Entscheidungsdatum: 06.02.2014
Wird eine Klage auf Mängelbeseitigung abgewiesen, so bemisst sich die Beschwer des Klägers nach den Kosten der Selbstvornahme.
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 2. Juli 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 716,43 €.
I.
Die Klägerin hat restlichen Werklohn für Glasbauarbeiten am Anwesen des Beklagten begehrt. Dieser hat Widerklage auf Mangelbeseitigung (Riss in einer Fensterscheibe Wärmeschutz - Sonnenschutz - Isolierglas) durch Austausch der Scheibe erhoben. Das Amtsgericht hat Klage und Widerklage als unbegründet abgewiesen. Den Streitwert für die Widerklage hat es auf 500 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen.
Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses des Berufungsgerichts sowie die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erstrebt.
II.
1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Zulässigkeits-voraussetzung der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erfüllt. Der angefochtene Beschluss beschränkt das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes bezüglich des Zugangs zur Berufungsinstanz in einer nicht zu rechtfertigenden Weise (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2013 - VII ZB 26/11, WRP 2014, 193 Rn. 4 m.w.N.).
2. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
a) Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerde-gegenstands 600 € nicht übersteige, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Beschwerdewert könne nicht höher sein als der Streitwert erster Instanz, den Amtsgericht und Berufungsgericht übereinstimmend auf 500 € festgesetzt hätten. Der Beklagte könne nicht mit Erfolg einwenden, dass die Klägerin für die vom Mängelbeseitigungsverlangen betroffene Scheibe netto 602,04 € in Rechnung gestellt habe. Das Interesse des Widerklägers sei vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen, § 3 ZPO. Dieses Interesse sei nicht mit dem Bruttorechnungsbetrag von 716,43 € (602,04 € zuzügl. 114,39 € Mehrwertsteuer) zu bemessen, sondern an den Eigenkosten der Widerbeklagten auszurichten, da der Widerkläger keinen Vorschuss oder Schadensersatz fordere, sondern Mängelbeseitigung. Die der Widerbeklagten selbst entstehenden Kosten seien deutlich niedriger als der Rechnungsbetrag, der mit weiteren Kalkulationsposten versehen sei.
Daher könne der Wert der Beschwer insgesamt nur auf einen Höchstwert von 500 € festgesetzt werden.
b) Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
aa) Gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung gegen ein Urteil, in dem das Gericht erster Instanz - wie im Streitfall - die Berufung nicht zugelassen hat, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt. Nach § 2 ZPO in Verbindung mit § 3 ZPO wird der Wert des Beschwerdegegenstandes vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt.
Bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstands gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist auf das Interesse des Berufungsklägers abzustellen, die durch die Widerklageabweisung entstandene Beschwer zu beseitigen. Seine Beschwer entspricht den (voraussichtlichen) Kosten für die Beseitigung der geltend gemachten Mängel (BGH, Urteil vom 26. September 1985 - VII ZR 332/84, NJW 1986, 1110 - zur Beschwer), bezogen auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Berufungsverhandlung (BGH, Beschlüsse vom 27. August 2009 - VII ZR 161/08, ZfBR 2010, 64 und vom 8. Februar 2000 - VI ZR 283/99, NJW 2000, 1343).
bb) Die Erwägung des Berufungsgerichts, maßgebend seien insoweit die niedrigeren Selbstkosten, ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Das Interesse des Widerklägers geht dahin, einen Titel über die Verpflichtung der Klägerin zur Mängelbeseitigung zu erlangen. Maßgebend für die Bewertung dieses Interesses ist nicht der Aufwand, den die Klägerin betreiben müsste, um die Mängelbeseitigung durchzuführen, sondern der Wert, den die Mängelbeseitigung für den Widerkläger hat. Dieser drückt sich in den Kosten aus, die er durch eine nach einer eventuellen Mängelbeseitigung überflüssigen Selbstvornahme durch Inanspruchnahme von Drittunternehmern erspart. Diese Kosten sind identisch mit den Kosten, die er durch eine Vollstreckung aus dem Titel gemäß § 887 ZPO beanspruchen könnte. Der in der Rechnung der Widerbeklagten angesetzte Betrag von 602,04 € netto zuzügl. Mehrwertsteuer (= 716,43 €), der zwischen den Parteien unstreitig ist, gibt einen für die Glaubhaftmachung der Beschwer hinreichenden Anhalt.
cc) Soweit das Berufungsgericht die Rechtsansicht vertreten sollte, es sei in der Beurteilung des Wertes des Beschwerdegegenstandes an die Streitwertfestsetzung erster Instanz gebunden, wäre dies nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu vereinbaren. Bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstands den für eine Wertberufung erforderlichen Betrag von mehr als 600 € erreicht, ist das Berufungsgericht nicht an eine Streitwertfestsetzung durch das erstinstanzliche Gericht gebunden (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2004 - V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219; vom 16. Dezember 1987 - IVb ZB 124/87, NJW-RR 1988, 836, 837; vom 25. September 1991 - XII ZB 61/91, FamRZ 1992, 169, 170; Urteile vom 20. Oktober 1997 - II ZR 334/96, NJW-RR 1998, 573; vom 24. April 1998 - V ZR 225/97, NJW 1998, 2368 jeweils m.w.N.). Es stellt den Wert des Beschwerdegegenstandes vielmehr im Rahmen der ihm von Amts wegen obliegenden Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach eigenem freiem Ermessen fest.
c) Der die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluss kann somit, da sich die Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 577 Abs. 3 ZPO), keinen Bestand haben. Die Sache ist daher zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Kniffka Safari Chabestari Eick
Kartzke Graßnack