Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 10.11.2011


BGH 10.11.2011 - VII ZB 64/10

Pfändungsschutzkonto: Anforderungen an die gerichtliche Festsetzung des Pfändungsfreibetrages für Arbeitseinkommen bei schwankender Höhe der Überweisungsbeträge


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
10.11.2011
Aktenzeichen:
VII ZB 64/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Münster, 4. Oktober 2010, Az: 5 T 564/10, Beschlussvorgehend AG Münster, 1. September 2010, Az: 33 M 931/08
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Ist das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet, wird daher auf ein Pfändungsschutzkonto des Schuldners vom Arbeitgeber monatlich nur der unpfändbare Betrag überwiesen und weicht dieser ständig in unterschiedlichem Maße von den Sockelbeträgen des § 850k Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO ab, kann das Vollstreckungsgericht den Freibetrag gemäß § 850k Abs. 4 ZPO durch Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber monatlich überwiesene pfändungsfreie Arbeitseinkommen festsetzen .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Drittschuldnerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 4. Oktober 2010 (Az.: 5 T 564/10) wird zurückgewiesen.

Die Drittschuldnerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung von 181,96 €. Sie hat im Jahre 2008 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, mit dem die Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin, eine Sparkasse, aus einem näher bezeichneten Konto gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen worden sind. Das Konto wird seit dem 1. Juli 2010 als Pfändungsschutzkonto im Sinne von § 850k ZPO geführt. Der Schuldner hat beantragt, die Pfändung in Höhe des monatlich pfandfreien Betrages aufzuheben. Er hat eine Verdienstbescheinigung seines Arbeitgebers und einen Kontoauszug vorgelegt, wonach ihm im Juli 2010 Arbeitseinkommen in Höhe von 1.705,54 € überwiesen wurde. Dazu hat er vorgetragen: Sein Einkommen schwanke in der Höhe, mindestens werde aber ein Betrag von 1.700 € gezahlt. Bei dem überwiesenen Betrag handele es sich um den gemäß § 850c ZPO unpfändbaren Betrag, da sein Arbeitseinkommen ebenfalls gepfändet sei.

2

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat mit Beschluss vom 12. Juli 2010 die Kontopfändung "bezüglich des Lohnes/des Gehalts, welches von … (= Arbeitgeber) auf das gepfändete Konto überwiesen wird, bis auf weiteres aufgehoben, …"; dieser Betrag entspreche dem monatlich auf dem Konto eingehenden unpfändbaren Einkommen. Am 1. September 2010 hat der Schuldner beantragt, einen betragsmäßig eindeutig bestimmten pfändungsfreien Betrag festzusetzen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Drittschuldnerin akzeptiere den Beschluss vom 12. Juli 2010 nicht, da eine betragsmäßig nicht genau bezeichnete Freigabe unzulässig und nicht umsetzbar sei. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat den Antrag zurückgewiesen, da das Rechtsschutzbedürfnis fehle; dem Begehren des Schuldners sei durch den Beschluss vom 12. Juli 2010 bereits ausreichend nachgekommen worden. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Drittschuldnerin, die das Begehren des Schuldners weiterverfolgt.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Sie ist auch zulässig. Die Drittschuldnerin wird durch die angefochtene Entscheidung in ihrem eigenen Rechtskreis betroffen. Die Ausgestaltung des dem Schuldner gewährten Pfändungsschutzes hat unmittelbare Auswirkungen auf die die Bank bei der Führung des Pfändungsschutzkontos treffenden Pflichten.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

5

1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in Juris dokumentiert ist, meint, der Tenor des Beschlusses des Amtsgerichts - Vollstreckungs-gerichts - vom 12. Juli 2010 sei hinreichend bestimmt und könne von der Drittschuldnerin umgesetzt werden. Aufgrund der gegenüber dem Arbeitgeber ausgebrachten Lohnpfändung werde auf das Konto des Schuldners bei der Drittschuldnerin monatlich nur noch der pfändungsfreie Betrag des schuldnerischen Einkommens überwiesen. Eine nochmalige Prüfung der Berechnung des Arbeitgebers durch das Vollstreckungsgericht sei nicht notwendig und nicht vorgesehen. Aufgrund der von der Höhe des Einkommens abhängigen unterschiedlichen Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO werde dieser vom Arbeitgeber auszuzahlende pfändungsfreie Betrag jeden Monat unterschiedlich hoch sein, da das Arbeitseinkommen schwanken könne, z.B. durch Zahlung von Weihnachtsgeld, Zulagen oder ähnlichem. Es würde daher dem Sinn des effektiven Schuldnerschutzes widersprechen, einen Freibetrag einmalig betragsmäßig festzusetzen. Denn wenn der Betrag anhand des Einkommens zur Zeit der Antragstellung festgesetzt würde, könne es passieren, dass bei einem z.B. durch Weihnachtsgeld erhöhten Einkommen im Monat Dezember gemäß § 850c ZPO unpfändbare Beträge gleichwohl an den Gläubiger ausgezahlt würden. Da das Vollstreckungsgericht im Vorhinein nicht wissen könne, in welchem Umfang das Einkommen des Schuldners schwanke, müsste der Schuldner, um diesem Problem zu begegnen, gegebenenfalls jeden Monat einen neuen Pfändungsschutzantrag stellen, was nicht dem Sinn und Zweck des § 850k ZPO, nämlich das Verfahren bei Kontopfändungen zu vereinfachen, entspreche. Dadurch würden dem Schuldner auch gravierende Rechtsnachteile drohen. Denn er liefe Gefahr, dass das Kreditinstitut den den Freibetrag überschreitenden Teil des Einkommens bereits vor entsprechender Antragstellung an den Gläubiger abgeführt haben könnte. Eine solche Vorgehensweise sei seitens des Gesetzgebers nicht gewollt. Ebenfalls nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen dürfte die alternative Möglichkeit der Festsetzung eines betragsmäßig bezeichneten, jedoch utopisch hohen Freibetrages durch das Vollstreckungsgericht, den der jeweils überwiesene Einkommensbetrag voraussichtlich zu keiner Zeit überschreiten werde. Gemäß § 850k Abs. 4 ZPO könne das Vollstreckungsgericht abweichende Anordnungen treffen. Die pauschale Anordnung der Freigabe des gesamten, monatlich vom Arbeitgeber des Schuldners auf das gepfändete Konto überwiesenen Arbeitseinkommens, unabhängig von dessen tatsächlicher Höhe, sei eine solche abweichende Anordnung. Der angefochtene Beschluss sei auch hinreichend bestimmt. Vor Einführung des Pfändungsschutzkontos sei stets ein ähnlich lautender Beschluss durch das Amtsgericht erlassen worden, der von der jeweiligen Drittschuldnerin auch umgesetzt worden sei.

6

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

7

a) Nach § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO wird Guthaben des Schuldners auf dem Pfändungsschutzkonto in Höhe des monatlichen Freibetrages nach § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 850c Abs. 2a ZPO nicht von der Pfändung umfasst. Dieser Sockelbetrag wird dem Schuldner quasi automatisch zur Sicherung seines Existenzminimums gewährt. Ohne Bedeutung ist, auf welchen Gutschriften das geschützte Guthaben beruht; der Pfändungsschutz knüpft nicht an die Art der Einkünfte an (BT-Drucks. 16/7615 S. 18). § 850k Abs. 2 Satz 1 ZPO sieht die Erhöhung dieses Sockelbetrages um weitere unpfändbare Beträge vor, wenn der Schuldner die Voraussetzungen dem Kreditinstitut im Sinne von § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO nachweist. Auf Antrag kann das Vollstreckungsgericht einen von den Absätzen 1, 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen, § 850k Abs. 4 ZPO.

8

b) Die Kreditinstitute haben somit lediglich den Sockelbetrag nach § 850k Abs. 1 ZPO und anhand der vom Schuldner vorgelegten Bescheinigung den Aufstockungsbetrag nach § 850k Abs. 2 Satz 1 ZPO zu bestimmen. Dem Vollstreckungsgericht bleibt es vorbehalten, auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers einen anderen pfändungsfreien Betrag festzusetzen, § 850k Abs. 4 ZPO. Anlass für einen derartigen Antrag des Schuldners kann etwa bestehen, wenn ihm vom Arbeitgeber Urlaubs- oder Weihnachtsgeld (vgl. § 850a Nr. 2, 4 ZPO) gewährt wird. Das Vollstreckungsgericht hat im Rahmen seines Beschlusses den pfändungsfreien Betrag grundsätzlich zu beziffern. Das gebietet das gesetzgeberische Ziel, den mit dem Pfändungsschutzkonto verbundenen Aufwand für die Banken und Sparkassen in einem vertretbaren Rahmen zu halten (vgl. BT-Drucks. 16/7615 S. 1). Der Schuldner und die Vollstreckungsgerichte werden hierdurch nicht unzumutbar belastet.

9

c) Etwas anderes muss dann gelten, wenn das vom Arbeitgeber auf das Pfändungsschutzkonto überwiesene pfändungsfreie Arbeitseinkommen nicht gleich bleibt, sondern ständig in unterschiedlichem Maße von den Sockelbeträgen des § 850k ZPO abweicht. Eine derartige Fallgestaltung liegt nach den Feststellungen der Vorinstanzen vor. In diesen Fällen ist es, wie das Beschwerdegericht zutreffend sieht, weder dem Schuldner noch den Vollstreckungsgerichten zumutbar, dass der Schuldner unter Umständen jeden Monat einen neuen Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO stellen muss. Der Schuldner liefe zudem Gefahr, dass der Beschluss nicht rechtzeitig ergeht und das Kreditinstitut den pfändungsfreien Betrag bereits einem Gläubiger überwiesen hat. Eine derartige Verfahrensweise ist auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Kreditinstitute mit dem Ziel des effektiven Schuldnerschutzes und der Entlastung der Vollstreckungsgerichte (vgl. BT-Drucks. aaO S. 1, 13, 14) nicht vereinbar.

10

Dem ist mit dem Beschwerdegericht dadurch Rechnung zu tragen, dass in dem Beschluss nach § 850k Abs. 4 ZPO der monatliche Freibetrag nicht beziffert, sondern durch die Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber des Schuldners überwiesene Arbeitseinkommen festgesetzt wird (vgl. auch Musielak/Becker, ZPO, 8. Aufl., § 850k Rn. 5). Der Freibetrag ist auf diese Weise ausreichend bestimmbar. Dass der auf dem Pfändungsschutzkonto eingehende Betrag dem unpfändbaren Arbeitseinkommen entspricht, wurde durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem das Arbeitseinkommen des Schuldners bei seinem Arbeitgeber gepfändet wurde, festgestellt. Weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass der Beschluss nach § 850k Abs. 4 ZPO stets einen bezifferten Betrag enthalten muss.

11

d) Einer derartigen Entscheidung steht entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht entgegen, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu § 850k Abs. 3 Nr. 1 ZPO nicht umgesetzt wurde. Darin war vorgesehen, dass an die Stelle der nach Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 pfändungsfreien Beträge bei der Gutschrift von Arbeitseinkommen oder anderen wiederkehrenden Einkünften der überwiesene Betrag tritt, wenn er den pfändungsfreien Teil des Arbeitseinkommens oder der Einkünfte darstellt (vgl. BT-Drucks. aaO S. 6). Dadurch sollte eine mehrfache Berechnung des dem Schuldner zu belassenden Betrages durch den Arbeitgeber und das Kreditinstitut vermieden werden (aaO S. 19). Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages befürchtete nicht unerhebliche praktische Probleme bei den Kreditinstituten und wollte unnötige Risiken und Aufwand bei diesen vermeiden (vgl. BT-Drucks. 16/12714 S. 19, 20). Zunächst sei nicht ausgeschlossen, dass das Kreditinstitut nicht ohne Weiteres erkennen könne, dass es sich um den unpfändbaren Teil des Arbeitseinkommens des Schuldners handele. Es sei auch nicht sicher, dass der erforderliche Nachweis nach Absatz 5 Satz 2 immer den Anforderungen genüge.

12

Diese Erwägungen greifen nicht, wenn durch gerichtlichen Beschluss angeordnet wird, dass der Freibetrag sich nach dem eingehenden Arbeitseinkommen richtet. Das Kreditinstitut muss dann eine Prüfung, ob das Arbeitseinkommen unpfändbar ist, nicht mehr vornehmen. Eines Nachweises nach Absatz 5 Satz 2 bedarf es insoweit nicht. Sofern Arbeitseinkommen als solches bei der Gutschrift zu erkennen ist, unterliegt das Kreditinstitut keinen besonderen Risiken. Eine solche ohne Weiteres mögliche Erkennbarkeit ist allerdings Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung. Die Kreditinstitute dürfen nicht mit dem Risiko belastet werden, dass sie bei zweifelhaften Überweisungen eine Fehleinschätzung vornehmen.

13

e) Durch einen solchen Beschluss werden die Kreditinstitute nicht unzumutbar belastet. Sie müssen zwar im Einzelfall prüfen, in welcher Höhe Arbeitseinkommen eingegangen ist. Insoweit kann das mit der Gesetzgebung zu § 850k ZPO verfolgte Ziel, die Kreditinstitute von jeder Prüfung zu entbinden, ob das gepfändete Guthaben aus der Gutschrift von bestimmten geschützten Einkünften herrührt (BT-Drucks. 16/7615 S. 18), nicht vollständig umgesetzt werden. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass es nach der Einschätzung des Senats möglich ist, die Vorgaben eines gerichtlichen Beschlusses, nach dem das eingehende Arbeitseinkommen unpfändbar ist, datentechnisch so zu erfassen, dass eine automatisierte Bearbeitung möglich ist. Dem steht gegenüber, dass ansonsten ein erhöhter Arbeitsaufwand auf die Kreditinstitute zukäme, denn der Schuldner wäre bei ständig schwankenden Freibeträgen genötigt, in kurzen Abständen Beschlüsse nach § 850k Abs. 4 ZPO zu erwirken, die dann manuell von den Kreditinstituten umgesetzt werden müssten.

14

f) Die Rechtsbeschwerde hat nicht geltend gemacht, dass die Gutschrift des unpfändbaren Arbeitseinkommens nicht als solche zu erkennen sei. Das ist ausweislich des vorgelegten Kontoauszugs auch nicht der Fall. Vielmehr findet sich dort der im Beschluss bezeichnete Arbeitgeber als Anweisender und die Anweisung enthält die Mitteilung, dass es sich um die Besoldung handelt. Das ist ausreichend. Es wird jedoch in Zukunft und in vergleichbaren Fällen darauf zu achten sein, dass der Beschluss die genaue Formulierung auf dem Überweisungsträger übernimmt, weil ansonsten die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte.

15

g) Zu Recht verweist die Rechtsbeschwerde darauf, dass der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgerichts - nach seinem Wortlaut zu weit gefasst ist. Nach § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO wird Guthaben, über das der Schuldner in dem jeweiligen Kalendermonat nicht in Höhe des nach Satz 1 pfändungsfreien Betrages verfügt hat, in den folgenden Kalendermonat übertragen. Der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgerichts - ermöglicht es dem Schuldner nach seinem Wortlaut dagegen, Arbeitseinkommen unbegrenzt anzusparen und dem Gläubigerzugriff vorzuenthalten. Der Senat stellt daher klar, dass die Kontopfändung bezüglich des Lohnes/des Gehalts, welches vom Arbeitgeber monatlich auf das gepfändete Konto überwiesen wird, bis auf weiteres aufgehoben ist und dass die Übertragung nicht verbrauchten Guthabens nur bis zum Ende des folgenden Kalendermonats wirkt.

IV.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                                             Bauner                                        Safari Chabestari

                         Eick                                                Halfmeier