Entscheidungsdatum: 14.01.2010
§ 130a Abs. 1 Satz 2 ZPO enthält für bestimmende Schriftsätze nicht nur eine Ordnungsvorschrift; diese müssen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein .
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 2008 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
I.
Der Kläger hat gegen das seine Klage abweisende Urteil des Landgerichts form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist am 17. April 2008 abgelaufen. An diesem Tag um 19.50 Uhr ist die Berufungsbegründung in elektronischer Form beim Berufungsgericht eingegangen. Ausweislich des gerichtlichen Prüfprotokolls wurde das Zertifikat für den Signaturschlüssel der Prozessbevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwältin R., zum Zeitpunkt der Prüfung zurückgewiesen. Nach einem Aktenvermerk des für das elektronische Gerichtsfach zuständigen Justizbeamten H. hat dieser "das Rechtsanwaltsbüro R...er am 17.4.08 gegen 10.00 Uhr telefonisch über den Mangel und seine Folgen unterrichtet".
Die Signaturkarte war Rechtsanwältin R. mit Schreiben der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer vom 31. März 2008 übersandt worden. Dieses Schreiben enthält die Aufforderung, die beigefügte Empfangsbestätigung unterschrieben zurückzusenden, "damit Ihr Zertifikat im Verzeichnisdienst freigeschaltet werden kann". In den ebenfalls beigefügten "Erläuterungen zu Inbetriebnahme und Einsatz der Signaturkarte" heißt es: "Ihre Signaturkarte neuer Technik ... ist ab sofort gültig".
Die von der Zertifizierungsstelle vorgelegte Empfangsbestätigung der Rechtsanwältin R. trägt den Eingangsstempel vom 25. April 2008. Nach Auskunft der Bundesnotarkammer ist die Signaturkarte am gleichen Tag freigeschaltet worden.
Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2008, eingegangen am 3. Juni 2008, hat der Kläger die Berufungsbegründung nochmals eingereicht und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, entgegen dem Aktenvermerk des Justizbeamten H. sei das Rechtsanwaltsbüro R. nicht unterrichtet worden; insbesondere sei nicht mit einer Person namens R...er telefoniert worden. Bei Rechtsanwältin R. hätten die Voraussetzungen für die Übermittlung mit qualifizierter Signatur vorgelegen. Wenn die interne Überprüfung zu anderen Ergebnissen gelange, könne ihr das nicht zugerechnet werden. Auch die Übersendungsprotokolle enthielten keine Fehlermeldung.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er zur Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe eidesstattliche Versicherungen beider Rechtsanwälte R. und einer Kanzleiangestellten vorgelegt hat.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1, § 575 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Kläger hat zwar die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Ihm ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
1. Das Berufungsgericht führt aus, die am 17. April 2008 in elektronischer Form eingegangene Berufungsbegründungsschrift sei entgegen § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht mit einer ausreichenden qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen. Eine solche sei ebenso wie die Unterschrift nach § 130 Nr. 6 ZPO zwingendes Erfordernis bei bestimmenden Schriftsätzen. Das Zertifikat für den Signaturschlüssel werde aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 2 Signaturverordnung (SigV) durch den Zertifizierungsdiensteanbieter erst nach Rücksendung der Empfangsbestätigung über den Erhalt der Signaturkarte nachprüfbar gehalten und damit freigeschaltet. Darauf sei Rechtsanwältin R. im Schreiben der Zertifizierungsstelle vom 31. März 2008 hingewiesen worden. Ausweislich des Eingangsstempels sei die Empfangsbestätigung erst am 25. April 2008 eingegangen. Zwar habe der Kläger eine Notiz vom 30. Mai 2008 vorgelegt, die von einer Mitarbeiterin von Rechtsanwältin R. stammen solle und nach der ein Telefonat mit der Zertifizierungsstelle ergeben habe, dass die Empfangsbestätigung am 7. April 2008 eingegangen sei. Dieser Notiz sei jedoch weder zu entnehmen, wer diese Auskunft erteilt habe noch auf welcher Grundlage sie erteilt worden sei. Hingegen spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Eingangsstempel auch tatsächlich den Tag des Eingangs ausweise. Diese Vermutung werde durch die Notiz angesichts deren geringen Aussagekraft nicht erschüttert.
Dem Kläger sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag sei nicht innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO gestellt worden und damit unzulässig. Denn obwohl das Büro von Rechtsanwältin R. am 18. April 2008 telefonisch über den Mangel unterrichtet worden sei, sei der Wiedereinsetzungsantrag erst mit Schriftsatz vom 2. Juni 2008 erfolgt. Der Kläger habe darin zwar eine Unterrichtung am 17. April 2008 bestritten. Bei einer Befragung des Justizbeamten H. durch die Berichterstatterin habe dieser jedoch angegeben, am 18. April 2008 eine Büromitarbeiterin von Rechtsanwältin R. informiert zu haben; die Datumsangabe "17." im Vermerk und die Bezeichnung "R...er" beruhten auf einem Versehen. Daher sei davon auszugehen, dass Rechtsanwältin R. am 18. April 2008 von der fehlenden Wirksamkeit der elektronischen Signatur Kenntnis gehabt habe. Damit sei der Wiedereinsetzungsantrag verspätet.
Er wäre darüber hinaus auch nicht begründet. Der Hinweis des Klägers auf das Übersendungsschreiben der Zertifizierungsstelle und das beigefügte Informationsblatt reichten nicht aus, ein Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten auszuräumen. Denn vor der Freischaltung des Zertifikats habe es einer Rücksendung der Empfangsbestätigung durch Rechtsanwältin R. bedurft. Der Kläger habe nichts dazu vorgetragen, wann die Empfangsbestätigung abgesandt worden sei. Das Informationsblatt beziehe sich ersichtlich auf die Ablösung der bisher ausgegebenen Signaturkarten durch Karten mit neuer Technik und deren sofortige Verwendbarkeit, sage aber nichts darüber aus, welche Voraussetzungen zu erfüllen seien, damit das Zertifikat nachprüfbar gehalten und damit freigeschaltet werde. Diese ergäben sich aus § 5 Abs. 2 SigV. Die Unkenntnis dieser Vorschrift habe Rechtsanwältin R. zu vertreten, zumal sie in dem Schreiben der Zertifizierungsstelle darauf hingewiesen worden sei, dass eine Freischaltung erst nach Rücksendung der Empfangsbestätigung erfolgen würde.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Berufung ist zwar nicht fristgerecht begründet worden (a). Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (b).
a) Der Kläger hat die Berufungsbegründungsfrist versäumt, weil die am 17. April 2008 als elektronisches Dokument eingereichte Berufungsbegründung entgegen § 520 Abs. 5, § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht mit einer ordnungsgemäßen qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist und damit nicht die gesetzliche Form aufweist.
aa) § 130 a ZPO wurde durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542) eingeführt. Er ermöglicht es, die in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift genannten Dokumente als elektronisches Dokument, als E-Mail (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357 Tz. 6), bei Gericht einzureichen. Nach Abs. 1 Satz 2 der Norm soll die verantwortende Person das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Bei der qualifizierten elektronischen Signatur (§ 2 Nr. 3 SigG) handelt es sich um eine elektronische Signatur nach § 2 Nr. 1 SigG, die zusätzlich die Voraussetzungen der fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach Nr. 2 der Vorschrift erfüllen und weiter auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt worden sein muss. Eine qualifizierte elektronische Signatur tritt an die Stelle der eigenhändigen Unterschrift im Sinne von § 130 Nr. 6 ZPO (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08, NJW 2008, 2649 Tz. 10). Sie soll dem elektronischen Dokument insbesondere im Hinblick auf dessen "Flüchtigkeit" und sonst spurenlos mögliche Manipulierbarkeit eine dem Papierdokument vergleichbare dauerhafte Fassung verleihen (Perpetuierungsfunktion, vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357 und BT-Drucks. 14/4987 S. 24). Der Gesetzgeber hat sich damit für eine besonders hohe Sicherheitsstufe elektronischer Signaturen entschieden (vgl. Stadler, ZZP 2002, 411, 420).
bb) Im Rahmen des § 130 Nr. 6 ZPO stellt trotz der Verwendung des Wortes "soll" die Unterschrift grundsätzlich eine unerlässliche Wirksamkeitsvoraussetzung für bestimmende Schriftsätze dar (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08, NJW 2008, 2649 Tz. 11; Beschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 120/06, NJW-RR 2008, 1020 Tz. 7; Beschluss vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05, NJW 2006, 1521 Tz. 6 und Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086 Tz. 15; st. Rspr.). Das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (vgl. oben aa) brachte nur insoweit eine Ergänzung, als nach der 2. Alt. von § 130 Nr. 6 ZPO bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie genügt. Eine Korrektur der umfangreichen Rechtsprechung zum Unterschriftserfordernis war nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz nicht beabsichtigt (BT-Drucks. 14/4987 S. 24).
cc) Ob es sich bei der qualifizierten elektronischen Signatur im Rahmen von § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO ebenfalls grundsätzlich um eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung bei bestimmenden Schriftsätzen handelt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Zum Teil wird die Vorschrift entsprechend ihrem Wortlaut lediglich als Ordnungsvorschrift verstanden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 130 a Rdn. 4; HK-ZPO/Wöstmann, 2. Aufl., § 130 a Rdn. 3; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., § 129 Rdn. 8 und § 130 a Rdn. 3; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 130 a Rdn. 4). Andere sehen in der Norm in Anlehnung an das Verständnis von § 130 Nr. 6 ZPO eine Muss-Vorschrift (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 130 a Rdn. 8; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 29. Aufl., § 130 a Rdn. 2; MünchKommZPO-Wagner, 3. Aufl., § 130 a Rdn. 4; PG/Prütting, ZPO, § 130 a Rdn. 5; Krüger-Bütter, MDR 2003, 181, 182 Fn. 12; Dästner, NJW 2001, 3469, 3470; LAG Köln, Beschluss vom 19. November 2003, 4 Ta 318/03, bei Juris, Tz. 29). Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2008 (IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357 Tz. 9) nur ausgeführt, der Gesetzgeber habe die qualifizierte elektronische Signatur des Absenders "vorgeschrieben", eine E-Mail, welche diesen Anforderungen nicht genüge, sei nicht geeignet, die gesetzliche Frist für einen bestimmenden Schriftsatz zu wahren.
dd) § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dahin auszulegen, dass bei bestimmenden Schriftsätzen der Absender das elektronische Dokument grundsätzlich mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen muss. Trotz der Verwendung des Wortes "soll" handelt es sich nicht nur um eine Ordnungsvorschrift.
(1) Dafür spricht schon der erforderliche Gleichklang mit § 130 Nr. 6 ZPO. Die qualifizierte elektronische Signatur tritt an die Stelle der Unterschrift. Wird diese trotz des Gesetzeswortlauts grundsätzlich als unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung angesehen, muss das auch für die qualifizierte elektronische Signatur gelten. Auch Greger (bei Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 130 a Rdn. 4) räumt ein, dass die Lösung einheitlich sein muss.
(2) Dieses Verständnis entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. hierzu Dästner, NJW 2001, 3469). Allerdings wird in der Begründung des Regierungsentwurfs § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO als Ordnungsvorschrift bezeichnet (BT-Drucks. 14/4987 S. 24). Dagegen wandte sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme; es genüge nicht, eine solche Signatur lediglich im Rahmen einer Soll-Vorschrift vorzusehen (aaO S. 36). In ihrer Gegenäußerung stimmte die Bundesregierung dem nicht zu (aaO S. 43). Daraufhin wurde der Vermittlungsausschuss angerufen. Er hielt eine Änderung des Regierungsentwurfs nicht für erforderlich. In der abschließenden Sitzung des Bundesrates wurde hierzu folgende Erklärung des Vermittlungsausschusses zu Protokoll gegeben:
"Die Formvorschrift in § 130 a Abs. 1 ZPO ... ist der Soll-Regelung für die Unterschrift unter vorbereitende Schriftsätze gemäß § 130 Nr. 6 nachgebildet. Diese Regelung interpretiert die Rechtsprechung für bestimmende Schriftsätze als Muss-Vorschrift, ... Der Vermittlungsausschuss geht davon aus, dass auch die Formvorschrift in § 130 a Abs. 1 ZPO ... für bestimmende Schriftsätze als Muss-Vorschrift zu interpretieren ist ..."
Dem haben der Bundesrat und der Bundestag zugestimmt (vgl. Protokoll über die 765. Sitzung des Bundesrats vom 22. Juni 2001, S. 312, 322).
(3) Allerdings hat der Bundesfinanzhof (BFHE 115, 53 Tz. 33) den gleich lautenden § 77 a Abs. 1 Satz 2 FGO a.F. gleichwohl als Ordnungsvorschrift qualifiziert, weil dieses Normverständnis des Gesetzgebers im Gesetz keinen Ausdruck gefunden habe. Eine Vorlage der Sache an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß § 2 Abs. 1 RsprEinhG ist jedoch entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich. Denn § 77 a FGO a.F. war zwar auf den damals vom Bundesfinanzhof zu entscheidenden Fall noch anwendbar, wurde aber durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22. März 2005 (BGBl. I S. 837) aufgehoben und durch § 52 a FGO ersetzt. Abs. 1 Satz 3 dieser Vorschrift bestimmt, dass in der Rechtsverordnung, mit der die Übermittlung elektronischer Dokumente zugelassen wird, für die Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, eine qualifizierte elektronische Signatur vorzuschreiben ist. Gleichlautende Vorschriften wurden in § 55 a VwGO und in § 65 a SGG geschaffen, wobei auch hier die § 130 a ZPO entsprechenden Vorgängerregelungen aufgehoben wurden. § 130 a ZPO selbst blieb dagegen unverändert in Kraft. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es dazu, § 52 a FGO, § 55 a VwGO und § 65 a SGG deckten sich inhaltlich mit der Regelung des § 130 a ZPO und präzisierten die in dieser Vorschrift enthaltene "Soll-Regelung" (BT-Drucks. 15/4067 S. 37 ff.). Der Gesetzgeber ging somit davon aus, dass § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO für bestimmende Schriftsätze die qualifizierte elektronische Signatur vorschreibt und dass mit Inkrafttreten des Justizkommunikationsgesetzes inhaltlich zwischen den entsprechenden Regelungen in den einzelnen Verfahrensordnungen ein Gleichklang besteht. Eine Änderung von § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO selbst hielt er ersichtlich im Hinblick auf die zu § 130 Nr. 6 ZPO ergangene Rechtsprechung und das zu § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Normverständnis nicht für erforderlich.
(4) Dieses Ergebnis führt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht zu nicht hinnehmbaren Wertungswidersprüchen im Hinblick auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 (GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160) zur Wirksamkeit von Computerfaxen. Am Ende dieser Entscheidung ist ausgeführt:
"Entspricht ein bestimmender Schriftsatz ... inhaltlich den prozessualen Anforderungen, so ist die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt, dass seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann. Auch der Wille, einen solchen Schriftsatz dem Gericht zuzuleiten, kann in aller Regel nicht ernsthaft bezweifelt werden."
Die Rechtsbeschwerde meint, dann sei auch das Verlangen einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht zu rechtfertigen; auch das Computerfax garantiere keine Authentizität des Urhebers. Sie übersieht, dass die qualifizierte elektronische Signatur neben den sonstigen Funktionen der Unterschrift (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 120/06, NJW-RR 2008, 1020 Tz. 7) insbesondere auch gewährleisten soll, dass das elektronische Dokument nicht spurenlos manipuliert werden kann (Perpetuierungsfunktion; vgl. BT-Drucks. 14/4987 S. 24 und BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357 Tz. 9). Auch das spricht in erheblichem Maße dafür, § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO bei bestimmenden Schriftsätzen grundsätzlich als Muss-Vorschrift zu verstehen und rechtfertigt eine gegenüber dem Computerfax unterschiedliche Handhabung. Ob die oben genannte Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes durch die Neufassung von § 130 Nr. 6 ZPO überholt ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086 Tz. 17), muss der Senat bei dieser Sachlage nicht entscheiden.
ee) Danach war hier für eine formgerechte Berufungsbegründung erforderlich, dass sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist. Diese Voraussetzungen sind nicht eingehalten worden.
Eine qualifizierte elektronische Signatur beruht auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat, § 2 Nr. 3 a) und Nr. 7 SigG. Dieses Zertifikat darf erst nachprüfbar gehalten werden, wenn der Signaturschlüsselinhaber den Erhalt der sicheren Signaturerstellungseinheit gegenüber dem Zertifizierungsdiensteanbieter bestätigt hat. Es reicht deshalb nicht aus, dass die Signaturkarte und die persönlichen Identifikationsnummern bereits an Rechtsanwältin R. ausgegeben worden waren. Erforderlich war auch eine Freischaltung des qualifizierten Zertifikats, der die geforderte Empfangsbestätigung vorauszugehen hatte. Ein nicht freigeschaltetes Zertifikat konnte keine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des Signaturgesetzes erzeugen. Die für eine Berufungsbegründung erforderliche Form ist nicht eingehalten.
ff) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde darauf, dass der Bundesgerichtshof vom Unterschriftserfordernis im Sinne des § 130 Nr. 6 ZPO Ausnahmen zugelassen hat, wenn sich aus anderen Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür bietet, dass der Prozessbevollmächtigte die Berufung eingelegt, die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelschrift übernommen hat und diese willentlich in den Verkehr gelangt ist (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2009 - VII ZB 85/08, MDR 2009, 882 m.w.N.). Weder aus der Art der Übertragung noch aus dem Inhalt des Prüfprotokolls ergibt sich eine der qualifizierten elektronischen Signatur vergleichbare Sicherheit dafür, dass die Berufungsbegründung von Rechtsanwältin R. stammt. Der Rechtsbeschwerde ist allerdings zuzugeben, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dies nicht der Fall war und dafür, dass diese nicht willentlich in den Verkehr gelangt ist, gering war. Aus dem Prüfprotokoll ergibt sich, dass eine Signatur benutzt worden ist, die Rechtsanwältin R. zugewiesen worden ist. Auch kann dem Prüfprotokoll entnommen werden, dass die Signatur gültig ist. Es fehlt jedoch das Zertifikat. Durch das Zertifikat bestätigt der Zertifizierungsdiensteanbieter, dass der zur Überprüfung einer elektronischen Signatur erforderliche Signaturprüfschlüssel (§ 2 Nr. 5 SigG) einer von ihm identifizierten natürlichen Person zugeordnet wird (§ 2 Nr. 6 und Nr. 7, § 5 Abs. 1 SigG). Erst das Zertifikat verschafft ausreichend Sicherheit dafür, dass die in dem Dokument als Absender bezeichnete Person identisch ist mit dem Schlüsselinhaber. Ohne das Zertifikat besteht diese Sicherheit nicht in ausreichender Weise, weil es möglich ist, dass die Schlüsselkarte und die Identifikationsnummern in falsche Hände geraten sind. Der Gesetzgeber hat sich in § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO für die qualifizierte elektronische Signatur und damit für eine besonders hohe Sicherheitsstufe elektronischer Signaturen entschieden (vgl. Stadler ZZP 2002, 411, 420). Es geht nicht an, diese gesetzlichen Sicherheitsanforderungen dadurch zu unterlaufen, dass Ausnahmen zu den sich aus § 130 a ZPO ergebenden Formerfordernissen zugelassen werden, die im Ergebnis niedrigeren Sicherheitsstufen entsprechen. Es reicht auch nicht aus, dass die durch die Verwendung des Signaturschlüssels garantierte Perpetuierungsfunktion möglicherweise gewahrt ist. Vielmehr müssen alle Voraussetzungen für die qualifizierte elektronische Signatur im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist vorliegen. Eine Bestätigung durch das später erteilte Zertifikat ist nicht möglich. Insoweit gilt nichts anderes als für die Nachholung einer Unterschrift nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist. Diese kann den Formmangel nicht heilen (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 1979 - VII ZB 13/79, VersR 1980, 331).
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt.
aa) Der Antrag ist nicht verspätet.
(1) Allerdings geht der Senat aufgrund der Erklärung des Sachbearbeiters H. davon aus, dass dieser im Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. April 2008 angerufen und darauf hingewiesen hat, dass die Signatur vom Zertifizierungsdiensteanbieter zurückgewiesen worden und das Dokument deshalb nicht formwirksam eingegangen ist. Der Umstand, dass dieser das Telefongespräch auf den 17. April und das Büro mit R…er, statt mit R. bezeichnet hat, beruht offensichtlich auf einem Versehen. Zu dem Datum ergibt sich das schon daraus, dass der Vermerk eingangs erwähnt, ihm sei der Eingang erst am 18. April 2008 vorgelegt worden. Die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten A. vermag keine andere Überzeugung zu vermitteln. Es erscheint schon wenig glaubhaft, dass diese alle Telefonate in der Kanzlei entgegennimmt, ohne zu erläutern, wie verfahren wird, wenn sie ausfällt.
(2) Im Hinblick auf die Erklärung von H., er habe mit dem Büro telefoniert, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er mit einem der anwesenden Anwälte, insbesondere mit der Prozessbevollmächtigten des Klägers telefoniert hat. Das haben diese und ihr Ehemann in ihren eidesstattlichen Versicherungen auch in Abrede gestellt. Ebenso haben sie glaubhaft in Abrede gestellt, durch ihre Bürokraft davon erfahren zu haben, dass die Signatur zurückgewiesen worden ist. Danach muss davon ausgegangen werden, dass die den Telefonanruf entgegennehmende Büroangestellte die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht informiert hat. Dieses Versäumnis kann dem Kläger nicht zur Last gelegt werden. Rechtsanwalt R., der Ehemann der Prozessbevollmächtigten des Klägers, hat glaubhaft versichert, dass eine genaue Anweisung dazu bestand, dass und wie die Rechtsanwälte über telefonisch eingehende Nachrichten informiert werden, diese Anweisung überprüft wird und Verstöße bisher nicht festgestellt worden sind. Damit fällt der Prozessbevollmächtigten des Klägers kein eigenes Verschulden zur Last. Ein Verschulden ihrer Bürokraft kann dem Kläger angesichts der nicht zu beanstandenden Organisation des Büros nicht zugerechnet werden.
(3) Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat danach erst mit dem Hinweis des Gerichts vom 20. Mai 2008 von der Zurückweisung der Signatur Kenntnis erlangt. Die Monatsfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO, hat sie eingehalten.
bb) Der Antrag ist auch begründet. Die Prozessbevollmächtigte hat die Frist zur Berufungsbegründung ohne ihr Verschulden versäumt. Ohne Verletzung von Sorgfaltspflichten konnte sie davon ausgehen, dass mit Übersendung der Signaturkarte und der Identifikationsnummern die Erstellung einer qualifizierten elektronischen Signatur möglich war. Das ergab sich schon aus dem unter der Überschrift "Einsatzzeitpunkt der neuen Karten" im Informationsblatt der Zertifizierungsstelle enthaltenen Hinweis, die Signaturkarte neuer Technik sei ab sofort gültig. Ein Nutzer der Signaturkarte darf einen derartigen Hinweis der Zertifizierungsstelle, der zudem unter dem Titel "Erläuterungen zu Inbetriebnahme und Einsatz der Signaturkarte" steht, in der Weise verstehen, dass die Karte auch sofort für die vorgesehenen Zwecke genutzt werden kann. Er muss nicht erwarten, dass es noch einer gesonderten Freischaltung für die Nutzung bedarf. Das gilt umso mehr, als in demselben Informationsblatt die Freischaltung durch die Zertifizierungsstelle nicht erwähnt ist, sondern im Gegenteil darauf hingewiesen wird, dass die Karte durch Ersetzung der Transport-PINs "freigeschaltet" wird. Auch das erzeugte den Eindruck, es bedürfe zur Nutzung der Karte keiner weiteren Maßnahmen. Dem steht die Bitte in dem Schreiben der Zertifizierungsstelle, die Empfangsbestätigung unterschrieben an die Zertifizierungsstelle zurückzusenden, damit das Zertifikat im Verzeichnisdienst freigeschaltet werden kann, nicht entgegen. Wie erwähnt, konnte Rechtsanwältin R. aufgrund der sonstigen Informationen davon ausgehen, dass sie die Karte mit deren Erhalt und Zusendung der Identifikationsnummern in Betrieb nehmen kann. Genau diese Formulierung findet sich im Übrigen auch in dem erwähnten Schreiben. Dass die fehlende Freischaltung im Verzeichnisdienst eine zweckentsprechende Nutzung verhindert, ergibt sich aus dem Schreiben nicht mit hinreichender Klarheit. Vielmehr kann diese Bitte auch dahin verstanden werden, dass die Freischaltung im Verzeichnisdienst zwar erforderlich ist, jedoch einer Nutzung der Karte zum Zweck der qualifizierten elektronischen Signatur nicht entgegensteht. Der Nutzer einer Karte, die ihm von der Bundesnotarkammer als Zertifizierungsstelle übersandt wird, kann auch im Hinblick auf die gesetzlich verankerte Pflicht zur Unterrichtung, § 6 SigG, darauf vertrauen, dass die Angaben zur Nutzung richtig sind und die für einen Rechtsanwalt sehr bedeutsame Frage des Zeitpunkts der Nutzung sich nicht hinter einer Formulierung verbirgt, die diesen nicht ohne weiteres betrifft. Dass die Freischaltung des Zertifikats "im Verzeichnisdienst" eine Voraussetzung für die Nutzung ist, erschließt sich vielmehr erst nach Studium der Signaturverordnung. Aus § 5 Abs. 2 der SigV ergibt sich, dass das Zertifikat erst nach Erhalt der Empfangsbestätigung "abrufbar" in einem Zertifikatsverzeichnis, § 4 SigV, gehalten werden darf. Nur aus dem gesamten Zusammenhang der komplexen Regeln des Signaturgesetzes und der Signaturverordnung kann entnommen werden, dass die qualifizierte elektronische Signatur nur dann vorgenommen werden kann, wenn das Zertifikat "abrufbar" gehalten wird. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann es einem Rechtsanwalt nicht als Verschulden zur Last gelegt werden, wenn er sich auf die klaren Formulierungen der Zertifizierungsstelle in ihrem Informationsblatt verlässt. Er muss die Signaturverordnung nicht kennen, deren Adressat in erster Linie die Zertifizierungsstellen sind. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts überspannt die Sorgfalts- und Informationspflichten eines Rechtsanwalts.
Bedenken nach Anwendung der Signaturkarte mussten der Prozessbevollmächtigten nicht kommen. Dabei kann dahinstehen, wie es rechtlich zu werten ist, dass nach ihrer vom Berufungsgericht nicht erwähnten Behauptung Übermittlungen mit der neuen Signaturkarte zwischen dem 7. April und dem 25. April ohne Beanstandungen geblieben sind, während die in Rede stehende Übermittlung zurückgewiesen worden ist. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass jedenfalls die Übermittlungsprotokolle den Eindruck erweckten, dass die Übermittlung mit qualifizierter elektronischer Signatur erfolgreich waren, weil sie das Vorhandensein eines qualifizierten Zertifikats bestätigten.
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