Entscheidungsdatum: 10.01.2017
1. Der in § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG normierte Entlastungsanspruch entsteht mit dem Verbringen der begünstigten Energieerzeugnisse in einen anderen Mitgliedstaat oder mit der Ausfuhr.
2. Für Biokraftstoffe, die bis zum 17. August 2009 und damit vor dem Inkrafttreten der in § 50 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EnergieStG durch das Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen vorgenommenen Steuersatzänderung in einen anderen Mitgliedstaat verbracht oder ausgeführt worden sind, ist der Entlastungsanspruch nach der Rechtslage zu gewähren, die vor der Rechtsänderung gegolten hat. Nach diesem Zeitpunkt richtet sich die Höhe des Entlastungsanspruchs nach der gemäß der neuen Rechtslage anzunehmenden Vorversteuerung, wobei in Bezug auf die bisherige Vorversteuerung die Gewährung von Vertrauensschutz nicht in Betracht kommt.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Dezember 2013 2 K 940/10 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verbrachte im Zeitraum vom 13. Juli 2009 bis zum 26. August 2009 insgesamt 467 013 Liter Biokraftstoff (Fettsäuremethylester) in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Den Biokraftstoff hatte sie nach ihren Angaben seit Mai 2009 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen vom 15. Juli 2009 (BGBl I 2009, 1804) erworben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) gewährte der Klägerin hierfür eine Steuerentlastung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) in Höhe von 85.430,69 €. Für die Berechnung hatte das HZA die Rechtslage zugrunde gelegt, die sich nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen --rückwirkend ab dem 1. Januar 2009-- ergab. Infolgedessen ging es von einem Biokraftstoffmindestanteil gemäß § 37a Abs. 3 Satz 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in Höhe von 5,25 % und einer Steuerentlastung für Fettsäuremethylester gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EnergieStG in Höhe von 303,40 € je 1 000 Liter aus. Demgegenüber hatte die Klägerin eine Steuerentlastung in Höhe von insgesamt 99.969,33 € beantragt, wobei sie die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen zugrunde legte, die für das Jahr 2009 einen Biokraftstoffmindestanteil in Höhe von 6,25 % und eine Steuerentlastung für Fettsäuremethylester in Höhe von 273,40 € je 1 000 Liter vorsah. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Klägerin stehe keine weitere Steuerentlastung in Höhe von 14.538 € zu. Ihr Vertrauen in die alte Rechtslage sei seit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 1. Dezember 2008 (BTDrucks 16/11131) nicht mehr geschützt. Bereits zu Beginn des Jahres 2009 hätte ihr klar sein müssen, dass eine entsprechende Änderung der Rechtslage zu erwarten sei. Bei der Gestaltung der Lieferverträge hätte die Klägerin die Gesetzesänderung berücksichtigen müssen. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des Steuererstattungsanspruchs, der dem Steuerschuldner hinsichtlich der zu viel erhobenen Energiesteuer in Folge der rückwirkend zum 1. Januar 2009 geltenden Rechtsänderungen zugestanden habe.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, für die Steuerentlastung gemäß § 46 EnergieStG sei der Übergang zur neuen Rechtslage nicht verfassungskonform geregelt. Zwar habe der Produzent aufgrund der rückwirkend zum 1. Januar 2009 geltenden Änderungen einen Anspruch auf Steuererstattung, doch habe der Gesetzgeber Lieferketten nicht bedacht. Derjenige, der bereits versteuerte Ware erwerbe und anschließend in einen anderen Mitgliedstaat verbringe, habe keinen durchsetzbaren zivilrechtlichen Anspruch gegen den Vorlieferer auf Weiterleitung der dem Produzenten als Steuerschuldner zustehenden Steuererstattung. Dies folge insbesondere daraus, dass dem Erwerber grundsätzlich nicht bekannt sei, wer der Produzent und damit der originäre Steuerschuldner sei. Zur weiteren Begründung verweist die Klägerin auf zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Rückwirkung von Steuergesetzen, und zwar auf den Beschluss vom 14. November 1961 2 BvL 15/59 (BVerfGE 13, 206) und auf das Urteil vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59 (BVerfGE 13, 261). Danach dürften belastende Steuergesetze grundsätzlich nicht auf Tatbestände zurückwirken, die --wie im Streitfall-- zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen gewesen seien. Da das Inkrafttreten der Gesetzesänderung die unionsrechtliche Genehmigung voraussetze, habe sie, die Klägerin, trotz des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 1. Dezember 2008 auch nicht mit einer rückwirkenden Gesetzesänderung rechnen müssen. Ebenso wie im Umsatzsteuerrecht müsse auch im Verbrauchsteuerrecht das Neutralitätsprinzip Beachtung finden, so dass die im Einzelfall entrichtete Energiesteuer auch einem Zwischenlieferanten erstattet werden müsse. Im Übrigen hätte das FG aufklären müssen, ob der Produzent der streitgegenständlichen Ware eine Erstattung in Höhe von 14.438 € erhalten habe. Für sie, die Klägerin, sei eine solche Aufklärung aufgrund der bestehenden Lieferkette tatsächlich unmöglich bzw. unzumutbar. Deshalb genieße sie auch nach den Ausführungen des BVerfG zur unechten Rückwirkung von Steuergesetzen in dem Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02 (BVerfGE 127, 1) Vertrauensschutz.
Im Wesentlichen schließt sich das HZA der Rechtsauffassung des FG an. Vertrauensschutz könne der Klägerin aufgrund des Gesetzentwurfs der Bundesregierung nicht gewährt werden. Das Änderungsgesetz habe nicht in abgeschlossene Tatbestände eingegriffen. Aufgrund von Verwaltungsanweisungen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) habe das für den Steuerschuldner zuständige Hauptzollamt von Amts wegen für die zurückliegenden Monate des Jahres 2009 die Versteuerung korrigieren und eine Entlastung gewähren müssen. Zudem sei nicht nachvollziehbar, weshalb es für die Klägerin nicht möglich gewesen sein soll, zivilrechtliche Ansprüche gegenüber ihren Vorlieferern durchzusetzen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Klägerin hinsichtlich derjenigen Energieerzeugnisse, die sie vor dem 18. August 2009 in andere Mitgliedstaaten verbracht hat, kein weiterer Entlastungsanspruch nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG zusteht.
1. Eine Steuerentlastung wird nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG auf Antrag für nachweislich versteuerte, nicht gebrauchte Energieerzeugnisse i.S. des § 4 EnergieStG gewährt, die zu gewerblichen Zwecken oder im Versandhandel in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sind. Entlastungsberechtigter ist nach § 46 Abs. 3 EnergieStG derjenige, der die Energieerzeugnisse aus dem Steuergebiet verbracht oder ausgeführt hat.
a) Im Streitfall ist das Verbringen der streitgegenständlichen Energieerzeugnisse in einen anderen Mitgliedstaat und die Erfüllung der in § 87 Abs. 3 der Energiesteuer-Durchführungsverordnung (EnergieStV) normierten Voraussetzungen unstreitig. Fraglich ist lediglich, ob und in welcher Höhe eine nachweisliche Versteuerung der von der Klägerin aus dem Steuergebiet verbrachten Energieerzeugnisse anzunehmen ist. In Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der nachweislichen Versteuerung ist dem EnergieStG keine Definition zu entnehmen, so dass eine Deutung des Begriffs der Versteuerung geboten ist, die sich an dem Sinn und Zweck der Entlastungsregelung orientiert.
b) Wie der Senat zu § 51 Abs. 1 EnergieStG entschieden hat (Urteil vom 20. September 2016 VII R 7/16, BFHE 255, 360, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2016, 308), ist zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals die bloße Entstehung der Steuer nicht ausreichend. Eines die Energiesteuer festsetzenden Steuerbescheids bzw. der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Lieferer oder gar der Entrichtung der Energiesteuer bedarf es jedoch nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der vergütungsberechtigte Verwender in der Regel nicht in der Lage ist, die Anmeldung und Entrichtung der Steuer durch den Steuerschuldner, z.B. durch Vorlage von Kopien der Steueranmeldungen und Belegen über geleistete Vorauszahlungen, selbst nachzuweisen. Da ihm ein Zugriff auf die eigentlichen Besteuerungsunterlagen verwehrt ist, bleibt dem Antragsteller als Mittel der Glaubhaftmachung der Versteuerung nur die Vorlage von Rechnungen, aus denen der Bezug versteuerter Energieerzeugnisse ersichtlich ist (Bongartz in Bongartz/ Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG, StromStG, EnergieStG § 45 Rz 10, und Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG, StromStG, § 45 EnergieStG Rz 4, sowie Jarsombeck, Der Nachweis der Versteuerung bei der Verbrauchsteuerentlastung, Erlass, Erstattung, Vergütung, ZfZ 1997, 331, 332, der darauf hinweist, dass sich praktikable und gerechte Ergebnisse nur erzielen lassen, wenn man die ordnungsgemäße Aufnahme in die Buchführung oder Steueranmeldung des Steuerschuldners als Versteuerungstatbestand ausreichen lässt). Der Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 EnergieStG entsteht daher bereits mit der steuerbegünstigten Verwendung des Energieerzeugnisses, wobei unterstellt werden kann, dass in diesem Zeitpunkt die vom Lieferer nach § 79 Abs. 2 EnergieStV zu führenden Aufzeichnungen ausreichende Gewähr für die Durchsetzung des Steueranspruchs bieten.
c) Diese Grundsätze lassen sich auf den Entlastungstatbestand des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG übertragen. Für die Entstehung des Entlastungsanspruchs ist dem Grunde und der Höhe nach auf das Verbringen in einen anderen Mitgliedstaat oder auf die Ausfuhr der versteuert bezogenen Energieerzeugnisse abzustellen. Dadurch wird gewährleistet, dass eine Entlastung in Einzelfällen, wie in § 87 Abs. 2 Satz 2 EnergieStV vorgesehen, auch unverzüglich gewährt werden kann. Als nachweislich versteuert i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG ist danach ein Energieerzeugnis anzusehen, das der Entlastungsberechtigte --in der Regel von einem Lieferer gegen Rechnung-- versteuert bezogen und aus dem Steuergebiet verbracht hat. Die Höhe der Entlastung richtet sich nach dem jeweiligen Umfang der Vorversteuerung im Zeitpunkt der Entstehung des Entlastungsanspruchs. Abzustellen ist auf die steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen, denn nur in diesem Umfang kann eine Versteuerung i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG angenommen werden.
2. Im Streitfall hat die Klägerin am 15. September 2009 einen Antrag auf eine Steuerentlastung für diejenigen Energieerzeugnisse gestellt, die sie seit Mai 2009 erworben und im Zeitraum vom 13. Juli bis zum 26. August 2009 in einen anderen Mitgliedstaat verbracht hat. Für diese Energieerzeugnisse ist davon auszugehen, dass sie auch ohne eine Festsetzung und ohne eine Entrichtung der Energiesteuer durch den Hersteller und Steuerschuldner als "nachweislich versteuert" i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG anzusehen sind. Die vom Steuerschuldner zunächst entrichtete Energiesteuer für insgesamt 467 013 l Fettsäuremethylester betrug im Zeitpunkt, in dem die Klägerin die streitgegenständlichen Energieerzeugnisse in einen anderen Mitgliedstaat verbracht hat, 99.969,33 €.
Aufgrund des am 21. Juli 2009 in Kraft getretenen Änderungsgesetzes, mit dem der Mindestanteil Otto- und Dieselkraftstoff ersetzenden Biokraftstoffs nach § 37a Abs. 3 Satz 3 BImSchG rückwirkend zum 1. Januar 2009 von 6,25 % auf 5,25 % gesenkt und die Steuerentlastung hinsichtlich der entsprechend geminderten entlastungsfähigen Biokraftstoffmenge nach § 50 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EnergieStG nach Erteilung der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Kommission (zum Genehmigungsvorbehalt vgl. Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen) mit Wirkung zum 18. August 2009 (BGBl I 2009, 3108) von 273,40 € je 1 000 l auf 303,40 € je 1 000 l erhöht worden ist, betrug die Energiesteuer für die streitgegenständlichen Energieerzeugnisse lediglich 85.430,69 €. Nach einer Verwaltungsanweisung des BMF vom 23. Juli 2009 (III B 6 - V 8405/07/10006, 2009/0470809) war der rückwirkenden Rechtsänderung durch eine Erstattung der zu viel entrichteten Energiesteuer an den Steuerschuldner, d.h. den Produzenten des Biokraftstoffs, nach der Formel (Versteuerte Menge Fettsäuremethylester in Litern (V) – 5,25 % * V) * 303,40 € / 1 000 l – (V – 6,25 % * V) * 273,40 € / 1 000 l) Rechnung zu tragen. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Menge an Fettsäuremethylester betrug der danach dem Steuerschuldner zu erstattende Betrag 14.538,64 €. Dies ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass der Klägerin bis zum Inkrafttreten der Rechtsänderung zum 18. August 2009 aufgrund der Erfüllung der in § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG normierten Entlastungsvoraussetzungen ein Entlastungsanspruch in ungeschmälerter Höhe zusteht, der ihr durch Verwaltungsanweisungen nicht wieder genommen werden kann.
3. Für den Steuerpflichtigen ist eine belastende Wirkung der Rechtsänderung nicht ersichtlich, denn durch die rückwirkende Erhöhung der in § 50 Abs. 3 EnergieStG festgelegten teilweisen Steuerentlastung für Fettsäuremethylester wird der als Steuerschuldner in Anspruch genommene Produzent nicht höher besteuert, sondern nachträglich begünstigt. Aber auch hinsichtlich der Abnehmer der von ihm hergestellten Biokraftstoffe entfaltet das Änderungsgesetz keine unzulässige unechte Rückwirkung. Denn wie bereits ausgeführt, bemisst sich die Höhe des nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG entstandenen Entlastungsanspruchs für Energieerzeugnisse, die vor dem 18. August 2009 in einen anderen Mitgliedstaat verbracht oder ausgeführt worden sind, nach der alten Rechtslage. Für die ab dem 18. August 2009 entstandenen Entlastungsansprüche ist dagegen die neue Rechtslage nach den geänderten Normen zu berücksichtigen, die nicht in noch nicht abgeschlossene Sachverhalte einwirken. Denn der Entlastungsanspruch des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG entsteht durch den Realakt des Verbringens der jeweiligen Energieerzeugnisse in einen anderen Mitgliedstaat oder mit der Ausfuhr in ein Drittland.
Aber selbst wenn unter Annahme einer unechten Rückwirkung nach der Rechtsprechung des BVerfG (Entscheidungen vom 10. Oktober 2012 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302; in BVerfGE 13, 261, und in BVerfGE 13, 206) Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen wären, wäre das Vertrauen der Klägerin im Streitfall für den Zeitraum ab dem 18. August 2009 nicht schutzwürdig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen, unter denen nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EnergieStG ein Entlastungsanspruch im Fall des Verbringens nachweislich versteuerter Energieerzeugnisse in andere Mitgliedstaaten gewährt wird, nicht verändert hat. Zudem zeichnete sich die bevorstehende Rechtsänderung bereits durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 1. Dezember 2008 ab (vgl. BTDrucks 16/11131). Schließlich ist das Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen am 20. Juli 2009 verkündet worden (BGBl I 2009, 1804). Trotz des beihilferechtlichen Genehmigungsvorbehalts hätte ein umsichtiger Wirtschaftsbeteiligter zumindest ab diesem Zeitpunkt mit einer unmittelbar bevorstehenden Rechtsänderung rechnen müssen. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, warum er mit einer Nichterteilung der Genehmigung durch die Kommission hätte rechnen können und auch rechnen dürfen.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, sie habe in einer Lieferkette einen Kaufpreis bezahlt, in dem der Lieferer einen höheren Energiesteueranteil in Rechnung gestellt habe, als von ihm nach der rückwirkend geänderten Rechtslage tatsächlich geschuldet worden ist, kann dieser Umstand nicht zur Begründung eines weiteren Entlastungsanspruchs herangezogen werden. Denn wie bereits dargestellt, bestimmt sich die Höhe des Entlastungsanspruchs nicht nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen, sondern nach der Vorversteuerung im Zeitpunkt der Entstehung des Entlastungsanspruchs. Ein Ausgleich der von der Klägerin als ungerechtfertigt empfundenen Belastung hätte allenfalls über eine entsprechende Gestaltung der Lieferverträge und eine Modifizierung des vereinbarten Kaufpreisanspruchs erzielt werden können. Dass und aus welchen Gründen eine entsprechende vorausschauende Gestaltung der Lieferverträge durch den Gesetzgeber unmöglich gemacht worden ist, hat die Klägerin nicht dargelegt.
4. Ein weiterer Entlastungsanspruch der Klägerin für die ab dem 18. August 2009 in andere Mitgliedstaaten verbrachten Energieerzeugnisse ergibt sich schließlich auch nicht aus den unionsrechtlichen Vorgaben. Nach Art. 11 der Richtlinie 2008/118/EG (VStSystRL) des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 9/12) kann die Verbrauchsteuer für in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte verbrauchsteuerpflichtige Waren auf Antrag einer betroffenen Person von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden, in den von den Mitgliedstaaten festgelegten Situationen und zu den Bedingungen erstattet oder erlassen werden, die die Mitgliedstaaten zur Vorbeugung von Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen. In den Fällen von Versandhandelslieferungen bestimmt Art. 36 Abs. 5 VStSystRL, dass die im ersten Mitgliedstaat erhobenen Verbrauchsteuern auf Antrag des Verkäufers erstattet oder erlassen werden. Diese Bestimmungen sind dahin zu deuten, dass eine Erstattung oder ein Erlass nur für diejenigen Verbrauchsteuern in Betracht kommt, die im Abgangsmitgliedstaat tatsächlich entstanden und entrichtet worden sind. Zudem obliegt es den Mitgliedstaaten, wen sie im Fall von Lieferketten oder einer rückwirkenden Steuersatzänderung zum Entlastungsberechtigten bestimmen und auf welche Weise sie eine doppelte bzw. unberechtigte Entlastung ausschließen.
Im Fall einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, dem Abnehmer einer unter Verstoß gegen das Unionsrecht belasteten Ware einen Entlastungsanspruch zu gewähren, sofern der Abnehmer nach dem nationalen Recht eine zivilrechtliche Klage auf Rückzahlung der nicht geschuldeten Leistung gegen den Abgabepflichtigen erheben kann und die Erstattung der nicht geschuldeten Abgabe durch den Abgabepflichtigen nicht praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird (EuGH-Urteil Danfoss und Sauer-Danfoss vom 20. Oktober 2011 C-94/10, EU:C:2011:674, ZfZ 2011, 305). Unabhängig davon, dass im Streitfall die für die Biokraftstoffe geschuldete Energiesteuer beim Steuerschuldner nicht unionsrechtswidrig erhoben worden ist, waren Vertragsparteien, die über die Lieferungen von Biokraftstoffen entsprechende Verträge abgeschlossen hatten, nicht daran gehindert, die bevorstehenden Rechtsänderungen beim Abschluss der Lieferverträge zu berücksichtigen. Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, konnte der BTDrucks 16/11131 bereits im Dezember 2008 die bevorstehende Änderung der Beimischungsquote und der Energiesteuerentlastung entnommen werden. Unbeachtlich ist dabei, dass die Rechtsänderung in Bezug auf die beihilferechtlich relevanten Regelungen noch unter einem Genehmigungsvorbehalt stand, denn ein vorausschauender Wirtschaftsteilnehmer hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die Kommission eine solche Genehmigung nicht erteilen würde. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat die Klägerin die streitgegenständlichen Biokraftstoffe erst ab Mai 2009 erworben. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass die Begründung zivilrechtlicher Ansprüche unmöglich gewesen oder übermäßig erschwert worden ist.
5. Da das FG keine Feststellung darüber getroffen hat, welche Teilmengen der im Zeitraum vom 13. Juli bis zum 26. August 2009 in andere Mitgliedstaaten verbrachten Energieerzeugnisse auf den Zeitraum vom 13. Juli bis zum 17. August 2009 entfallen, war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.