Entscheidungsdatum: 08.03.2012
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. Juni 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 30.372,54 € zuzüglich Zinsen verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts München zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) nach beiderseits gekündigtem Vertrag über Wärmedämmarbeiten Vergütung für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen.
Am 30. Juli 2002 beauftragte der Beklagte die Schuldnerin mit der Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems für sein Bauvorhaben. Der Vertrag, in dem die Geltung der VOB/B (2000) vereinbart wurde, gliedert die inhaltlich gleichen Dämmarbeiten in drei Bauabschnitte. Als verbindlicher Fertigstellungstermin für sämtliche Arbeiten der Schuldnerin an den Fassaden wurde der 15. November 2002 festgelegt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sich diese Ausführungsfrist durch Anordnungen des Beklagten nach § 6 Nr. 2 Abs. 1 Buchst. a) VOB/B (2000) verlängert hat.
Am 7. November 2002 schrieb der Beklagte an die Schuldnerin:
"Der Arbeitsfortschritt ist nicht ausreichend. Laut Vertrag … sollten sämtliche Arbeiten an den Fassaden am 15. November 2002 abgeschlossen sein. Wegen eventuell neu hinzugekommener Leistungen wird diese Frist verlängert um 1 Woche, also bis 22.11.02. … (Der Beklagte) bittet, die Arbeiten bis dahin zu erledigen. Falls die Arbeiten bis dahin nicht beendet sind, also bei fruchtlosem Ablauf der Frist, wird der … (Schuldnerin) der Auftrag ganz oder teilweise entzogen."
Im Schreiben vom 17. November 2002 teilte der Beklagte der Schuldnerin weiter mit:
"… die Argumente im Fax … dürften keine Fristverlängerung begründen. Aus Kulanz wird … die Frist vom 22.11.02 verlängert um weitere zwei Wochen, also bis 5.12.2002. Bis dahin müssen sämtliche Arbeiten beendet sein. Ansonsten wird der Auftrag entzogen."
Nach dem 5. Dezember 2002 erbrachte die Schuldnerin weitere Leistungen im Bauabschnitt 1, die der Beklagte vorbehaltlos entgegennahm. Mit Schreiben vom 10. Januar 2003 kündigte der Beklagte die Bauabschnitte 2 und 3 wegen Verzugs. Da die Schuldnerin diese Kündigung für unwirksam hielt, kündigte sie ihrerseits - nachdem sie den Beklagten zuvor erfolglos aufgefordert hatte, von seiner Kündigung Abstand zu nehmen - den Vertrag mit Schreiben vom 28. Februar 2003 aus wichtigem Grund. Die Arbeiten am Bauabschnitt 1 sind von der Schuldnerin zu ca. 80 % fertiggestellt worden. In den Bauabschnitten 2 und 3 erbrachte sie hingegen keine Leistungen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 124.071,20 € nebst Zinsen stattgegeben, worin Werklohn für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 91.771,29 € enthalten war. Das Berufungsgericht hat nach Berufung des Beklagten und Anschlussberufung des Klägers dem Kläger weitergehende Zinsen zugesprochen.
Der Senat hat mit Urteil vom 20. August 2009 (VII ZR 212/07, BauR 2009, 1736 = NZBau 2010, 47 = ZfBR 2010, 48) das Urteil des Berufungsgerichts unter anderem im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 25.641,63 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Er hat in diesem Urteil entschieden, dass die Teilkündigung des Beklagten unwirksam, die darauf folgende Kündigung der Schuldnerin dagegen wirksam gewesen sei. In Betracht komme ein Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 280 Abs. 1 BGB. Der Schaden bestehe in der für die nicht erbrachten Leistungen vereinbarten Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigen oder böswillig unterlassenen Erwerbs. Ungeklärt sei jedoch, inwieweit die Schuldnerin ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens treffe. Insoweit sei der Einwand des Beklagten zu prüfen, dass die Schuldnerin die Kündigung durch Überschreitung der Vertragsfristen provoziert habe und er berechtigt gewesen sei, den gesamten Vertrag zu kündigen.
Das Berufungsgericht hat den Beklagten nach neuer Verhandlung verurteilt, an den Kläger 122.143,83 € zuzüglich Zinsen zu zahlen. Mit der vom Senat wiederum zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Klageabweisung insoweit weiter, als er zur Zahlung von mehr als 30.372,54 € nebst Zinsen verurteilt worden ist (Verurteilungsbetrag von 122.143,83 € abzüglich Ansatz für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 91.771,29 €).
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit der Beklagte zur Zahlung von mehr als 30.372,54 € nebst Zinsen verurteilt worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch des Klägers nach § 280 Abs. 1 BGB in Höhe von 91.771,29 €. Ein Mitverschulden der Schuldnerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB lehnt es dabei ab. Für die Beurteilung des Mitverschuldens komme es entscheidend darauf an, ob sich die Schuldnerin im Zeitpunkt der unzulässigen Teilkündigung des Beklagten am 10.Januar2003 in Verzug befunden habe. Dies sei nicht der Fall. Ein Verzug folge nicht aus der Überschreitung der ursprünglichen Vertragsfrist. Es könne dahinstehen, ob die ursprüngliche Frist infolge nachträglicher Auftragsänderungen durch den Beklagten als gegenstandslos angesehen werden müsse. Denn aus den vom Beklagten vorgetragenen, einseitig aus Kulanz vorgenommenen Fristverlängerungen bis zum 10. Januar 2003 habe die Schuldnerin entnehmen dürfen, dass der Beklagte an der ursprünglichen Vertragsfrist nicht habe festhalten wollen.
Ein Verzug der Schuldnerin folge auch nicht aus der Überschreitung der mehrmals bis zum 10. Januar 2003 verlängerten Frist. Aus der einseitigen Verlängerung der Vertragsfrist folge zwar die Aufgabe der ursprünglichen Frist, nicht aber, dass der neue Termin zur Vertragsfrist im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB werde. Dafür fehle die notwendige Vereinbarung mit dem Vertragspartner.
Infolgedessen könne Verzug nur durch Mahnung nach Fälligkeit eintreten. Da ab 9. Dezember 2002 wegen Kälte nicht habe weitergearbeitet werden können, seien ab diesem Zeitpunkt nach dem Bauvertrag keine Leistungen der Schuldnerin fällig gewesen. In den Witterungsbedingungen liege kein von der Schuldnerin zu vertretendes Leistungshindernis. Demzufolge seien Mahnungen des Beklagten, die auch seiner einseitigen Fristverlängerung zu entnehmen sein könnten, nach dem 9. Dezember 2002 mangels Fälligkeit unwirksam. Mahnungserklärungen vor dem 9. Dezember 2002 wirkten nicht bis zum 10. Januar 2003 fort. Im Zeitpunkt der unzulässigen Teilkündigung am 10. Januar 2003 habe sich die Schuldnerin somit nicht in Verzug befunden, der spätestens am 9. Dezember 2002 geendet habe.
II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Ein Mitverschulden der Schuldnerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB an dem ihr durch die unzulässige Teilkündigung des Beklagten entstandenen Schaden lässt sich nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneinen.
1. Das Berufungsgericht geht in erster Linie wohl davon aus, dass die Bauleistung am 10. Januar 2003 nicht fällig gewesen sei, weil der Beklagte die ursprüngliche Vertragsfrist aufgehoben und bis zum 10. Januar 2003 verlängert habe, diese Frist aber nicht maßgeblich sei, weil ab dem 9. Dezember 2003 wegen Frost nicht habe gearbeitet werden können. Es verneint deshalb die Voraussetzungen für eine berechtigte Kündigung des Beklagten nach § 5 Nr. 4, § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2000).
2. Diese Beurteilung ist rechtsfehlerhaft.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe vorgetragen, die Ausführungsfrist bis zum 10. Januar 2003 verlängert zu haben, geht fehl. Es entnimmt dies dem Schriftsatz des Beklagten vom 15. Dezember 2009. Dort hat der Beklagte unter 2.3.1 ausgeführt, die vertragliche Frist für die Fertigstellung des gesamten Bauvorhabens sei von ihm aufgrund ausdrücklich erwähnter Kulanz auf das Doppelte der vereinbarten Vertragsdauer bis zum 10. Januar 2003 verlängert worden. Die Revision rügt zu Recht, dass die Auslegung dieses Schriftsatzes durch das Berufungsgericht darunter leidet, dass es den weiteren, nicht aufgegebenen Vortrag des Beklagten zu den Verlängerungen der Ausführungsfrist außer Acht gelassen hat. Der Beklagte hat vorgetragen - und im Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 unter 2.1.5 auch darauf Bezug genommen -, er habe die Frist jeweils unter Androhung der Kündigung zunächst bis zum 22. November 2002 und dann nochmals bis zum 5. Dezember 2002 verlängert. Diese Fristverlängerungen waren bis dahin allein Gegenstand des Vortrags des Beklagten und sind von ihm mit Schriftstücken (Schreiben vom 7. November 2002 sowie 17. November 2002) belegt worden. Auch nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die sich das Berufungsgericht bezieht, sind lediglich Fristverlängerungen bis zum 22. November 2002 und alsdann bis zum 5. Dezember 2002 erfolgt. Darüber hinaus hat der Beklagte im Anschluss an den vom Berufungsgericht für maßgeblich gehaltenen Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 im nachgelassenen Schriftsatz vom 20. Mai 2010 noch einmal die Fristverlängerungen dargestellt und dabei lediglich den 22. November 2002 sowie den 5. Dezember 2002 - nicht jedoch den 10. Januar 2003 - erwähnt. Hätte das Berufungsgericht diesen Umstand berücksichtigt, hätte es zu der Auffassung kommen müssen, dass der Beklagte mit dem Hinweis auf den 10. Januar 2003 im Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 seinen Vortrag zu den Fristverlängerungen nicht geändert hat, sondern lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass die Schuldnerin ungeachtet des Fristablaufs am 5. Dezember 2002 tatsächlich bis zur Kündigung Gelegenheit hatte, den Vertrag zu erfüllen.
3. Das Berufungsgericht will möglicherweise hilfsweise annehmen, dass die Bauleistung der Schuldnerin schon vor dem 10. Januar 2003 fällig war, ein Verzug auch bereits eingetreten sei, eine Kündigung des ganzen Vertrages jedoch deshalb nicht möglich sei, weil der Verzug spätestens mit Eintritt des Frostes geendet habe. Darauf deuten seine Ausführungen unter 2. d) des Berufungsurteils hin. Auch das kann die Verneinung des Mitverschuldens der Schuldnerin nicht tragen. Lagen, wovon zugunsten des Beklagten in der Revision auszugehen ist, die Voraussetzungen für die Kündigung des gesamten Vertrages bereits vor dem 9. Dezember 2002 vor, so kann die Unzulässigkeit der Kündigung nicht mit der Erwägung verneint werden, die Schuldnerin habe seit dem 9. Dezember 2002 nicht mehr arbeiten können.
III.
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil dem Senat eine eigene Entscheidung nicht möglich ist. Der Senat hat dabei von der durch § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurückzuverweisen.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Das Berufungsgericht schließt aus den Schreiben des Beklagten vom 7. und 17. November 2002, dass der vertragliche Fertigstellungstermin für die Fälligkeit der Bauleistung nicht mehr maßgebend ist. Das bedarf der erneuten Überprüfung. Dabei ist zu bedenken, dass die Parteien über die Umstände gestritten haben, die zur Verzögerung der Bauleistung geführt haben. Die Schuldnerin hat sie in dem Verhalten und in Anordnungen des Beklagten gesehen, der Beklagte hat dagegen jedenfalls ganz überwiegend die Schuldnerin für die Verzögerungen verantwortlich gemacht. Trifft die Darstellung des Beklagten zu, so ist bei der Auslegung der Schreiben vom 7. und 17. November 2002 zu bedenken, dass der Beklagte keinen erkennbaren Grund hatte, ohne Weiteres auf ihm zustehende Rechte aus der Überschreitung der vertraglichen Fertigstellungsfrist zu verzichten (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 7. Teil Rn. 5). Das Schreiben vom 7. November 2002 könnte allerdings als Angebot des Beklagten zu verstehen sein, den Streit über die Verzögerungsumstände und den sich daraus möglicherweise ergebenden Anspruch der Schuldnerin auf Verlängerung der Bauzeit gemäß § 6 Nr. 2 Abs. 1 a) VOB/B beizulegen, indem die neue vertragliche Fertigstellungsfrist auf den 22. November 2002 gelegt wird. Dieses Angebot hat die Schuldnerin jedoch nicht angenommen, sondern sich ausdrücklich mit Schreiben vom 11. November 2002 gegen diese neue Frist gewandt. Geht man, wie in der Revision zugunsten des Beklagten nicht anders möglich, davon aus, dass eine Verlängerung der Ausführungsfrist nach § 6 Nr. 2 Abs. 1 a) VOB/B nicht in Betracht kommt, so kann es dem Beklagten wegen des Schreibens vom 7. November 2002 nicht versagt sein, nach Ablauf der vertraglichen Fertigstellungsfrist eine angemessene Frist zur Fertigstellung zu setzen und die Kündigung nach Ablauf der Frist anzudrohen. In diesem Sinne kann das Schreiben vom 17. November 2002 zu verstehen sein.
2. Sollte sich herausstellen, dass die Schuldnerin einen Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfrist nach § 6 Nr. 2 Abs. 1 a) VOB/B hatte, so wird zu prüfen sein, zu welchem Zeitpunkt die Leistung unter Berücksichtigung dieses Anspruchs fällig geworden ist. Auf dieser Grundlage erfolgt dann die Beurteilung, ob eine dann notwendige Mahnung erfolgt ist, die den Verzug der Schuldnerin begründen konnte.
3. Darüber hinaus wird das Berufungsgericht unabhängig von dem Kündigungstatbestand gemäß § 5 Nr. 4, § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B zu prüfen haben, ob der Beklagte am 10. Januar 2003 wegen des Verhaltens der Schuldnerin auch zu einer außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigt war. Dem Beklagten könnte am 10. Januar 2003 ein Recht zur Kündigung mit sofortiger Wirkung zugestanden haben, wenn es ihm nicht zumutbar war, den Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles fortzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 - VII ZR 140/95, BauR 1996, 704 = ZfBR 1996, 267). Ein solcher Sachverhalt kann auch gegeben sein, wenn es zu einer vom Auftragnehmer zu vertretenden ganz beträchtlichen Verzögerung des Bauvorhabens gekommen ist und es dem Auftraggeber bei der gebotenen Gesamtwürdigung nicht zugemutet werden kann, eine weitere Verzögerung durch Nachfristsetzung hinzunehmen oder eine solche von vornherein keinen Erfolg verspricht, vgl. auch § 323 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 BGB.
4. Sollte das Berufungsgericht von einer Schadensersatzverpflichtung des Beklagten ausgehen, so muss es nach der insoweit bindenden Entscheidung des Senats vom 20. August 2009 (VII ZR 212/07, BauR 2009, 1736 = NZBau 2010, 47 = ZfBR 2010, 48) von einer Schadenshöhe von 91.771,29 € ausgehen. Der Senat hat in dieser Entscheidung unter Rn. 30 zum Ausdruck gebracht, dass gegen die Beurteilung auch unter dem geänderten Gesichtspunkt des Schadensersatzes keine revisionsrechtlichen Bedenken bestehen und deshalb die Sache nur aufgehoben, weil Feststellungen zum Mitverschulden sowie zum Gewährleistungseinbehalt und zum Skonto fehlten.
Kniffka Kuffer Bauner
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