Entscheidungsdatum: 22.06.2010
1. NV: Die Einstufung einer Geschäftseinrichtung oder Anlage als Betriebsstätte i. S. des § 12 AO und als selbständiges Unternehmen i. S. des § 2 Nr. 4 StromStG hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der konkreten Ausprägung von räumlichen und zeitlichen Komponenten ab, so dass die Frage, ob eine bestimmte Anlage als Betriebsstätte bzw. als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes angesehen werden kann, nicht grundsätzlich bedeutsam ist.
2. NV: Ebenfalls nicht klärungsbedürftig ist die Frage, ob eine schriftliche Mitteilung eines Außenprüfers als bloße Vorbereitungshandlung oder als verjährungshemmende Prüfungshandlung anzusehen ist, da es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt.
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S. des § 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG), das von ihrer Zweigniederlassung in S aus ein geschlossenes System der Zucht, Brut, Aufzucht und Mast von Geflügel betreibt. Für die Geflügelhaltung nutzt die Klägerin sowohl eigene als auch fremde landwirtschaftliche Betriebe. Ihre Zweigniederlassung in B dient der Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und Verpackung von Geflügel. Die Durchführung der verschiedenen Produktionsschritte hat die Klägerin im Rahmen von Werkverträgen an dritte Firmen übertragen. Im Rahmen einer im Jahre 2007 durchgeführten Außenprüfung gelangte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin Strom an Dritte geleistet habe, die nicht im Besitz einer Erlaubnis nach § 9 Abs. 3 StromStG gewesen seien. Dementsprechend forderte das HZA mit Steuerbescheid vom 26. August 2008 Stromsteuervergütungsbeträge zurück. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das HZA die Klägerin zu Recht auf Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Stromsteuervergütung in Anspruch genommen habe. Den hinsichtlich des Kalenderjahres 2005 zur Steuervergütung angemeldeten Strom habe die Klägerin nicht für eigene betriebliche Zwecke entnommen, sondern ihn --ohne Versorger zu sein-- an Pächter bzw. Mieter geleistet, so dass die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) erfüllt seien. Nach der Ausgestaltung der von der Klägerin mit den Pächtern der einzelnen "Farmanlagen" in Verbindung mit den Aufzucht- bzw. Hähnchenmastvereinbarungen abgeschlossenen Pachtverträge sei davon auszugehen, dass die jeweiligen Pächter die Anlagen als selbstständige Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG betrieben und alleinverantwortlich geführt hätten. Die Einflussmöglichkeiten der Klägerin auf die Pächter seien nicht geeignet, deren Selbstständigkeit in Frage zu stellen. Ohne rechtliche Relevanz sei der Umstand, dass die Klägerin nach einer Aufzuchtperiode bzw. zwischen den Mastdurchgängen in den Farmanlagen Reinigungs-, Desinfektions-, Wartungs- und Reparaturarbeiten durchführe. Ob die Stromkosten tatsächlich mit dem Pachtzins abgegolten seien, sei für die Einordnung der Pächter als Dritte i.S. des § 16 Abs. 1 StromStV ohne rechtliche Relevanz. Auch die Vertragspartner, mit denen die Klägerin Werkverträge zur Herstellung bestimmter Produkte und zur Verpackung in von der Klägerin gepachteten bzw. gemieteten Räumlichkeiten abgeschlossen habe, seien als selbstständige Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG anzusehen. Das von ihnen angestellte und eingesetzte Personal sei Weisungen der Klägerin nicht unterworfen gewesen. Vertragsgegenstand sei nicht die Personalgestellung, sondern die Erstellung eines Werkes bzw. Produktes gewesen.
Die verpachteten bzw. vermieteten Anlagen könnten auch nicht als Betriebsstätten der Klägerin angesehen werden. In diesem Zusammenhang sei ohne Relevanz, dass die Klägerin nach zumindest einem Vertrag zweimal pro Schicht eine eigene Bewertung des Produktionsablaufs bzw. der produzierten Ware durchführen lasse.
Der Korrektur der Steuervergütung stehe der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht entgegen. Das Schreiben des Außenprüfers vom 18. Dezember 2007, mit dem dieser auf den erweiterten Prüfungszeitraum bezogene Unterlagen angefordert und als Termin zur Fortführung der Prüfung den 15. Januar 2008 vorgeschlagen habe, stelle sich als Prüfungshandlung dar, die den Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) gehemmt habe.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), sowie wegen unzureichender Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Von grundsätzlicher Bedeutung seien die Rechtsfragen, ob ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes in seinen Anlagen auch dann Strom für seine betrieblichen Zwecke i.S. des § 9 Abs. 3 StromStG entnehme, wenn es einzelne Arbeitsprozesse seiner Produktion im Rahmen von Auftrags- und Werkvertragsverhältnissen übertragen habe; ob die wiederkehrende alleinige Sachherrschaft des Auftraggebers über seine Betriebsanlage nach Beendigung des jeweiligen Auftrags zum Zwecke der Durchführung von Reinigungs-, Desinfektions-, Wartungs- und Reparaturarbeiten die Annahme einer Betriebsstätte i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 5 StromStV i.V.m. § 12 AO begründe und ob eine Mitteilung des Außenprüfers an das zu prüfende Unternehmen mit dem Vorschlag eines Termins zur Fortführung der noch nicht begonnenen Prüfung und der Aufforderung zur Vorlage von Firmenunterlagen für den zu prüfenden Zeitraum mit der Folge als Prüfungshandlung zu qualifizieren sei, dass ab Zugang dieser Mitteilung die Prüfung beginne. Entgegen der Auffassung des FG sei die Mitteilung des Prüfers lediglich als Vorbereitungshandlung zu sehen.
Zudem weiche das erstinstanzliche Urteil von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Juni 2006 I R 84/05 (BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94) ab. Danach sei bei einem verpachteten Betrieb auch dann eine Betriebsstätte des Verpächters anzunehmen, wenn der Verpächter im Rahmen der Betriebsverpachtung eine eigenbetriebliche Tätigkeit entfalte, zu der u.a. die Wartung und Pflege der verpachteten Anlage gehörten. Wäre das FG seiner Sachaufklärungspflicht nachgekommen, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Tätigkeit der Klägerin die von der BFH-Rechtsprechung zur Begründung einer Betriebsstätte erforderliche Nachhaltigkeit und Regelmäßigkeit aufweise.
Verfahrensfehlerhaft habe das FG zwei schriftsätzlich benannte Zeuginnen nicht vernommen, die den Einsatz von Personal der Klägerin zwischen den Haltungsdurchgängen bestätigt hätten. Schließlich habe das FG die bei den Akten befindlichen Notizen des Prüfers unter Verletzung der Sachaufklärungspflicht unzutreffend ausgelegt.
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die behauptete Divergenz liegt nicht vor. Zudem sind die behaupteten Verfahrensmängel nicht so dargelegt, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.
1. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes in seinen Anlagen auch dann Strom für betriebliche Zwecke i.S. des § 9 Abs. 3 StromStG entnimmt, wenn es einzelne Arbeitsprozesse seiner Produktion im Rahmen von Auftrags- und Werkvertragsverhältnissen überträgt, stellte sich in dem angestrebten Revisionsverfahren in dieser Form nicht. Insbesondere lässt die Fragestellung außer Acht, dass die Klägerin nach den Feststellungen des FG mit den Pächtern der einzelnen Farmanlagen Pachtverträge in Verbindung mit den jeweiligen Aufzucht- und Hähnchenmastvereinbarungen abgeschlossen hat. Nach weiteren Feststellungen des FG werden die Werkleistungen ausweislich verschiedener Anlagen zu den Werkverträgen in Räumlichkeiten bzw. unter Verwendung von Anlagen erbracht, die von der Klägerin gepachtet bzw. gemietet worden sind. Verfahrensrügen hat die Klägerin hinsichtlich dieser Feststellungen nicht erhoben. Demgegenüber bezieht sich die Fragestellung der Klägerin lediglich auf die Übertragung von einzelnen Arbeitsprozessen, ohne die im Streitfall maßgeblichen Pacht- bzw. Mietverträge in Bezug zu nehmen.
2. Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit der Klärung des Betriebsstättenbegriffs des § 12 AO aufgeworfene Frage kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO führen, denn sie ist einer allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich. Die Einstufung einer Geschäftseinrichtung oder Anlage als Betriebsstätte i.S. des § 12 AO hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere von der konkreten Ausprägung von räumlichen und zeitlichen Komponenten ab. Dies belegt auch der Streitfall. Die von der Beschwerde für bedeutsam gehaltene Frage bezieht sich allein auf die im Streitfall vorliegenden Besonderheiten, wobei der zeitliche Umfang der wiederkehrenden alleinigen Sachherrschaft der Klägerin über ihre verpachteten bzw. vermieteten Betriebsanlagen nicht näher bestimmt wird. Aus diesen Gründen kommt der Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu.
3. Schließlich ist auch die Frage nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine Mitteilung eines Außenprüfers, deren Inhalt genau dem Schreiben des Außenprüfers vom 18. Dezember 2007 entspricht, als Prüfungshandlung anzusehen ist. Im Kern ihres Vorbringens begehrt die Klägerin mit der auf den Streitfall bezogenen Fragestellung eine Überprüfung der vom FG vorgenommenen Auslegung des Schreibens des Außenprüfers, das nach Auffassung des FG nicht nur als eine bloße Vorbereitungshandlung angesehen werden kann. Darauf deuten z.B. die Ausführungen hin, dass die Mitteilung des Außenprüfers für die Klägerin auch nicht anhand der sonstigen Umstände als Mitteilung des Prüfungsbeginns zu verstehen gewesen sei und dass nach Erlass der Prüfungsanordnung keine Gespräche in Bezug auf das Jahr 2005 geführt worden seien. Damit gibt die Klägerin selbst zu erkennen, dass die Beantwortung der Frage, ob eine Mitteilung eines Außenprüfers als Prüfungshandlung gedeutet werden kann, von den Gesamtumständen im konkreten Einzelfall abhängt.
4. Entgegen der Behauptung der Beschwerde hat das FG keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von einem Rechtssatz in der BFH-Entscheidung in BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94 abweicht. In diesem Urteil hat der BFH entschieden, dass an selbstständige Handelsvertreter verpachtete Tankstellen nicht als Betriebsstätten des verpachtenden Mineralölunternehmens angesehen werden können. In der angefochtenen Entscheidung hat das FG dieses Urteil ausdrücklich in Bezug genommen und ausgeführt, dass ein verpachteter Betrieb ausnahmsweise dann eine Betriebsstätte des Verpächters sein könne, wenn der Verpächter im Rahmen der Betriebsverpachtung eine eigenbetriebliche --eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisende-- Tätigkeit entfalte, zu der u.a. Wartung und Pflege der verpachteten Anlagen gehören könnten. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat das FG die Tätigkeit der Klägerin nicht als ausreichend angesehen, um die geforderte Nachhaltigkeit zu vermitteln bzw. die Selbstständigkeit der Pächter in Frage zu stellen. Ein von der genannten BFH-Entscheidung abweichender Rechtssatz ist den Ausführungen des FG nicht zu entnehmen.
5. Hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrügen fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung des behaupteten Verfahrensmangels.
a) Wird geltend gemacht, das FG hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Antrag des im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesenden Prozessvertreters der Klägerin von Amts wegen umfassender aufklären müssen, ist u.a. darzulegen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei der weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern das Ergebnis einer weiteren Beweiserhebung auf der Grundlage des materiellen Rechtsstandpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Senatsbeschluss vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, 494, m.w.N.). Schließlich gehört zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers mangelhafter Sachaufklärung nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die Nichterhebung weiterer (angebotener) Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch im Rahmen der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge.
b) Soweit die Beschwerde rügt, dass das FG die Dauer der Haltungsperioden und die Dauer der Interimsperioden, die der Klägerin zur Durchführung von Reinigungs-, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten zur Verfügung gestanden sind, nicht festgestellt hat, ist die Rüge deshalb nicht schlüssig, weil nicht dargelegt wird, dass diese Feststellungen aus der maßgeblichen Sicht des FG entscheidungserheblich waren. In seiner Urteilsbegründung hat das FG ausgeführt, dass es ohne rechtliche Relevanz sei, dass die Klägerin diese Arbeiten selbst durchgeführt habe. Seine Überzeugung hat es aufgrund des Inhalts der von der Klägerin abgeschlossenen Pacht- bzw. Mietverträge gewonnen. Auf die Dauer der Haltungsperioden und der dazwischen liegenden Zeiträume kam es ihm offensichtlich nicht an.
c) Hinsichtlich der von der Klägerin ebenfalls mit der Verfahrensrüge angegriffenen Nichtvernehmung der schriftsätzlich benannten Zeugen hat die Klägerin ihr Rügerecht verloren. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung hat sie in der Sitzung keine Beweisanträge gestellt. Darüber hinaus war aus der Sicht des FG eine Vernehmung der Zeugen deshalb entbehrlich, weil es aus seiner Sicht nicht darauf ankam, ob die Klägerin zwischen den Haltungsdurchgängen die Reinigungs- und Wartungsarbeiten mit eigenem Personal durchgeführt hat.
d) Schließlich kommt eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auch nicht deshalb in Betracht, weil das FG nach Ansicht der Klägerin den Inhalt des Schreibens des Außenprüfers vom 18. Dezember 2007 und der von ihm gefertigten Notizen unzutreffend gedeutet hat. Die beiden Schriftstücke sind Bestandteil der Akten, von denen anzunehmen ist, dass diese vom FG zur Kenntnis genommen worden sind. Einer weiteren Sachaufklärung bedurfte es insoweit nicht. Im Kern ihres Vorbringens rügt die Klägerin nicht eine mangelnde Sachaufklärung, sondern eine vermeintlich fehlerhafte Beweiswürdigung. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind jedoch revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und daher der Prüfung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 82, m.w.N.).