Entscheidungsdatum: 25.10.2012
Ansprüche auf laufende Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitslosengeld II) sind gemäß § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen nach Maßgabe der Vorschriften in §§ 850c ff. ZPO pfändbar (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 25. November 2010, VII ZB 111/09, NJW-RR 2011, 706).
Die Rechtsbeschwerde des Drittschuldners gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 13. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Drittschuldner auferlegt.
I.
Der für die Auszahlung von Arbeitslosengeld II zuständige Drittschuldner zu 2 (im Folgenden: Drittschuldner) wendet sich mit der Rechtsbeschwerde dagegen, dass die Gläubiger Ansprüche der Schuldnerin auf Arbeitslosengeld II haben pfänden lassen.
Die Gläubiger erwirkten wegen einer titulierten Forderung von 2.331,69 € nebst Zinsen und Zustellkosten einen Beschluss, mit dem vermeintliche Ansprüche der Schuldnerin "auf Zahlungen des gesamten Arbeitseinkommens und vergleichbarer Einkommen, z.B. Provisionen u. dgl. (einschließlich des Geldwerts von Sachbezügen) sowie der gesamten Geldleistungen (Arbeitslosengeld)" gegen die Drittschuldner gepfändet und ihnen zur Einziehung überwiesen wurden. Die Schuldnerin steht bei dem Drittschuldner in Leistungsbezug. Sie erhält als Arbeitslosengeld II Leistungen nach § 20 SGB II in Höhe von 124 € monatlich sowie Leistungen nach § 22 SGB II in Höhe von 345,38 € monatlich.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat die vom Drittschuldner gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eingelegte Erinnerung nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger zurückgewiesen. Die hiergegen vom Drittschuldner unmittelbar beim Beschwerdegericht eingelegte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht ohne vorherige Abhilfeentscheidung des Amtsgerichts als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde betreibt der Drittschuldner die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weiter.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die gepfändeten Ansprüche seien im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinreichend bestimmt bezeichnet. Soweit dort Ansprüche auf solche Leistungen aufgeführt seien, für deren Erbringung der Drittschuldner nicht zuständig sei, gehe der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ins Leere, ohne dass seine Rechtmäßigkeit im Übrigen hierdurch berührt sei. Das Beschwerdegericht meint weiter, die Ansprüche des Schuldners nach § 19 Abs. 1 SGB II auf Arbeitslosengeld II seien laufende Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und deshalb gemäß § 54 Abs. 4 Satz 1 SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbar.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Ohne Erfolg macht der Drittschuldner geltend, die gepfändeten Ansprüche seien, soweit sie ihn beträfen, im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit der Angabe "… der gesamten Geldleistungen (Arbeitslosengeld)" nicht hinreichend bestimmt bezeichnet, weil mit dem Begriff "Arbeitslosengeld" nicht der Anspruch auf Arbeitslosengeld II gemeint sei, für dessen Gewährung der Drittschuldner allein zuständig sei. Das ist unzutreffend. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass die Pfändung von "Arbeitslosengeld" die Pfändung von "Arbeitslosengeld II" umfasst (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn. 14). Deshalb sind die gepfändeten Ansprüche gegen den Drittschuldner auch hier hinreichend bestimmt bezeichnet.
b) Die vom Drittschuldner erhobene Rüge mangelnder Vollmacht der Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger (§ 88 Abs. 1 ZPO) geht fehl, nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Gläubiger im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Erklärung der Gläubiger vorgelegt hat, welche die wirksame Bevollmächtigung der mit der Führung des Vollstreckungsverfahrens und der Verfahren erster und zweiter Instanz befassten Rechtsanwälte H. & O. belegt.
c) In der Sache wendet sich die Rechtsbeschwerde ausschließlich gegen die Pfändung von unstreitig bestehenden Ansprüchen der Schuldnerin gegen den Drittschuldner auf Arbeitslosengeld II. Diese Ansprüche sind entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unpfändbar.
Der Bundesgerichtshof hat, wie auch die Rechtsbeschwerde erkennt, bereits entschieden, dass Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch gemäß § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 111/09, NJW-RR 2011, 706 Rn. 7; Beschluss vom 5. April 2005 - VII ZB 20/05, NJW-RR 2005, 1010). Die Rechtsbeschwerde bringt nichts vor, was zu einer anderen Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage führen könnte.
aa) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die gepfändeten Ansprüche der Schuldnerin gegen den Drittschuldner auf laufende Geldleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch gerichtet sind. Die Schuldnerin bezieht Arbeitslosengeld II, § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie erhält gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3, § 20, § 22 SGB II Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts von insgesamt 469,38 €. Solche Ansprüche betreffen laufende Geldleistungen im Sinne des § 54 Abs. 4 SGB. Sie können nach dieser Vorschrift wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, soweit sie nicht gemäß § 54 Abs. 3 SGB I unpfändbar sind oder den sich aus § 54 Abs. 5 SGB I ergebenden Pfändungsbeschränkungen unterliegen. Keiner dieser Ausnahmetatbestände betrifft Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach § 19 Abs. 1 SGB II.
bb) Der Drittschuldner meint allerdings, die Bezüge der Schuldnerin müssten, insbesondere soweit sie dazu bestimmt seien, Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu decken (§ 22 SGB II) durch eine entsprechende Anwendung des § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I dem Pfändungszugriff ihrer Gläubiger entzogen werden, weil andernfalls die zweckentsprechende Verwendung der Leistungen zur Sicherung des Wohnbedarfs der Schuldnerin nicht hinreichend sichergestellt sei. Insoweit dürfe nichts anderes gelten als für Ansprüche auf Wohngeld, die der Gesetzgeber durch Einführung der Vorschrift in § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I von der Pfändung ausgenommen habe, um die Bezahlung der Miete und damit ein angemessenes und familiengerechtes Wohnen (vgl. § 1 Abs. 1 WoGG) zu sichern. Damit dringt der Drittschuldner nicht durch.
(1) Die Schuldnerin erhält kein Wohngeld im Sinne des § 1 Abs. 1 WoGG. Eine entsprechende Anwendung der durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleitungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2954 ff.) neu eingefügten Regelung in § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I auf die ihr stattdessen gemäß § 19 Abs. 1, § 22 SGB II zur Deckung ihres Wohnbedarfs gewährten Leistungen kommt nicht in Betracht. Das Gesetz enthält an dieser Stelle entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke. Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1516, S. 68), dass der Gesetzgeber die pfändungsrechtlich unterschiedliche Behandlung von Wohngeld und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 Abs. 1 Satz 3, § 22 SGB II gesehen und bewusst hingenommen hat.
In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt, dass Wohngeld nach dem bis zur Gesetzesänderung geltenden Recht nicht zu den in § 54 Abs. 3 SGB I genannten unpfändbaren Sozialleistungen gehörte und daher nach Absatz 4 der Vorschrift wie Arbeitseinkommen nach den §§ 850 ff. ZPO pfändbar war. Zwar bleibe der Wohngeldempfänger regelmäßig ohnehin innerhalb der durch § 850c Abs. 1 und 2 vorgegebenen Pfändungsfreigrenzen. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen gewesen, dass Gläubiger, die mit dem Wohnraum des Wohngeldempfängers in keinem unmittelbaren Zusammenhang standen, auf das Wohngeld im Rahmen einer Pfändung zugreifen konnten. Weil dadurch der Zweck des Wohngeldes - die wirtschaftliche Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens - zumindest teilweise habe vereitelt werden können, solle klarstellend geregelt werden, dass Wohngeld grundsätzlich unpfändbar sei. Hierfür spreche im Übrigen auch die Gleichartigkeit hinsichtlich der wesentlichen Zielrichtung/Vergleichbarkeit mit den in § 54 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGB I genannten Leistungen (Erziehungsgeld und Mutterschaftsgeld).
Dem kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber durch die Einführung der Vorschrift in § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I nur Ansprüche auf Wohngeld der Pfändung grundsätzlich und ungeachtet des durch die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO ohnehin bestehenden Pfändungsschutzes hat entziehen wollen.
(2) Für eine Erstreckung dieser Regelung auf Leistungen im Rahmen der Arbeitslosenhilfe II, insbesondere auf solche zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, besteht kein zwingender sachlicher Grund. Sie ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde insbesondere nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
(a) Arbeitslosengeld II erhält der erwerbsfähige Leistungsberechtigte zur Sicherung seines Lebensunterhalts, soweit die nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II hierfür maßgeblichen Bedarfe (§§ 20 ff. SGB II) nicht durch sein zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen gedeckt sind, § 19 Abs. 3 SGB II. Die Verwendung der danach zu gewährenden laufenden Geldleistungen steht zu seiner freien Disposition (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 111/09, NJW-RR 2011, 706 Rn. 19 - unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/1516, S. 46, 55 f.). Das gilt unbeschadet der durch § 22 Abs. 7 SGB II eröffneten Möglichkeit, Direktzahlungen an den Vermieter oder sonstigen Empfangsberechtigten vorzunehmen, grundsätzlich auch für Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Diese Leistungen ergänzen den gemäß §§ 20, 21 SGB II nach Maßgabe der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und der Regelsatzverordnung pauschalierten Regelbedarf (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 56) um die tatsächlich in angemessener Höhe anfallenden Kosten für die Erhaltung und Beheizung der Unterkunft und fließen in die Berechnung der dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Sicherung seines Lebensunterhalts als Arbeitslosengeld II zu zahlenden Beträge ein (Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, 46. Ergänzungslieferung 2012, § 22 Rn. 1; Breitkreuz in: BeckOK SGB II, § 22 Rn. 2; Lang/Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn. 5). Sie ersetzen auf diese Weise ebenso wie die Regelleistungen nach §§ 20, 21 SGB II fehlendes Arbeitseinkommen (vgl.: Pflüger in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 54 Rn. 73).
Die darin liegende Zweckbestimmung der als Arbeitslosengeld II zu gewährenden Leistungen unterscheidet sich von derjenigen, die der Gesetzgeber Wohngeldzahlungen bemisst. Sie ist auch hinsichtlich der nach § 22 SGB II zu ermittelnden Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht in gleicher Weise wie beim Wohngeld von der Vorstellung geprägt, dass der Hilfebedürftige die Bezüge tatsächlich in der gewährten Höhe für die wirtschaftliche Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens verwendet, sondern orientiert sich an einer die individuellen Wohnbedürfnisse des Hilfebedürftigen berücksichtigenden Berechnung des für die Bemessung von Arbeitslosengeld II maßgeblichen Bedarfs. Eine Zweckbindung, die es zwingend erforderlich machen könnte, Leistungen nach § 22 SGB II den in § 54 Abs. 3 SGB I genannten gleichzustellen und dem Pfändungszugriff des Gläubigers gegen den im Wortlaut des § 54 Abs. 3 und 4 SGB I manifestierten Willen des Gesetzgebers grundsätzlich zu entziehen, besteht nach alledem nicht. Das gilt erst recht für die gemäß § 20 SGB II pauschalierten Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfs.
(b) Die Belange des hilfebedürftigen Schuldners erfordern es nicht, seine Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch der Pfändung generell zu entziehen. Weil solche Ansprüche gemäß § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden dürfen, unterliegen sie den Bestimmungen der §§ 850 ff. ZPO (BGH, Beschluss vom 5. April 2005 - VII ZB 20/05, NJW-RR 2005, 1010; Beschluss vom 12. Dezember 2003 - IXa ZB 207/03, Rpfleger 2004, 232; Beschluss vom 10. Oktober 2003 - IXa ZB 180/03, Rpfleger 2004, 111). Sie sind, vorbehaltlich der Sonderregelungen in §§ 850d und 850f ZPO, nur in dem durch § 850c ZPO zugelassenen Umfang pfändbar. Die danach zu berücksichtigenden Pfändungsfreigrenzen liegen, wie auch der Gesetzgeber hervorhebt (BT-Drucks. 15/1516, S. 68), deutlich über den Beträgen, die der erwerbsfähige Schuldner regelmäßig als Arbeitslosengeld II erhält. Vor diesem Hintergrund unterliegen seine sozialhilferechtlichen Bezüge zur Sicherung seines Lebensunterhalts in aller Regel selbst dann nicht der Pfändung, wenn der ihm gemäß § 22 SGB II nach tatsächlich angemessenen Kosten zuzubilligende Bedarf für Unterkunft und Heizung im Einzelfall höher sein sollte, als der in die Pauschbeträge nach § 850c ZPO hierfür eingerechnete Betrag. Für die Berechnung der pfändungsfreien Beträge bestimmt § 850e Abs. 2a ZPO, dass der pfandfreie Grundbetrag bei der gebotenen Zusammenrechnung laufender Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch mit etwaigem Arbeitseinkommen des Schuldners in erster Linie den laufenden Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zu entnehmen ist. Dadurch ist gewährleistet, dass dem Schuldner, der beispielsweise nur Leistungen nach § 22 SGB II zur Deckung seiner Bedarfe für Unterkunft und Heizung erhält, diese laufenden Geldleistungen nicht durch Pfändung entzogen werden.
Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass der sozialhilfebedürftige Schuldner in besonders gelagerten Einzelfällen Geldleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhält, deren Betrag über den nach § 850c ZPO zu berücksichtigenden Pfändungsfreigrenzen liegt. Ergibt sich diese Konstellation allerdings nur deshalb, weil solche Leistungen für mehrere Monate in einem Zahlbetrag zusammengefasst werden, sind die Einzelbeträge ebenso wie bei den vergleichbaren Fällen der Nachzahlung rückständiger Lohnbeträge für die Berechnung des pfandfreien Betrages dem Leistungszeitraum zuzurechnen, für den sie gezahlt werden (vgl.: Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 850c Rn. 3).
(c) Für die verbleibenden Fälle, in denen der Schuldner laufende Geldleistungen nach § 19 Abs. 1 SGB II in einer die Pfändungsfreigrenzen des § 850c übersteigenden Höhe erhält, besteht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein verfassungsrechtliches Gebot, diese überschießenden Beträge über den Regelungsbereich des § 54 Abs. 3 SGB I hinaus dem Pfändungszugriff des Gläubigers zu entziehen.
Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Dieses umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 111/09, NJW-RR 2011, 706 Rn. 14 - unter Hinweis auf: BVerfG, NJW 2010, 505 Rn. 133 ff.; Beschluss vom 13. November 2011 - VII ZB 7/11, nach juris).
Es unterliegt keinem Zweifel und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt, dass die Pfändungsvorschriften in § 850c ZPO diesem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums in angemessener Weise Rechnung tragen. Gleiches gilt im Ergebnis für die Fälle, in denen die Vollstreckung wegen Unterhaltsforderungen (§ 850d ZPO) oder wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 850f ZPO) betrieben wird. Hierzu hat der Senat darauf hingewiesen, dass dem Schuldner für seinen notwendigen Unterhalt mindestens so viel pfandfrei zu belassen ist, wie er zur Deckung seines notwendigen Lebensunterhalts nach Maßgabe der Bestimmungen des 3. und 11. Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch benötigt (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 111/09, NJW-RR 2011, 706 Rn. 9; Beschluss vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn. 13; Urteil vom 23. Februar 2005 - XII ZR 114/03, BGHZ 162, 234 Rn. 26). Danach sind ihm jedenfalls die Regelsätze nach § 28 SGB XII zu belassen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 111/09, NJW-RR 2011, 706 Rn. 9), darüber hinaus Leistungen nach § 35 SGB XII, die er zur Deckung seiner Bedarfe für die Erhaltung einer angemessenen Unterkunft und Heizung erhält.
Diese für die Pfändung von Arbeitseinkommen maßgeblichen Grundsätze gewährleisten die verfassungsrechtlich gebotene Sicherung des Existenzminimums in gleicher Weise für die nach § 54 Abs. 4 SGB I zulässige Pfändung von Ansprüchen des erwerbsfähigen Schuldners auf Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Sie beanspruchen ohne Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - VII ZB 7/11, Rn. 12, nach juris) Geltung unabhängig von der Art des Einkommens oder des Leistungsbezugs und erfordern über die zugunsten des Schuldners in § 54 Abs. 3 und Abs. 5 SGB I angeordneten Pfändungsverbote bzw. Pfändungsbeschränkungen hinaus keine Korrektur der Pfändungsvorschrift in § 54 Abs. 4 SGB I.
(d) Die Ansprüche der Schuldnerin auf Arbeitslosengeld II sind nicht entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII unpfändbar. Die Vorschrift betrifft Ansprüche auf Leistungen der Sozialhilfe, die nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erbracht werden. Um solche Leistungen geht es hier nicht. Eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch kommt in Ermangelung einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke nicht in Betracht. Sie ist insbesondere nicht deshalb geboten, weil, worauf die Rechtsbeschwerde allerdings mit Recht hinweist, die gemäß § 20 SGB II anzuerkennenden Regelbedarfe den Regelsätzen des § 28 SGB XII entsprechen und nach den dort niedergelegten Grundsätzen ermittelt werden. Ebenso wenig von Belang ist in diesem Zusammenhang, ob beide Leistungsarten "Sozialhilfe" im Sinne des § 9 SGB I sind. Aus alledem lässt sich nicht ableiten, dass Ansprüche auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in gleicher Weise unpfändbar sein müssen wie diejenigen auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Der Bezug von Arbeitslosengeld II gemäß § 19 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähigen Leistungsberechtigten vorbehalten. Er schließt gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch aus, die nur solche Leistungsberechtigte erhalten, die nicht erwerbsfähig sind. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden und es bedarf auch aus dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots in Art. 3 Abs. 1 GG keiner Korrektur, dass der Gesetzgeber in Ansehung der durch das Kriterium der Erwerbsfähigkeit bedingten Trennung beider Leistungssysteme nur die Pfändung der Ansprüche erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach Maßgabe der für Arbeitseinkommen geltenden Vollstreckungsvorschriften zulässt.
(e) Ohne Erfolg rügt der Drittschuldner, das Interesse des Gläubigers an der Pfändung vermeintlicher Ansprüche auf Sozialleistungen sei nicht schützenswert, weil die Pfändung in aller Regel an den Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO scheitere und ihre Zulassung nur unnötigen Verwaltungsaufwand und Kosten produziere. Dieser Einwand, der in der Sache rechtspolitisch ist, mag in zukünftigen Gesetzgebungsverfahren eine Rolle spielen. Er rechtfertigt es jedoch nicht, diese Regelung derzeit nicht anzuwenden. Gleiches gilt für den Einwand, dass die unnütze Pfändung einem Gläubiger den ansonsten nicht möglichen Zugriff auf die Sozialdaten des Schuldners ermögliche.
d) Die angefochtene Entscheidung ist schließlich nicht deshalb aufzuheben, weil das Beschwerdegericht dem Amtsgericht keine Gelegenheit zu Abhilfe gegeben hat.
§ 572 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde abhelfen muss, wenn er sie für begründet erachtet. Die hier unterbliebene Durchführung des Abhilfeverfahrens ist indes keine Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren (OLG Stuttgart, MDR 2003, 110). Wird die Beschwerde, wie gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig, beim Beschwerdegericht eingelegt, so kann dieses nach zutreffender Auffassung jedenfalls dann davon absehen, eine Abhilfeentscheidung des Erstgerichts einzuholen, wenn es die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig hält und nach den Umständen berechtigter Anlass für die Annahme besteht, dass das Abhilfeverfahren zu keinem anderen Ergebnis führen würde, eine Abhilfe also nicht zu erwarten ist (OLG Frankfurt, MDR 2002, 1391; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 572 Rn. 4 m.w.N.; aA: Schneider, MDR 2003, 253). Das ist aus den vom Beschwerdegericht zutreffend angeführten Gründen hier der Fall.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.
Kniffka Safari Chabestari Halfmeier
Leupertz Kartzke