Entscheidungsdatum: 08.04.2015
Beantragt der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers, die Frist für die Berufungsbegründung "um einen Monat bis zum 22. September 2014 zu verlängern", obgleich die Monatsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO bis zum 29. September 2014 läuft, und verlängert der Vorsitzende auf diesen Antrag hin die Frist für die Berufungsbegründung bis zum 22. September 2014, so ist diese Fristverlängerungsverfügung in aller Regel nach ihrem objektivem Inhalt dahin zu verstehen, dass damit die Frist für die Berufungsbegründung - unter abschließender Verbescheidung des Fristverlängerungsantrags - lediglich bis zum 22. September 2014 verlängert und ein etwa weitergehender Antrag stillschweigend abgelehnt worden ist (Fortführung von BGH, Beschluss vom 21. Juni 1989, VIII ZB 5/89, NJW-RR 1989, 1278).
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. November 2014 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 82.911,30 €
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten restliches Honorar für Ingenieurleistungen nebst Zinsen sowie Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 23. Juni 2014 ganz überwiegend stattgegeben. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 27. Juni 2014 zugestellt worden.
Im Anschluss an die Einlegung der Berufung im Namen der Beklagten hat deren Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 25. August 2014 beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung "um einen Monat bis zum 22.09.2014 zu verlängern".
Am 26. August 2014 hat die stellvertretende Vorsitzende des Berufungssenats Folgendes verfügt:
"Auf begründeten Antrag des Beklagtenvertreters wird die Frist zur
Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 22.09.2014 verlängert."
Die auf den 22. September 2014 datierte und an das Berufungsgericht adressierte Berufungsbegründung ist vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten per Telefax am 22. September 2014 um 23.53 Uhr versehentlich an das erstinstanzliche Landgericht gefaxt worden. Da das Telefaxgerät des Landgerichts defekt war, ist das Telefax auf dem Server des Landgerichts gespeichert und am Morgen des 23. September 2014 beim Landgericht ausgedruckt und an das Berufungsgericht weitergeleitet worden, bei dem es noch am selben Tag eingegangen ist. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründung nochmals am 23. September 2014 direkt an das Berufungsgericht gefaxt (Eingang: 23. September 2014, 8:07 Uhr).
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, von einer Verspätung der Berufungsbegründung am 23. September 2014 könne nicht ausgegangen werden; die Frist für die Berufungsbegründung sei erst am 29. September 2014 abgelaufen. Vorsorglich hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung beantragt.
Mit Beschluss vom 3. November 2014 hat das Berufungsgericht diesen Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Frist für die Berufungsbegründung sei nur bis zum 22. September 2014 verlängert worden. Eine andere Auslegung komme auch unter Berücksichtigung des Fristverlängerungsantrags vom 25. August 2014 nicht in Betracht. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung könne der Beklagten nicht gewährt werden. Sowohl das Wählen der falschen Telefaxnummer als auch das rechtzeitige Unterlassen der Beantragung einer weiteren Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung stellten ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten dar, das sich diese nach § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müsse.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten. Der angefochtene Beschluss verletze die Beklagte in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör. Das Berufungsgericht habe den Fristverlängerungsantrag der Beklagten vom 25. August 2014 unter Verkennung wesentlicher Auslegungsgrundsätze interessenwidrig dahingehend ausgelegt, dass mit ihm nur eine Fristverlängerung von weniger als einem Monat, nämlich bis zum 22. September 2014, begehrt werde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei der Fristverlängerungsantrag vom 25. August 2014 dahin auszulegen, dass eine Fristverlängerung von einem vollen Monat bis zum 29. September 2014 begehrt worden sei. Das Berufungsgericht habe den Inhalt des Fristverlängerungsantrags verkannt und übersehen, dass über einen Teil des Verlängerungsantrags (Zeitraum bis zum 29. September 2014) noch gar nicht entschieden worden sei. Diese ausstehende Entscheidung über die Fristverlängerung müsse nachgeholt werden, was auf den rechtzeitig gestellten Antrag auch nach Ablauf der Frist erfolgen könne.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (BGH, Beschluss vom 5. September 2012 - VII ZB 25/12, NJW 2012, 3516 Rn. 7 = ZfBR 2012, 765; Beschluss vom 14. Januar 2010 - I ZB 97/08, juris Rn. 5 m.w.N.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt nicht den Anspruch der Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte die Berufung entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig begründet hat.
a) Es kann dahin stehen, ob die Auslegung des Berufungsgerichts, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei von der Beklagten nur bis zum 22. September 2014 beantragt worden, richtig ist. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, sie habe die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. September 2014 beantragt, was der Verlängerung um einen Monat entspräche, verhilft dies der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Denn mit der Verfügung der stellvertretenden Vorsitzenden des Berufungs-senats vom 26. August 2014 ist die Frist für die Berufungsbegründung lediglich bis zum 22. September 2014 verlängert und ein etwa weitergehender Fristverlängerungsantrag stillschweigend abgelehnt worden.
b) Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung ist der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich, die an die die Fristverlängerung beantragende Partei gerichtet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 - III ZB 61/08, NJW-RR 2009, 643 Rn. 13 m.w.N.). Verlängert der Vorsitzende die Berufungsbegründungsfrist für eine kürzere Zeit als beantragt, liegt darin in aller Regel zugleich die (stillschweigende) Ablehnung des weitergehenden Antrags und nicht ein Vorbehalt, insoweit erst noch entscheiden zu wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 1989 - VIII ZB 5/89, NJW-RR 1989, 1278, 1279; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 520 Rn. 16).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Verfügung der stellvertretenden Vorsitzenden vom 26. August 2014 nach ihrem objektiven Inhalt dahin zu verstehen, dass damit die Frist für die Berufungsbegründung - unter abschließender Verbescheidung des Fristverlängerungsantrags - lediglich bis zum 22. September 2014 verlängert und ein etwa weitergehender Antrag stillschweigend abgelehnt worden ist. Der der genannten Verfügung beigefügte Hinweis, dass mit einer weiteren Fristverlängerung nur bei rechtzeitiger Vorlage - oder anwaltlicher Versicherung - einer Einwilligungserklärung der Gegenseite gerechnet werden kann, ändert an dieser Auslegung nichts. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Verfügung vom 26. August 2014 zunächst auch selbst im Sinne einer abschließenden Verbescheidung des Fristverlängerungsantrags verstanden.
2. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Eick Kartzke Jurgeleit
Graßnack Sacher