Entscheidungsdatum: 23.05.2012
Die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel ist grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsgerichts gestellt. Seiner Nachprüfung unterliegt es, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte (im Anschluss an BGH, 12. Januar 2012, VII ZB 71/09, MDR 2012, 367).
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 20. April 2011 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
I.
Der Gläubiger erstrebt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zu einem Prozessvergleich.
Die Parteien schlossen vor dem Amtsgericht M. am 19. Januar 2009 einen Vergleich. Darin verpflichtete sich der damalige Beklagte und jetzige Schuldner, die von ihm angemietete Wohnung C.-Str. 6 III/9 in M. spätestens am 30. April 2009 vollständig geräumt und besenrein mit allen Schlüsseln an den damaligen Kläger und jetzigen Gläubiger zurückzugeben. Des Weiteren ist bestimmt: "Sollte der Beklagte obige Wohnung nicht bis zum 30. 4. 2009 ordnungsgemäß übergeben haben, so hat er die Klageforderung von 1.003,38 € an die Klägerseite zu zahlen. Ferner bis zum Auszug die vereinbarte Miete von 460 € brutto".
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts M. erteilte dem Kläger am 27. März 2009 eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs. Mit Beschluss vom 14. April 2010 wies das Amtsgericht - Vollstreckungs-gericht - H. den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich der geltend gemachten Hauptforderung in Höhe von 1.463,08 € kostenpflichtig zurück, weil die durch den Urkundsbeamten erteilte Klausel unwirksam sei. Da die Forderung von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sei, bedürfe es einer Klauselerteilung gemäß § 726 ZPO durch den Rechtspfleger. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht H. mit Beschluss vom 18. Mai 2010 zurückgewiesen.
Den daraufhin vom Gläubiger bei dem Amtsgericht M. gestellten Antrag auf Erteilung einer von dem Landgericht H. für erforderlich gehaltenen Vollstreckungsklausel hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 15. März 2011 mit der Begründung zurückgewiesen, die von dem Urkundsbeamten erteilte Klausel sei für die Zwangsvollstreckung ausreichend. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag weiter.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Zwangsvollstreckung aus dem in dem Prozessvergleich titulierten Zahlungsanspruch setze die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel nach § 726 ZPO nicht voraus. Diese Vorschrift erfasse nur die Fälle, in denen der Gläubiger den Eintritt der Tatsachen nach dem Inhalt des Titels oder nach allgemeinen Beweislastregeln zu beweisen habe. Dies sei hier nicht der Fall. Es sei eine allgemein anerkannte Beweislastregel, dass der Verpflichtete die Erfüllung einer ihm obliegenden Leistung, die in einem positiven Tun bestehe, beweisen müsse, und zwar auch dann, wenn sich an die Nichterfüllung oder die nicht rechtzeitige Erfüllung ungünstige Rechtsfolgen knüpften, die der Gläubiger geltend mache. Folgerichtig treffe den Schuldner die Beweislast für die rechtzeitige Erfüllung des Herausgabeanspruchs. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle habe daher die einfache Vollstreckungsklausel nach §§ 724, 725 ZPO erteilen können.
2. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, es könne dahinstehen, ob eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 795b ZPO zu erteilen gewesen sei. Da die qualifizierte Vollstreckungsklausel dem Gläubiger keine weitergehenden Rechte als die einfache Vollstreckungsklausel verschaffe, sei sie jedenfalls in den Fällen zu erteilen, in denen der Gläubiger die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel beantrage und der Eintritt der Tatsache, von der die Vollstreckung abhänge, gerichtsbekannt sei.
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand.
a) Gemäß § 726 Abs. 1, § 795 ZPO darf von Prozessvergleichen, deren Vollstreckung nach ihrem Inhalt von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheit abhängt, eine vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird. Für die Entscheidung, ob die vollstreckbare Ausfertigung gemäß § 725 ZPO von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder gemäß § 726 ZPO, § 20 Nr. 12 RPflG von dem Rechtspfleger zu erteilen ist, kommt es darauf an, wem der Titel die Beweislast zuweist, nicht darauf, wen sie nach der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage treffen würde, aus der der titulierte Anspruch hergeleitet wird. Der Titel ist insoweit auszulegen. Es ist zu fragen, ob mit der Bedingung im Titel dem Gläubiger die Zwangsvollstreckung erst ermöglicht oder nur dem Schuldner die Möglichkeit eingeräumt werden soll, die Zwangsvollstreckung abzuwenden (vgl. Schuschke/Walker/Schuschke, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 726 ZPO Rn. 3).
b) Das Beschwerdegericht hat den Vergleich dahin ausgelegt, dass die den Zahlungsanspruch des Gläubigers von der Nichterfüllung des Herausgabeanspruchs durch den Schuldner abhängig machende Abrede dem Zweck diene, den Gläubiger von jedem Risiko der Verzögerung freizustellen und umgekehrt dem Schuldner die Befugnis zu gewähren, die Fälligkeit und Vollstreckung des Zahlungsanspruchs durch rechtzeitige Erfüllung der Herausgabeverpflichtung abzuwenden. Dies ist ebenso wie die von dem Beschwerdegericht daraus abgeleitete Rechtsfolge, dass den Schuldner die Beweislast für die rechtzeitige Erfüllung des Herausgabeanspruchs treffen soll, eine mögliche und nicht von Rechtsfehlern beeinflusste Auslegung.
4. Mit dieser Entscheidung ist dem Gläubiger nicht endgültig die Möglichkeit genommen, den mit dem Vergleich titulierten Zahlungsanspruch zu vollstrecken.
a) Zwar hat das Vollstreckungsgericht den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf der Grundlage der ihm erteilten einfachen Klausel rechtskräftig abgewiesen. Es hat die Erteilung eines solchen Beschlusses davon abhängig gemacht, dass der Gläubiger eine qualifizierte Klausel vorlegt. Das war rechtsfehlerhaft. Der Senat hat inzwischen entschieden (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 - VII ZB 71/09, MDR 2012, 367), dass das Vollstreckungsgericht bei einem Antrag auf Erteilung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nur zu prüfen hat, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte. Deshalb ist es insbesondere nicht Sache des mit der Vollstreckung des Titels befassten Vollstreckungsorgans, die Wirksamkeit der Klausel am Inhalt des Titels zu messen und die erforderliche Abgrenzung zwischen unbedingt und bedingt vollstreckbaren Titeln vorzunehmen.
b) Der Gläubiger kann, gestützt auf die bereits vorgelegte, vom Urkundsbeamten erteilte einfache Klausel und den vorliegenden Beschluss erneut einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich des Zahlungsanspruchs aus dem Vergleich beantragen. Dem steht die Rechtskraft des die Erteilung ablehnenden Beschlusses nicht entgegen. Denn dieser Beschluss entfaltet keine materielle Rechtskraftwirkung. Eine solche Wirkung kommt lediglich Beschlüssen zu, die formell rechtskräftig werden und inhaltlich eine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung enthalten (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2004 - IV ZB 43/03, NJW 2004, 1805, 1806 m.w.N.). Um eine solche Entscheidung handelt es sich bei dem den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abweisenden Beschluss nicht; entschieden worden ist insoweit lediglich über das Vorliegen einer formellen Voraussetzung der Zwangsvollstreckung.
Dem Gläubiger fehlt für einen erneuten gleichlautenden Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn aufgrund der zwischenzeitlichen Entscheidung des Senats, dass das Vollstreckungsgericht bei einem Antrag auf Erteilung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht zu prüfen hat, ob eine vorhandene Klausel erteilt werden durfte, ist insoweit eine Klärung herbeigeführt worden, so dass von dem Vollstreckungsgericht auf dieser Grundlage neu über einen entsprechenden Antrag zu befinden sein wird (vgl. Musielak/Fischer, ZPO, 9. Aufl., § 127 Rn. 6 a.E.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Eick Halfmeier