Entscheidungsdatum: 18.11.2015
1. Wer zu einem Gläubiger in einem Rechtsverhältnis steht, aufgrund dessen er diesem möglicherweise als Gesamtschuldner mit einem weiteren Schuldner haftet, hat ein rechtliches Interesse daran, dass eine Klage des Gläubigers gegen den weiteren Schuldner Erfolg hat (Fortführung von BGH, Urteile vom 22. Juli 2009, XII ZR 77/06, BGHZ 182, 116 Rn. 38; vom 21. Juni 1951, III ZR 5/50, LM Nr. 1 zu § 66 ZPO).
2. Im selbständigen Beweisverfahren ist entsprechend § 71 ZPO über einen Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention durch Beschluss zu entscheiden.
3. Für ein rechtliches Interesse entsprechend § 66 Abs. 1 ZPO am Beitritt in einem selbständigen Beweisverfahren muss der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens in einem Rechtsverhältnis stehen, auf welches das Ergebnis der in dem selbständigen Beweisverfahren stattfindenden zulässigen Beweiserhebung unmittelbar oder mittelbar rechtlich einwirkt.
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners zu 1 gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 5. Januar 2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
I.
Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist ein Zwischenstreit über die Zulässigkeit von Nebeninterventionen in einem selbständigen Beweisverfahren.
Die Antragstellerin macht Baumängel an einem in ihrem Auftrag errichteten Pflegeheim geltend. Sie hat ein selbständiges Beweisverfahren gegen zwei bauausführende Unternehmen sowie den Antragsgegner zu 1 (im Folgenden: Antragsgegner) eingeleitet. Sie trägt vor, sie habe den Antragsgegner mit Leistungen der Leistungsphasen 4 bis 9 gemäß § 15 Abs. 2 HOAI a.F. einschließlich Projektsteuerung, Winterbau sowie Architektenleistungen für Außenanlagen, Statik und Haustechnik, Bauleitung und Dokumentation beauftragt. Die von ihr geltend gemachten Baumängel seien durch ihn (mit-)verursacht worden. Das im selbständigen Beweisverfahren in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten bezieht sich unter anderem auf das Vorliegen von Mängeln und deren Ursachen, insbesondere auf die Frage, ob die Planung oder Bauüberwachung des Antragsgegners ursächlich für die geltend gemachten Mängel ist.
Der Antragsgegner hat unter anderem den Streithelfern zu 1 bis 3 der Antragstellerin den Streit verkündet mit der Aufforderung, ihm in dem selbständigen Beweisverfahren beizutreten. Zur Begründung hat er ausgeführt, sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit der Haustechnik habe die Streithelferin zu 1, ein Ingenieurbüro in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter die Streithelfer zu 2 und 3 sind, erbracht. Für den Fall, dass sich die Mangelbehauptungen der Antragstellerin im Zusammenhang mit Abdichtungen in den Bädern bestätigen sollten, und für den Fall, dass er dafür gegenüber der Antragstellerin einzustehen habe, könne er sich bei den Streithelfern gemäß § 426 BGB schadlos halten.
Die Streithelfer haben ihren Beitritt auf Seiten der Antragstellerin erklärt. Sie machen geltend, hieran ein rechtliches Interesse zu haben. Die Streithelferin zu 1 sei aufgrund eines Vertrages mit der Bauherrin mit Fachplanungsleistungen befasst gewesen, während der Antragsgegner aufgrund eines gesonderten Vertrages mit der Bauherrin als Generalplaner beauftragt worden sei. Für den Fall, dass die von der Antragstellerin behaupteten Mängel zuträfen und diese ursächlich auf die von dem Antragsgegner zu überwachende Befestigung und Anordnung der Flansche durch das Estrichleger-/Fliesenlegergewerk zurückzuführen sein sollten, wäre ihrerseits eine diesbezügliche Haftung ausgeschlossen. Die Behauptung der Ursächlichkeit dieser Umstände für mögliche Mängelsymptome wäre ihnen rechtlich verwehrt, wenn sie auf Seiten des Antragsgegners beitreten würden.
Der Antragsgegner hat beantragt, die Nebenintervention der Streithelfer zu 1 bis 3 auf der Seite der Antragstellerin analog § 71 ZPO zurückzuweisen. Das Landgericht hat entschieden, dass im selbständigen Beweisverfahren keine Entscheidung zu der Frage erfolge, ob eine Nebenintervention zulässig sei oder nicht. Das Beschwerdegericht hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Streithelfer als Nebenintervenienten zugelassen werden. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er weiterhin die Zurückweisung der Nebeninterventionen als unzulässig erreichen möchte.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass in analoger Anwendung von § 71 ZPO im selbständigen Beweisverfahren auch über den Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention zu entscheiden sei. Dabei komme es für die Zulässigkeit der Nebenintervention bei einer entsprechenden Anwendung von § 66 ZPO darauf an, wann ein "Obsiegen" im selbständigen Beweisverfahren anzunehmen sei. Aus Sicht des Antragstellers obsiege er im selbständigen Beweisverfahren, wenn die von ihm behaupteten Mängel und deren Verursachung durch den Antragsgegner festgestellt würden. Demjenigen, dem der Antragsgegner den Streit verkündet habe, sei zwar am besten damit gedient, wenn die Mängel und/oder deren Verursachung durch den Antragsgegner nicht festgestellt würden, der Antragsteller mithin im selbständigen Beweisverfahren nicht "obsiegen" würde. Am zweitbesten sei ihm allerdings damit gedient, wenn der Antragsteller obsiege, indem festgestellt werde, dass die Mängel vorhanden und durch den Antragsgegner - jedenfalls aus technischer Sicht - allein verursacht worden seien. Eine solche Feststellung könne der Streitverkündete praktisch nur durch einen Beitritt auf Seiten des Antragstellers erreichen, weil er im Fall eines Beitritts auf Seiten des Streitverkünders daran gehindert sei, Beweisanträge zu stellen, die zu dessen Vorbringen im Widerspruch stehen. Da ein selbständiges Beweisverfahren auch dem Ziel der Vermeidung eines Rechtsstreits diene, sei ein "Obsiegensinteresse" so zu verstehen, dass auch Rückgriffsprozesse möglichst vermieden werden. Aus diesen Gründen hätten die Streithelfer ein rechtliches Interesse daran, dass die Antragstellerin im selbständigen Beweisverfahren obsiege.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Vorschriften über die Nebenintervention und die Streitverkündung (§§ 66 ff. ZPO) im selbständigen Beweisverfahren entsprechend anzuwenden sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - VII ZB 9/12, BGHZ 194, 68 Rn. 6 m.w.N.). Damit ist auch entsprechend § 71 ZPO im selbständigen Beweisverfahren über einen Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention zu entscheiden.
b) Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht ebenfalls angenommen, die Streithelfer zu 1 bis 3 hätten ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner entsprechend § 66 Abs. 1, § 71 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht.
aa) Der Begriff des rechtlichen Interesses in § 66 Abs. 1 ZPO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - I ZB 63/09, NJW-RR 2011, 907 Rn. 10; vom 17. Januar 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 166, 18 Rn. 7). Aus dem Erfordernis eines rechtlichen Interesses folgt jedoch, dass ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse für die Zulässigkeit einer Nebenintervention nicht ausreicht. Es ist erforderlich, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - I ZB 63/09, NJW-RR 2011, 907 Rn. 10; vom 24. April 2006 - II ZB 16/05, WM 2006, 1252 Rn. 8; vom 17. Januar 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 166, 18 Rn. 7). Der bloße Wunsch eines Nebenintervenienten, der Rechtsstreit möge zugunsten einer Partei entschieden werden, und die Erwartung, dass die damit befassten Gerichte auch in einem künftigen eigenen Rechtsstreit mit einer Partei an einem einmal eingenommenen Standpunkt festhalten und zu einer ihm günstigen Entscheidung gelangen, stellen lediglich Umstände dar, die ein tatsächliches Interesse am Obsiegen einer Partei zu erklären vermögen. Das genügt ebenso wenig wie der denkbare Umstand, dass in beiden Fällen dieselben Ermittlungen angestellt werden müssen oder über gleichgelagerte Rechtsfragen zu entscheiden ist (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - I ZB 63/09, aaO; vom 24. April 2006 - II ZB 16/05, aaO Rn. 12).
bb) Nähme die Antragstellerin den Antragsgegner in einem Rechtsstreit wegen der von ihr behaupteten Mängel in Anspruch, hätten die Streithelfer nach diesen Maßstäben ein rechtliches Interesse daran, dass die Antragstellerin obsiege.
(1) Zwar machen die Streithelfer in erster Linie geltend, ein Interesse daran zu haben, dass nur der Antragsgegner für die geltend gemachten Mängel am Bauwerk hafte. Dies allein wäre noch kein ausreichendes rechtliches Interesse am Obsiegen der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner gemäß § 66 Abs. 1 ZPO. Denn ein Obsiegen der Antragstellerin hinge nicht davon ab, ob der Antragsgegner allein oder gemeinsam mit oder neben den Streithelfern haftet.
Die Antragstellerin behauptet wegen der noch ungeklärten Ursache für die Mangelsymptome am Bauwerk nur allgemein, dass der Antragsgegner im Rahmen seiner ihm als Architekten obliegenden Aufgaben hierfür verantwortlich ist. Das schließt nicht aus, wie der Antragsgegner bei seiner Streitverkündung dargelegt hat, dass neben ihm auch die Streithelfer haften, etwa weil sich ihre Aufgabenbereiche überschnitten haben. Ebenso kommt aber auch in Betracht, dass von ihnen niemand für die Mängel am Bauwerk verantwortlich ist, weil diese (lediglich) von den bauausführenden Unternehmen zu verantworten sind.
Die Antragstellerin macht nicht geltend, dass die Mängel auf Umständen beruhten, die nur entweder von dem Antragsgegner oder den Streithelfern verursacht sein könnten (tatsächliche Alternativität, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 102/14, BGHZ 204, 12). Gegenstand eines Rechtsstreits wäre nicht die Frage, ob abgesehen von der Haftung bauausführender Unternehmer der Antragsgegner allein (und nicht die Streithelfer) die Mängel am Bauwerk verursacht haben. Es könnte sich im Rahmen eines solchen Rechtsstreits allenfalls zufällig bei der Ermittlung der Ursache der Mängel ergeben, dass die Streithelfer diese nicht (mit)verursacht haben. Davon wäre ein Obsiegen der Antragstellerin nicht abhängig.
(2) Ein rechtliches Interesse gemäß § 66 Abs. 1 ZPO an einem Beitritt auf Seiten der Antragstellerin hätten die Streithelfer in einem Rechtsstreit aber deshalb, weil auch in Betracht kommt, dass sie als Gesamtschuldner zusammen mit dem Antragsgegner haften.
Wer zu einem Gläubiger in einem Rechtsverhältnis steht, aufgrund dessen er diesem möglicherweise als Gesamtschuldner mit einem weiteren Schuldner haftet, hat ein rechtliches Interesse daran, dass eine Klage des Gläubigers gegen den weiteren Schuldner Erfolg hat. Jedenfalls die erfolgreiche Vollstreckung eines Urteils durch den obsiegenden Gläubiger würde rechtlich auf das Rechtsverhältnis einwirken. Denn der (unterstellte) Anspruch des Gläubigers gegen ihn würde hierdurch gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Gläubiger erfüllt und außerdem entweder ganz oder teilweise erlöschen oder auf den weiteren Schuldner übergehen, § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. auch BGH, Urteile vom 22. Juli 2009 - XII ZR 77/06, BGHZ 182, 116 Rn. 38; vom 21. Juni 1951 - III ZR 5/50, LM Nr. 1 zu § 66 ZPO; kritisch Wieczorek/Schütze/Mansel, ZPO, 3. Aufl., § 66 Rn. 63).
Diese Voraussetzungen liegen vor, weil die Möglichkeit besteht, dass sich die Aufgabenbereiche der Streithelfer und des Antragsgegners aus den unabhängigen Verträgen mit der Bauherrin in einer Weise überschnitten haben, dass beide für die Mängel am Bauwerk (mit)verantwortlich sind.
cc) Kein anderes Ergebnis ergibt sich daraus, dass § 66 Abs. 1 ZPO in einem selbständigen Beweisverfahren nur entsprechend angewandt werden kann, weil es ein "Obsiegen" im engeren Sinne hier nicht gibt.
(1) Zu Recht ist das Beschwerdegericht im Ansatz davon ausgegangen, dass nicht auf ein Obsiegen in einem gedachten Hauptsacheprozess abzustellen ist. Eine derartige hypothetische Prüfung ist in diesem Stadium eines Verfahrens schon deshalb nicht möglich, weil noch nicht feststeht, mit welchen Anträgen ein solches Hauptsacheverfahren durchgeführt werden würde. Ebenso zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass ein Antragsteller in einem selbständigen Beweisverfahren bei einer entsprechenden Anwendung von § 66 Abs. 1 ZPO dann "obsiegt", wenn die von ihm behaupteten Mängel und deren Verursachung durch den Antragsgegner festgestellt werden. Insoweit besteht sein rechtliches Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Antragsgegner an der Feststellung des Zustandes einer Sache und der Ursache eines Sachmangels, für den eine Haftung des Antragsgegners ihm gegenüber in Betracht kommt.
Mithin kommt es darauf an, ob der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens in diesem Sinne in einem Rechtsverhältnis steht, auf welches das Ergebnis der in dem selbständigen Beweisverfahren stattfindenden zulässigen Beweiserhebung unmittelbar oder mittelbar rechtlich einwirkt.
(2) Das ist der Fall. Das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens und ein Obsiegen der Antragstellerin wirken jedenfalls mittelbar auf das Rechtsverhältnis der Streithelfer zur Antragstellerin ein. Die begehrte Feststellung der Verursachung der Mängel durch den Antragsgegner ist eine Grundlage dafür, dass dieser deswegen von der Antragstellerin in Anspruch genommen werden kann. Das hätte die oben unter bb) (2) dargestellten rechtlichen Folgen im Verhältnis der Streithelfer zur Antragstellerin.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Eick Halfmeier Kartzke
Jurgeleit Sacher