Entscheidungsdatum: 20.09.2012
1. NV: Zur Begründung einer Revision müssen Gründe vorgetragen werden, die geeignet sein können, zu einer Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Urteils zu führen. Deshalb kann eine Revision nicht ausschließlich mit Angriffen gegen die tatsächliche Würdigung des FG begründet werden, sofern nicht Umstände bezeichnet werden, aus denen sich schlüssig ergibt, dass die vom FG getroffenen Feststellungen mit den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sind, dass sie widersprüchlich sind oder aus den Gründen des angefochtenen Urteils nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Tatsachen das FG die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen tatsächlicher Art abgeleitet hat .
2. NV: Die Auslegung von (auch öffentlich-rechtlichen Vergleichs-)Verträgen gehört zum Bereich der Tatsachen- und Beweiswürdigung, die dem FG obliegt und an deren Ergebnis der BFH grundsätzlich gebunden ist, sofern nicht Umstände vorliegen, die eine solche Bindungswirkung aufheben, oder das FG die für die Interessenlagen der Beteiligten bedeutsamen Begleitumstände nicht erforscht oder nicht zutreffend gewürdigt hat .
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) möchte die Anrechnung von Lohnsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) in Höhe von rd. 4.000 € erreichen, die bei der Gehaltsabrechnung September 2003 von seinem damaligen Arbeitgeber einbehalten und an den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Finanzamt --FA--) abgeführt worden sind. Der Arbeitgeber war dabei davon ausgegangen, dass dem Kläger im Rahmen der Gestaltung seiner Beteiligung an der X GmbH aufgrund seiner Tätigkeit für die Firma Y GmbH, die in der gleichen Branche tätig gewesen war, ein geldwerter Vorteil von 8.550 € zugeflossen sei.
In seiner Einkommensteuererklärung 2003 hat der Kläger diesen angeblichen geldwerten Vorteil nicht berücksichtigt, weil seine Beteiligung an der X GmbH in keinem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Rahmen der Y GmbH gestanden habe; er habe zwar bei der Gestaltung seiner Beteiligung Vergünstigungen erhalten, die aber auch anderen gewährt worden seien.
Wegen der Veranlagung des Klägers ist es zu einem Streitverfahren gekommen, das dadurch einvernehmlich beendet wurde, dass das FA erklärte, dem Klagebegehren abzuhelfen, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2003 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein geldwerter Vorteil in Höhe von 8.550 € nicht weiter berücksichtigt werde, und auf den Ansatz eines solchen Vorteils auch im Veranlagungszeitraum 2002 zu verzichten (wozu der Berichterstatter des Finanzgerichts --FG-- die Auffassung vertreten hatte, der geldwerte Vorteil sei allenfalls in diesem Jahr zu berücksichtigen). Weiter hieß es in dem vom FA unterbreiteten und von dem Kläger angenommenen Einigungsvorschlag: "Die Anrechnung der hierauf vom Arbeitgeber ... nach § 39b Einkommensteuergesetz einbehaltenen Lohnsteuer entfiele hierdurch gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz, der Abrechnungsteil des Bescheides ... wird entsprechend geändert."
Das FA hat aufgrund dieser Einigung den Einkommensteuerbescheid wie vereinbart geändert und in der dem Änderungsbescheid beigefügten Anrechnungsverfügung eine Einkommensteuernachzahlung von 50 € und eine Nachzahlung von Solidaritätszuschlag von 2,74 € ausgewiesen.
Die gegen diese Abrechnung nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte nur zum geringen Teil Erfolg. Das FG urteilte, dem Kläger sei ein geldwerter Vorteil nicht zugeflossen und es entspreche deshalb der "Tendenz" in der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die zu Unrecht abgeführte Lohnsteuer nicht dem Arbeitgeber zu erstatten, sondern beim Kläger anzurechnen. Der Anrechnung stehe indes die vorgenannte Einigung entgegen. Unbeschadet deren Wortlauts ("... entfiele ...") sei in deren Rahmen verbindlich festgelegt worden, dass eine Anrechnung definitiv nicht erfolgen solle. Wäre nämlich die diesbezügliche Vereinbarung dahin gemeint gewesen, dass die Anrechnung nur nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfolgen solle, hätte dies gerade neue schwierige Rechtsfragen aufgeworfen und die ungeklärten tatsächlichen Fragen weiter klärungsbedürftig gehalten; ein solches Verständnis einer Vereinbarung zur einvernehmlichen Erledigung eines Rechtsstreits liege fern. Der Hinweis auf § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bringe daher nur die "Motivation für die Regelung", nicht aber eine Einschränkung derselben zum Ausdruck.
Die Vereinbarung sei unbeschadet des in der Rechtsprechung des BFH aufgestellten Verbots eines Vergleichsvertrages über Steuern auch zulässig und wirksam. Denn sie betreffe nicht die Besteuerung, sondern das Erhebungsverfahren, in dem es um "eher formale Fragen des Zahlungsverkehrs und der Abrechnung" gehe und deshalb der Verfassungsgrundsatz der Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung der Zulassung eines Vergleichsvertrages nicht entgegenstehe. Der Vertrag dürfe allerdings nicht gegen das Gesetz verstoßen. Die Sach- und Rechtslage sei jedoch bei Abschluss dieses Vertrages unklar gewesen, die Rechtsprechung des BFH zu vorgenannter Vorschrift sei noch in der Entwicklung begriffen gewesen.
Aufgrund dieser Erwägungen hat das FG die Abrechnungsverfügung des FA lediglich rechnerisch überprüft und zugunsten des Klägers dahin geändert, dass ihm 300 € Einkommensteuer und 16,50 € Solidaritätszuschlag zu erstatten seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Zur Begründung führt er drei vom FG im Rahmen seiner Zulassungsentscheidung benannte Rechtsfragen auf, die auch seiner Meinung nach geklärt werden müssten. Weiter trägt er vor, das Wort "entfiele" sei keine definitiv erklärte Herausnahme der strittigen Lohnsteuerabzugsbeträge aus der Anrechnung auf die Steuerschuld, sondern gebe nur vor, dass die Lohnsteuerabzugsbeträge auf den angeblichen geldwerten Vorteil nach dem damaligen Kenntnisstand des FA nicht angerechnet werden könnten. Welche Beträge tatsächlich angerechnet werden müssen, habe sich erst aus dem Urteil des BFH vom 17. Juni 2009 VI R 46/07 (BFHE 226, 53, BStBl II 2010, 72) ergeben, das bei Abschluss der Vereinbarung mit dem FA noch nicht bekannt gewesen sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge in Höhe von 3.803 € sowie den Solidaritätszuschlag in Höhe von 209,17 € auf die Steuerschuld anzurechnen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Die Revisionsbegründung erfülle nicht die gesetzlichen Anforderungen, denn der Kläger wiederhole lediglich ohne Darlegung beachtlicher rechtlicher Gründe seine Meinung, es handele sich bei der im Vorprozess geschlossenen Vereinbarung nicht um eine endgültige Versagung der Anrechnung. Mit dem diesbezüglichen überzeugenden Erwägungen des FG setze er sich nicht auseinander.
II. Die Revision ist unzulässig und daher gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.
Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO ist eine Revision zu begründen. § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO fordert dafür --in dem Fall, dass die Revision auf die Verletzung des materiellen Rechts und nicht auf ein fehlerhaftes Verfahren des FG gestützt werden soll-- die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dafür ist es erforderlich, Gründe vorzutragen, die geeignet sein können, zu einer Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Urteils zu führen. Deshalb kann eine Revision nicht ausschließlich mit Angriffen gegen die tatsächliche Würdigung des FG begründet werden, es sei denn, es werden Umstände bezeichnet, aus denen sich schlüssig ergibt, dass die vom FG getroffenen Feststellungen mit den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sind, dass sie widersprüchlich sind oder aus den Gründen des angefochtenen Urteils nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Tatsachen das FG die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen tatsächlicher Art abgeleitet hat (Senatsbeschluss vom 11. April 2002 VII R 1/02, BFH/NV 2002, 950).
Im Streitfall erschöpft sich die Revisionsbegründung --abgesehen von einer bloßen Wiederholung der vom FG für die Revisionszulassung angeführten Umstände-- in der Behauptung, die zwischen den Beteiligten in dem Vorprozess getroffene Vereinbarung sei anders auszulegen als es das FG getan hat. Indes gehört die Auslegung von (auch öffentlich-rechtlichen Vergleichs-)Verträgen zum Bereich der Tatsachen- und Beweiswürdigung, die dem FG obliegt und an deren Ergebnis der BFH grundsätzlich nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, sofern nicht die eben bezeichneten Umstände vorliegen, die eine solche Bindungswirkung aufheben, oder das FG die für die Interessenlage der Beteiligten bedeutsamen Begleitumstände nicht erforscht oder nicht zutreffend gewürdigt hat (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 1. Februar 2012 I R 57/10, BFHE 236, 374, BStBl II 2012, 407).
Solche Gründe, die die Bindungswirkung der vom FG vorgenommenen Vertragsauslegung in Frage stellen könnten, sind von der Revision nicht bezeichnet worden. Mit ihrem Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 226, 53, BStBl II 2010, 72 weist sie lediglich auf die Rechtsfolgen hin, die sich bei einer anderen --dem Revisionsgericht jedoch versagten-- Vertragsauslegung ergäben, so dass dieser Hinweis nicht als eine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil und damit als eine Begründung der Revision i.S. des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO angesehen werden kann. Auch mit der für das vom FG gefundene Ergebnis entscheidenden Rechtsansicht, ein Vergleichsvertrag sei im Steuererhebungsverfahren zulässig, hat sich die Revision nicht auseinandergesetzt.