Entscheidungsdatum: 05.08.2010
Das Honorar für die Leistungsphasen 5 bis 7 des § 15 Abs. 2 HOAI bestimmt sich nach den durch den Kostenanschlag nachgewiesenen anrechenbaren Kosten. Nachträge, die nach der Vergabe an einen Bauunternehmer entstehen, dürfen in die Berechnung der anrechenbaren Kosten für diese Leistungsphasen nicht einbezogen werden .
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. Dezember 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung eines 147.446,15 € überschreitenden Betrages nebst Zinsen und von mehr als 3.190 € außergerichtlicher Kosten verurteilt worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
In der Revision geht es nur noch darum, ob die Klägerin bei der Abrechnung ihres Architektenhonorars für die Leistungsphasen 5 bis 7 des § 15 Abs. 2 HOAI einen um die Nachträge fortgeschriebenen Kostenanschlag zugrunde legen darf.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin im Jahre 2002 mit der Erbringung von "Generalplanerleistungen". Die Klägerin verlangt mit ihrer Schlussrechnung noch restliches Architektenhonorar. Der im ersten Rechtszug auf Zahlung von 933.779,47 € gerichteten Klage hat das Landgericht in Höhe von 12.647,97 € sowie von 1.507,20 € vorgerichtlichen Kosten stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht 283.063,68 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Kosten von 5.360 € zugesprochen. Dabei hat das Berufungsgericht von der Beklagten in Abzug gebrachte Positionen zuerkannt, die auf einer Kostenerhöhung durch Unternehmernachträge während der Bauphase beruhen und die nunmehr in der Revision im Streit sind.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, die Klage in Höhe des Betrages von 135.617,53 € nebst Zinsen und anteiliger vorgerichtlicher Kosten von 2.170 € abzuweisen.
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hält die von der Beklagten in den vorbezeichneten Positionen vorgenommenen Rechnungskürzungen für nicht gerechtfertigt. Es geht davon aus, dass das Honorar für die Leistungsphasen 5 bis 7 des § 15 Abs. 2 HOAI unter Zugrundelegung der DIN 276 nach dem Kostenanschlag zu ermitteln sei. Die angesetzten Nachträge seien dergestalt zu berücksichtigen, dass der Kostenanschlag fortzuschreiben sei. Jedenfalls dann, wenn es sich wie hier um Nachträge handele, mit denen der Architekt im Rahmen der Leistungsphasen 5 bis 7 des § 15 Abs. 2 HOAI befasst sei und die auf vom Auftraggeber veranlassten Änderungen beruhten, sei dies gerechtfertigt. Allein diese Sichtweise werde dem Umstand gerecht, dass es in der Planungsrealität keinen statischen Zeitpunkt für die Erstellung eines Kostenanschlags gebe. Weder die DIN 276 noch die HOAI unterschieden zwischen Angebot und Nachtragsangebot.
Die Kosten beruhten vorliegend auch nicht auf Planungsversäumnissen der Klägerin. Dies habe weder die Beklagte behauptet noch sei das sonst ersichtlich. Auch gehe es nicht um einfache Massenänderungen, sondern um der Beklagten bekannte Nachtragsangebote.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Für die Beurteilung des Honoraranspruchs der Klägerin ist die Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und Ingenieure (HOAI) in der Fassung durch die 5. Verordnung zur Änderung der HOAI vom 21. September 1995 (BGBl. I 1174) maßgeblich.
2. Das Honorar eines Architekten für Grundleistungen bei Gebäuden, Freianlagen und raumausbildenden Ausbauten richtet sich unter anderem nach den anrechenbaren Kosten des Objekts, § 10 Abs. 1 HOAI. Die anrechenbaren Kosten für die Leistungsphasen 5 bis 7 sind unter Zugrundelegung der DIN 276 in der Fassung vom April 1981 grundsätzlich nach dem Kostenanschlag zu ermitteln, § 10 Abs. 2 Nr. 2 HOAI.
3. Der Kostenanschlag dient nach DIN 276 Teil 3 Ziff. 3 zur genauen Ermittlung der tatsächlich zu erwartenden Kosten durch die Zusammenstellung von Auftragnehmerangeboten, Eigenberechnungen, Honorar- und Gebührenberechnungen und anderen für das Baugrundstück, die Erschließung und die vorausgehende Planung bereits entstandenen Kosten. Die Grundlagen für den Kostenanschlag sind in Ziff. 3 a) bis c) benannt.
4. In der Literatur ist streitig, ob der Kostenanschlag zum Zwecke der Honorarermittlung durch Nachträge fortgeschrieben werden kann oder ob Nachträge, die während der Bauphase entstehen, nicht mehr berücksichtigt werden können.
a) Die wohl herrschende Meinung ist der Auffassung, der Kostenanschlag sei wegen der anrechenbaren Kosten aus Nachträgen jedenfalls dann fortzuschreiben, wenn diese nicht auf Planungsfehlern des Architekten beruhten und der Architekt mit den Nachträgen befasst sei. Dies stehe im Einklang mit der DIN 276 Teil 3 Ziff. 3, wonach der Kostenanschlag auf der Grundlage der endgültigen Ausführungsunterlagen zu erstellen sei und selbst ein Instrument der Kostenkontrolle darstelle. Der Kostenanschlag sei erst dann abgeschlossen, wenn die letzte benötigte Leistung ausgeschrieben und vergeben sei. Eine Differenzierung zwischen ursprünglichen und später erteilten Aufträgen sei in der DIN 276 nicht vorgesehen. Im Hinblick auf den dynamischen Planungsprozess und den Umstand, dass Vergaben nicht gleichzeitig, sondern gestaffelt erfolgten, sei es nicht interessengerecht, der Honorarermittlung einen statischen Kostenanschlag zugrunde zu legen. Im Einzelnen wird noch differenziert zwischen den Nachträgen wegen zusätzlicher oder geänderter Leistungen (vgl. Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 12. Teil Rn. 185; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl., § 10 Rn. 24; Seifert in Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 7. Aufl., § 10 Rn. 26; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rn. 824; Pott/Dahlhoff/Kniffka/Rath, HOAI, 8. Aufl., § 10 Rn. 14; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 5. Aufl., Rn. 462; Obermiller, BauR 2007, 22; Vogelheim, NZBau 2004, 577, 579 f.; Meurer, BauR 2003, 338, 331).
b) Demgegenüber wird vertreten, die Systematik der HOAI setze für die Honorarermittlung einen statischen Kostenanschlag voraus, der nicht fortgeschrieben werden dürfe. Würde man das anders sehen, würde das durch die 5. Verordnung zur Änderung der HOAI verfolgte Ziel, das Honorar von den mit der Kostenfeststellung ermittelten Kosten abzukoppeln, nicht erreicht (Stemmer/Wierer, BauR 2006, 1058 ff.).
5. Die herrschende Meinung ist mit der Systematik der HOAI und dem mit der 5. Verordnung zur Änderung der HOAI verfolgten Zweck, das Honorar des Architekten von den tatsächlichen Kosten abzukoppeln, nicht vereinbar. Nachträge, die nach der Vergabe einer Bauleistung an einen Unternehmer entstehen, dürfen bei dem der Honorarermittlung zugrunde zu legenden Kostenanschlag nicht berücksichtigt werden.
a) Den in DIN 276 Teil 3 definierten Kostenermittlungen liegt jeweils ein bestimmter Planungsstand zugrunde. Art, Umfang und Genauigkeit der Kostenermittlungen sind abhängig vom jeweiligen Stand der Planung, von verfügbaren Angaben und Erfahrungswerten sowie - im Falle der Kostenfeststellung - von den Abrechnungsunterlagen (vgl. DIN 276 Einleitung zu Teil 3 Ziff. 3).
Nach dem Honorierungssystem der HOAI hängt demnach das Honorar von den anrechenbaren Kosten ab, die nach dem jeweiligen Planungsstand den Kostenermittlungen zugrunde zu legen sind. Änderungen dieses Planungsstandes können deshalb grundsätzlich nicht mehr zu einer Änderung der honorarrechtlich maßgeblichen Kostenermittlung führen (vgl. Seifert in Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 7. Aufl., § 10 Rn. 26). Sie werden honorarrechtlich dadurch berücksichtigt, dass in der HOAI ein differenziertes System von vier Kostenermittlungen entwickelt ist, das die Grundlage für die Honorierung der verschiedenen Leistungen eines Architekten ist. Kostenveränderungen, die dadurch entstehen, dass nach einer Kostenermittlung die Planung verfeinert wird, finden bei der Honorierung grundsätzlich erst in der nächsten Kostenermittlung Berücksichtigung. Die HOAI nimmt es mit diesem Honorierungssystem in Kauf, dass sich ein möglicherweise erhöhter Leistungsaufwand nicht unbedingt in einer Erhöhung der anrechenbaren Kosten und damit einer Erhöhung des Honorars widerspiegelt. Aus diesem Grund kann nicht allein aus dem Umstand, dass der Architekt möglicherweise auch Leistungen für Nachträge (wie Planung, Ausschreibung oder Mithilfe bei der Vergabe) erbringen muss, hergeleitet werden, die anrechenbaren Kosten seien bei der Berechnung dieser Leistungen zu erhöhen.
Entscheidend ist vielmehr allein die Frage, welcher Planungsstand maßgeblich für die Honorierung der Leistungsphasen 5 bis 7 ist. Das ist der Planungsstand vor der Vergabe der bis dahin vorgesehenen Bauleistung an den Unternehmer. Die HOAI geht erkennbar unter Bezug auf die DIN 276 und auch durch die systematische Einordnung des Kostenanschlags in die Leistungsphase 7 des § 15 Abs. 2 HOAI davon aus, dass dem Kostenanschlag dieser Planungsstand zugrunde liegt. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, dass sich nach der Vergabe an den Unternehmer höhere Kosten durch Nachträge ergeben. Unerheblich ist insoweit auch, ob der Architekt Leistungen für die Nachträge erbringt, die den Leistungsphasen 5 bis 7 zuzuordnen sind. Diese Leistungen sind nicht nach den durch Nachträge erhöhten anrechenbaren Kosten, sondern nach den anrechenbaren Kosten abzurechnen, die sich nach dem Planungsstand vor der Vergabe ergeben.
b) Es muss hier nicht geklärt werden, wann und in welcher Weise ein Kostenanschlag sinnvoll erstellt wird, sofern nicht alle Leistungen - wie das bei größeren Bauvorhaben regelmäßig der Fall ist - gleichzeitig vergeben werden (vgl. dazu Stemmer/Wierer, BauR 2006, 1060 f.). Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass die DIN 276 nicht nur von einem Kostenanschlag ausgeht. Vielmehr ist es nach Einleitung DIN 276 Teil 3 zweckmäßig, getrennte Kostenermittlungen für zeitlich oder räumlich abgrenzbare Abschnitte vorzunehmen. Diese Trennung ist sinnvoll, weil durch sie eine größere Genauigkeit erreicht werden kann. Das gilt insbesondere für Kostenanschläge, deren Genauigkeit und Verlässlichkeit vor allem mit der Vorlage der Angebote steigt.
c) Der Senat muss auch nicht entscheiden, zu welchen Maßnahmen der Architekt vertraglich verpflichtet ist oder werden kann, um eine ständige Kostenkontrolle zu gewährleisten. Insoweit kann es angebracht sein, den Kostenanschlag oder gegebenenfalls die Kostenanschläge fortzuschreiben. Diese Vertragspflichten zur Kostenkontrolle können jedoch nicht maßgeblich sein für die Beurteilung der Frage, von welchen Vorgaben die Honorierung des Architekten abhängt (Vogelheim, NZBau 2004, 579 f.). Insoweit ist allein die HOAI maßgeblich. Nach deren Systematik können solche Nachträge nicht die anrechenbaren Kosten beeinflussen, die nach der Vergabe an den jeweiligen Unternehmer beauftragt worden sind. Die durch die Nachträge entstandenen Kosten sind allein bei der Kostenfeststellung zu berücksichtigen. Das folgt ohne weiteres aus DIN 276 Teil 3 Ziff. 4. Danach sind Grundlagen der Kostenfeststellung auch die Begründung und Beschreibung von Änderungen oder nachträglichen bzw. zusätzlichen Leistungen gegenüber dem Kostenanschlag. Diese Normierung in DIN 276 Teil 3 Ziff. 4 wäre nicht verständlich, wenn der Kostenanschlag wegen der nachträglichen und zusätzlichen Leistungen fortgeschrieben würde. Dann gäbe es keine Änderungen gegenüber dem Kostenanschlag.
d) Muss der Architekt im Zusammenhang mit Nachträgen an die Unternehmer erneute Grundleistungen erbringen, steht ihm ein weiteres Honorar hierfür zu (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - VII ZR 42/05, BGHZ 173, 314 Rn. 28). Diese Frage steht nicht im Zusammenhang mit der Beurteilung des Honorars für die nach dem Vertrag bereits geschuldeten Planungsleistungen.
e) Die honorarrechtliche Nichtberücksichtigung von Nachträgen im Kostenanschlag wird auch dem mit der 5. Verordnung zur Änderung der HOAI verfolgten Ziel gerecht, das Honorar von den tatsächlichen Kosten abzukoppeln. Die Verteuerung von Bauvorhaben ist in erster Linie auf Nachträge wegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen zurückzuführen. Der Verordnungsgeber wollte offenbar vermeiden, dass der Architekt von einer solchen Verteuerung bei seinem Honorar für die Leistungsphasen 5 bis 7 profitiert. Vielmehr sollten nach der Begründung zur Änderungsnovelle die Leistungsphasen 5 bis 7 "endgültig" nach dem Kostenanschlag zu berechnen sein (BR-Drucks. 238/94, S. 65). Eine Fortschreibung des Kostenanschlags wegen solcher Nachträge würde diese Endgültigkeit in Frage stellen und zudem das Ziel verfehlen. Vielmehr würde der Kostenanschlag durch die Fortschreibung weitgehend die tatsächlichen Kosten widerspiegeln und sich damit der Kostenfeststellung annähern.
III.
Das Urteil des Berufungsgerichts kann keinen Bestand haben. Da es keine verlässlichen Feststellungen zur Honorarhöhe ohne Berücksichtigung der Nachträge enthält, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Kniffka Kuffer Bauner
Safari Chabestari Eick