Entscheidungsdatum: 22.03.2012
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, einem Tierarzt, wegen einer mangelhaft durchgeführten Ankaufsuntersuchung eines Pferdes Schadensersatz.
Die Klägerin kaufte am 7. März 2009 von B. den Wallach R. zum Preis von 33.500 €. Der Beklagte hatte an diesem Tag zuvor im Auftrag der Klägerin eine Ankaufsuntersuchung durchgeführt. Als deren Ergebnis hielt er in seinem Untersuchungsbericht fest, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht festzustellen seien und die radiologischen Befunde nur ein geringes Risiko für eine etwaige Lahmheit darstellten. Nachdem das Pferd bereits kurz nach seiner Übergabe zumindest unklar lief und später lahmte, ließ die Klägerin es durch einen anderen Tierarzt untersuchen. Dieser stellte bei einer röntgenologischen Untersuchung krankhafte Veränderungen an den Vorderbeinen und dem Rücken fest. Die Klägerin erklärte daraufhin mit Schreiben vom 16. Juni 2009 gegenüber B. den Rücktritt vom Vertrag. Der auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Rechtsstreit mit der Verkäuferin wurde durch Vergleich beendet. Darin verpflichtete sich B., an die Klägerin 8.375 € bis 30. Juli 2010 zu zahlen. Dieser Verpflichtung ist die Verkäuferin nachgekommen.
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe die von ihm gefertigten Röntgenaufnahmen falsch befundet. Das Pferd habe bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung erhebliche gesundheitliche Mängel gehabt und deshalb alsbald nach Abschluss des Kaufvertrags gelahmt.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe des restlichen Kaufpreises von 25.125 € sowie Ersatz von Aufwendungen zum Unterhalt des Pferdes in Höhe von 11.337,52 € Zug um Zug gegen Übereignung des Pferdes. Daneben begehrt sie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für zukünftige Unterhaltskosten des Pferdes.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderungen weiter.
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stünden die geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten nicht zu. Es könne dahinstehen, ob der Klägerin aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Werkvertrag ein Schadensersatzanspruch zugestanden habe, weil der Beklagte im Rahmen der Ankaufsuntersuchung die gefertigten Röntgenbilder unzutreffend und medizinisch nicht mehr vertretbar befundet habe und die Klägerin hierdurch zum Kauf von R. veranlasst worden sei. Denn ein etwaiger Anspruch sei durch den mit B. geschlossenen gerichtlichen Vergleich erloschen. Der Beklagte und die Verkäuferin seien im Hinblick auf die Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz Gesamtschuldner. Dem mit B. geschlossenen Vergleich komme eine beschränkte Gesamtwirkung zu. Die gegen den Beklagten gerichtete Forderung sei damit durch den Vergleich in dem Umfang erlassen, in dem die Verkäuferin im Innenverhältnis der Gesamtschuldner den Schaden zu tragen habe. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen seien deswegen entstanden, weil B. ein mangelhaftes Pferd geliefert habe und darüber hinaus dem Verlangen, das Pferd zurückzunehmen, nicht nachgekommen sei. Sie habe daher im Innenverhältnis der Gesamtschuldner den Schaden allein zu tragen; auf ein Versagen des Beklagten bei der ihrer "Überwachung" dienenden Ankaufsuntersuchung könne sich die Verkäuferin nicht berufen.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Für das Revisionsverfahren ist mangels anderer Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass der Beklagte entsprechend dem Vortrag der Klägerin seine Pflichten aus dem Vertrag über die Ankaufsuntersuchung verletzt hat, weil er die ihm vorliegenden Röntgenaufnahmen unzutreffend und medizinisch nicht mehr vertretbar befundet und damit bei dem Pferd bereits am 7. März 2009 vorliegende Mängel nicht festgestellt hat.
2. Der mit der Ankaufsuntersuchung beauftragte Tierarzt schuldet einen fehlerfreien Befund. Erfüllt er insoweit seine Pflichten nicht, haftet er, weil der Vertrag als Werkvertrag einzuordnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1983 - VII ZR 174/81, BGHZ 87, 239), gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz des Schadens, der bei seinem Vertragspartner dadurch entstanden ist, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat.
3. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass eine gesamtschuldnerische Haftung der Verkäuferin und des beklagten Tierarztes in Betracht kommt, wenn das Pferd bei Gefahrübergang einen Mangel aufwies, den der Tierarzt bei einer sorgfältigen Untersuchung hätte erkennen und der Käuferin mitteilen müssen. Dies hat der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils in zwei vergleichbaren Fällen entschieden. Auf die dortige Begründung wird Bezug genommen (BGH, Urteile vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 7/11, MDR 2012, 214 und VII ZR 136/11, MDR 2012, 216).
4. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht die Annahme, die Verkäuferin habe mit der Klägerin eine beschränkte Gesamtwirkung des Vergleichs vereinbart mit der Folge, dass deren Ansprüche gegen den Beklagten auf Ersatz des ihr infolge des Kaufs des Pferdes entstandenen Schadens erloschen sind.
a) Ein Gesamtschuldner kann mit dem Gläubiger gemäß § 423 BGB zugunsten eines anderen Gesamtschuldners vereinbaren, dass dessen Inanspruchnahme ausgeschlossen ist, soweit dieser sich im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs bei dem die Vereinbarung schließenden Gesamtschuldner schadlos halten könnte (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2000 - IX ZR 39/99, NJW 2000, 1942; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1398; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 601; OLG Hamm, BauR 1997, 1056; Kniffka, BauR 2005, 274, 282 ff.). Insoweit kommt ein Vertrag zugunsten des am Vergleich nicht beteiligten Gesamtschuldners in Betracht (BGH, Urteil vom 21. März 2000 - IX ZR 39/99, aaO; Urteil vom 9. März 1972 - VII ZR 178/70, BGHZ 58, 216, 220); dieser ist kraft der gesetzlichen Anordnung des § 423 BGB nicht dadurch ausgeschlossen, dass ansonsten gemäß § 328 BGB ein Erlassvertrag zugunsten Dritter nicht möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1994 - XI ZR 183/93, BGHZ 126, 261, 266).
b) Dazu, dass die Parteien eine solche beschränkte Gesamtwirkung gewollt haben, hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Der Umstand, dass der Vergleichspartner - wie das Berufungsgericht annimmt - im Innenverhältnis allein haftet (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2000 - IX ZR 39/99, NJW 2000, 1942; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1398), reicht insoweit nicht aus. Es kommt auf den Willen der Parteien an, ihn auch von dem Risiko zu befreien, dass der Vergleich durch einen Gesamtschuldnerausgleich ganz oder teilweise wertlos wird. Ohne weitere Anhaltspunkte aus dem Vergleich oder den ihm zugrunde liegenden Verhandlungen kann von einem solchen Willen nicht ausgegangen werden (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 7/11, aaO).
Ein dahingehender übereinstimmender Wille ergibt sich aus den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen nicht. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die Verkäuferin ein Interesse daran hatte, mit Abschluss des Vergleichs und Zahlung des Vergleichsbetrags im Hinblick auf Mängel des Pferdes jeglicher Haftung enthoben zu sein und damit auch keinen Ausgleichsforderungen des von der Klägerin eventuell zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch genommenen Beklagten ausgesetzt zu sein. Dagegen sind keine hinreichenden Umstände für einen Willen der Klägerin ersichtlich, die Verkäuferin von dem Risiko einer weiteren Inanspruchnahme im Rahmen eines möglichen Gesamtschuldnerausgleichs zu befreien. Ein Gläubiger hat grundsätzlich ein Interesse daran, sich bei dem anderen Gesamtschuldner schadlos halten zu können. Dass die Klägerin bei Abschluss des Vergleichs mit der Verkäuferin ein derartiges Interesse nicht besaß, lässt sich nicht daraus ableiten, dass sie die mögliche Haftung des Beklagten im Rechtsstreit gegen die Verkäuferin in der Klageschrift angesprochen hatte. Denn damit hat die Klägerin nicht zum Ausdruck gebracht, allein die Verkäuferin in Anspruch nehmen zu wollen oder diese von über den Vergleichsbetrag hinausgehenden Forderungen im Zusammenhang mit den Mängeln des Pferdes freistellen zu wollen.
5. Die Klägerin verstößt auch nicht gegen §§ 242, 254 BGB, wenn sie nach Abschluss des Vergleichs mit der Verkäuferin nunmehr den Beklagten in Anspruch nimmt.
Dem Gläubiger steht es frei, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nimmt. Ihm kann grundsätzlich nicht als Verschulden bei der Obliegenheit zur Schadensminderung angelastet werden, den Schuldner seiner Wahl in Anspruch genommen zu haben. Der Gläubiger darf allerdings bei seiner Entscheidung, gegen welchen Schuldner er vorgeht, nicht jede Rücksichtnahme vermissen lassen. Er hat vielmehr seine Rechte nach Treu und Glauben auszuüben, § 242 BGB (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 136/11, aaO).
Der Senat hat in dieser Entscheidung offen gelassen, ob es unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geboten sein kann, dass der Käufer des Pferdes zunächst den Verkäufer auf Rückabwicklung in Anspruch nimmt, weil das Pferd letztlich an den Verkäufer zurückzugeben sein dürfte. Insoweit hat er ausgeführt, dass dies der Fall sei, wenn die Rückabwicklung der einfachere und jedenfalls nicht aufwändigere Weg der Schadloshaltung sei.
Die Klägerin hat diesen Weg beschritten. Sie hat die Verkäuferin auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in Anspruch genommen und versucht, ihre Ansprüche gegen sie gerichtlich durchzusetzen. Es kann ihr nicht angelastet werden, dass sie davon abgesehen hat, den Rechtsstreit gegen die Verkäuferin weiterzuführen und insbesondere klären zu lassen, ob das Pferd die behaupteten Mängel bei Übergabe aufwies. Dies könnte der Klägerin allenfalls dann zum Nachteil gereichen, wenn für diese Vorgehensweise kein vernünftiger Grund bestanden hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Die Klägerin hat sich vielmehr im Hinblick auf die vom Gericht als zweifelhaft angesehenen Erfolgsaussichten ihrer Klage auf dessen Vorschlag auf eine vergleichsweise Regelung mit der Verkäuferin geeinigt.
III.
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache war zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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