1997 - VI ZR 145/96, NJW 1997, 3176, 3177). Diese Prüfung hat es nicht erkennbar vorgenommen, sondern die insoweit in Betracht zu ziehenden tatsächlichen Umstände lediglich unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Anspruchverzichts und der Rechtsmissbräuchlichkeit beurteilt. Durch die Zurückverweisung erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, diese rechtliche Beurteilung unter Berücksichtigung des bisher übergangenen Sachvortrages der Beklagten erneut vorzunehmen. Darüber hinaus wird es nun die nach diesem Vortrag nahe liegende Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass der Kläger durch sein Verhalten gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung verstoßen hat, § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB.
Das kann dazu führen, dass die Beklagte nicht oder nur anteilig für den bezifferten Schaden haftet und ihre Einstandspflicht für alle weiteren, durch die Erneuerung der Bodenplatte entstehenden Schäden nicht oder nur eingeschränkt festgestellt werden kann.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Bedenken gegen die Auffassung des Berufungsgerichts hin, der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B (2000). § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B betrifft grundsätzlich gerade nicht den aus dem Mängelbeseitigungsaufwand abgeleiteten Schaden. Er ist allenfalls dann erfasst, wenn der Auftrag entzogen oder der Erfüllungsanspruch anderweitig erloschen ist (vgl. Ingenstau/Korbion/Oppler, VOB, Teil B, 17. Aufl., § 4 Abs. 7 Rdn. 29 f.). Dazu sind bisher keine Feststellungen getroffen.
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