Entscheidungsdatum: 22.07.2014
1. NV: Bei dem Anspruch des FA auf Rückzahlung von Leistungen, die durch Manipulationen des FA-Sachbearbeiters generiert worden sind, handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch aus § 37 Abs. 2 AO. Diese Ansprüche werden steuerrechtlich ebenso behandelt wie solche, die aus anderen Gründen zurückgefordert werden. Entscheidend ist, ob die zurückgeforderte Zahlung ausschließlich auf steuerrechtlichen Regelungen beruht .
2. NV: Der Mitinhaber des Kontos, auf welches die erschlichenen Überweisungen geleitet worden sind, ist Leistungsempfänger .
3. NV: Auch bei Annahme eines mitwirkenden Organisationsverschuldens des FA ist die Rückforderung einer erschlichenen Leistung vom Leistungsempfänger kein Ermessensfehlgebrauch, wenn dieser Kenntnis von dem auf der Manipulation beruhenden Zahlungseingang hatte .
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war mit einem beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) tätigen Finanzbeamten (F) verheiratet und führte mit ihm gemeinschaftlich ein Girokonto. Mit Urteil des Landgerichts L wurde F wegen Steuerhinterziehung in … Fällen verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass F als für die Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen und für die Wartung von Grundinformationsdaten zuständiger Sachbearbeiter beim FA durch Manipulationen im EDV-System Steuererstattungen und Festsetzungen von Eigenheimzulage fingiert und die Auszahlungen auf das eheliche Gemeinschaftskonto in Höhe von insgesamt … € bewirkt hatte. Die Zahlungen verwendete er unter anderem für den Bau zweier Wintergärten, Einbau eines Kamins und Errichtung eines Swimmingpools im gemeinsam mit den Schwiegereltern bewohnten Haus, sowie für Vermögensanlagen zu Gunsten der Tochter, eines Depots für den Sohn und zur Errichtung eines Geldmarktkontos. Sämtliche Verträge hatte die Klägerin mitunterzeichnet.
Aufgrund dieser Feststellungen erließ das FA einen Rückforderungsbescheid nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sowohl gegen die Klägerin als auch gegen ihren Ehemann F und forderte die in den Jahren 1999 und 2001 bis 2008 zu Unrecht auf das Gemeinschaftskonto geleisteten Zahlungen zurück. Einspruch und Klage der Klägerin blieben bis auf einen im Revisionsverfahren nicht mehr streitigen, nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) zahlungsverjährten Betrag erfolglos. Das FA sei berechtigt gewesen, den ohne Rechtsgrund auf das Gemeinschaftskonto der Eheleute erstatteten Betrag mit Rückforderungsbescheid geltend zu machen, da es sich auch bei einer Steuererstattung, die auf fingierten Steuerbescheiden beruht, um eine Steuervergütung und bei deren Rückforderung um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO handele. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der auf der Anfechtung einer an das FA geleisteten Lohnsteuerzahlung beruhende Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters nach § 143 Abs. 1 der Insolvenzordnung vom Bundesfinanzhof (BFH) als zivilrechtlicher, vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgender Anspruch gewürdigt worden sei. Die Klägerin sei auch Leistungsempfängerin, da sie als Mitinhaberin des Gemeinschaftskontos die Verfügungsmacht über die Gutschrift der veruntreuten Geldbeträge erlangt habe. Dies gelte unabhängig davon, ob das FA mit dieser Leistung eine tatsächliche oder vermeintliche Verpflichtung habe erfüllen wollen. Die Bestimmung des Leistungsempfängers richte sich nicht nach dem inneren Willen des Leistenden, sondern ergebe sich aus einer objektiven Betrachtungsweise aus Sicht des Zahlungsempfängers. Ermessensfehler seien bei der Inanspruchnahme der Klägerin --neben ihrem Ehemann F-- nicht festzustellen. Auf die Einrede der Entreicherung könne sich die Klägerin gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rückzahlungsanspruch nicht berufen. Treu und Glauben stehe der Rückforderung nicht entgegen. Illoyale Rechtsausübung könne dem FA nicht vorgeworfen werden. Die Klägerin könne sich nicht auf Unkenntnis hinsichtlich der Geldeingänge auf dem Gemeinschaftskonto berufen, zumal sie nach eigenem Vorbringen jegliche Kontrolle des Gemeinschaftskontos unterlassen habe, obwohl diese angesichts der erheblichen Ausgaben und Vermögensanlagen der Eheleute unter Belastung dieses Kontos angezeigt gewesen sei.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Rückforderung des FA durch einen auf § 37 Abs. 2 AO gestützten Bescheid sei rechtswidrig. Bei den unterschlagenen Geldmitteln handele es sich nicht um eine "Steuer", die durch Bescheid zurückgefordert werden könne. Nach der Senatsentscheidung vom 27. September 2012 VII B 190/11 (BFHE 238, 526, BStBl II 2013, 109) sei der Anspruch auf Rückgewähr in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch. Auch sei sie nicht Leistungsempfängerin im Sinne der Vorschrift, da sie auf das Konto keinen eigenen Zugriff gehabt habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG insoweit aufzuheben als es den Rückforderungsbescheid des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung lediglich gemindert und nicht in voller Höhe aufgehoben hat, und den Rückforderungsbescheid des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung in voller Höhe aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Das FG hat zutreffend erkannt, dass es sich bei dem Rückzahlungsanspruch des FA um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch aus § 37 Abs. 2 AO handelt.
Nach dieser Vorschrift werden Leistungen rückabgewickelt, die auf --im Ergebnis nicht vorliegenden-- steuerlichen Rechtsgründen beruhen. So liegt es auch im Streitfall. Denn der Ehemann hat durch seine Manipulationen als Sachbearbeiter des FA Steueränderungs- und -festsetzungsbescheide generiert, in welchen durch Anwendung steuerlicher Regelungen ein Steuervergütungsanspruch bzw. ein diesem gleichgestellter Anspruch auf Eigenheimzulage (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes) ausgewiesen wurde. Unbeachtlich ist dabei, welche tatsächlichen Verhältnisse den Bescheiden zugrunde liegen. Leistungen aufgrund fingierter Ansprüche werden steuerrechtlich ebenso behandelt wie solche, die aus anderen Gründen zurückgefordert werden; entscheidend ist, ob die zurückgeforderte Auszahlung ausschließlich auf steuerrechtlichen Regelungen beruht (vgl. auch Senatsurteil vom 25. Oktober 2005 VII R 10/04, BFHE 211, 19, BStBl II 2006, 356; zur Abgrenzung Betrug/Steuerhinterziehung Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. März 1994 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1994, 736, m.w.N.).
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Rückzahlungsanspruch sich als "umgekehrter Erstattungsanspruch" aus einem --im Streitfall nicht bestehenden, nur fingierten-- Steuerrechtsverhältnis ergibt (so für den Rückzahlungsanspruch gegen den Zessionar Senatsurteil vom 27. Oktober 1992 VII R 44/91, BFH/NV 1993, 344, m.w.N.). Denn der Anspruch aus § 37 Abs. 2 AO ist Ausdruck eines übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips, dass derjenige, der vom Staat ohne Rechtsgrund etwas erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen (ständige Rechtsprechung, Senatsurteil vom 31. August 1993 VII R 69/91, BFHE 173, 1, BStBl II 1995, 846, m.w.N.).
Für ihre gegenteilige Rechtsauffassung kann sich die Klägerin nicht auf den Beschluss in BFHE 238, 526, BStBl II 2013, 109 berufen. Schon aus dem Leitsatz des Beschlusses --"Der Anspruch auf Rückgewähr in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 InsO ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 AO, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch"-- ergibt sich offensichtlich, dass sich die Entscheidung allein auf die Besonderheiten der Rückforderung des Insolvenzverwalters nach Insolvenzanfechtung bezieht. Auf den vorliegenden Fall sind die dortigen Ausführungen nicht übertragbar.
2. Auch die weiteren im Klageverfahren vorgetragenen Einwände der Klägerin hat das FG frei von Rechtsfehlern zurückgewiesen.
a) Als Mitinhaberin des Kontos, auf welches der Ehemann die erschlichenen Überweisungen geleitet hat, ist die Klägerin Leistungsempfängerin. Das hat das FG in zutreffender Anwendung der Rechtsprechung des Senats entschieden. Ob die Zahlung in der irrigen Annahme einer Zahlungsverpflichtung des FA gegenüber dem Zahlungsempfänger geschehen ist, ist danach für die Frage, wer Leistungsempfänger ist, unbeachtlich. Denn auf die inneren Vorstellungen der Beteiligten darüber, welche Leistung mit der Zahlung erbracht worden ist, kommt es regelmäßig nicht an, sondern es gilt eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers; maßgebend ist mithin der objektive Empfängerhorizont (Senatsurteile vom 9. Dezember 2010 VII R 20/10, BFH/NV 2011, 875, und vom 30. August 2005 VII R 64/04, BFHE 210, 219, BStBl II 2006, 353, m.w.N.). Die der Tatsacheninstanz vorbehaltene Würdigung des FG, die Klägerin habe --bei objektiver Beurteilung-- die Zahlungseingänge auf dem gemeinschaftlichen Konto nicht anders denn als Leistungen des FA zu Gunsten dieses Kontos verstehen können, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal die Klägerin keinerlei Anhaltspunkte für eine andere Betrachtungsweise geliefert hat.
b) Die Einrede der Entreicherung hat das FG bei der Anwendung des § 37 Abs. 2 AO zu Recht nicht in Erwägung gezogen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. November 2010 VII B 120/10, BFH/NV 2011, 405).
c) Als einen Verstoß gegen Treu und Glauben wegen eines möglichen Mitverschuldens des FA an den Manipulationen des Ehemanns infolge eventueller Organisationsmängel hat das FG die Inanspruchnahme der Klägerin nicht angesehen, weil sie die gebotene Kontrolle des Kontos unterlassen habe, obwohl diese angesichts der festgestellten erheblichen Ausgaben und Vermögensanlagen unter Belastung dieses Kontos angezeigt gewesen sei. Dem ist revisionsrechtlich nichts zu entgegnen. Die Ausführungen beruhen ersichtlich auf der zu für Fälle der Rückforderung gegenüber einem Leistungsempfänger vergleichbaren Rechtsprechung des BFH, wonach selbst bei Annahme eines mitwirkenden Verschuldens des FA die Inanspruchnahme eines (Haftungs-) Schuldners nur dann ein Ermessensfehlgebrauch ist, wenn dessen eigenes Verschulden gering ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4, m.w.N.). Das FG ist davon ausgegangen, die Klägerin habe von den über neun Jahre geflossenen erheblichen Geldbeträgen, insbesondere im Hinblick auf deren Verwendung für die Modernisierung der Wohnung und für Geldanlagen auf Konten der minderjährigen Kinder, gewusst. Angesichts dieser den Senat bindenden Feststellungen ist die grundsätzlich dem Tatsachengericht vorbehaltene Würdigung des FG, die Heranziehung der Klägerin zur Rückerstattung der (auch) an sie geleisteten Beträge lasse keinen Ermessensfehlgebrauch erkennen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Angesichts ihrer Kenntnis von den Zahlungseingängen und ihrer Verwendung ist es fernliegend und nach Treu und Glauben jedenfalls nicht geboten, die Rückforderung der vereinnahmten Beträge an einem möglicherweise vorliegenden Organisationsverschulden des FA scheitern zu lassen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.