Entscheidungsdatum: 26.04.2010
1. NV: Ein Auskunftsanspruch und damit ein Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters besteht nur dann, wenn ein Anfechtungsrecht nach der InsO dem Grunde nach feststeht. Dies ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, so dass einer diesbezüglichen Frage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
2. NV: Bei einem vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Auskunftsanspruch handelt es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch, der sich aus einem durch Anfechtung nach der InsO begründeten Rückgewährschuldverhältnis ergibt. Aufgrund des zivilrechtlichen Charakters dieses Anspruchs ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet.
I. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) wurde zum Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Schuldners (S) bestellt. Da dieser gegenüber dem Kläger nur unspezifizierte Angaben über Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten und Beschwerdeführers (das Finanzamt --FA--) machte, beantragte der Kläger Einsicht in die Vollstreckungsakten, die das FA ablehnte.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) das FA verpflichtete, den Antrag unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Das FG urteilte, dass das FA von dem ihm zustehenden Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe (§ 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA habe es unterlassen, eine regelgerechte Abwägung der Interessen beider Beteiligten vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestehe ein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters in den Fällen, in denen das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters dem Grunde nach feststehe. In Bezug auf Zahlungen, die nach dem Insolvenzantrag an das FA geleistet worden seien, bestehe im Streitfall ein solcher Anspruch, den das FA unberücksichtigt gelassen habe. Zu Unrecht habe das FA das Bestehen des Anspruchs auf Einsicht in die Vollstreckungsakten von einer konkret benannten Pfändung abhängig gemacht. Der Anspruch bestehe ohne derartige Vorbedingungen. Entgegen der Auffassung des FA habe der Kläger nicht nur insolvenzrechtliche und damit zivilrechtliche, sondern auch steuerrechtliche Belange geltend gemacht, denn er habe darauf hingewiesen, dass ihn das FA zur Abgabe von Steuererklärungen aufgefordert und einen Fristverlängerungsantrag abgelehnt habe. Schließlich habe das FA nicht erwogen, dass die Prüfung der Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung durch Einsicht in die Vollstreckungsakten dem in § 1 der Insolvenzordnung (InsO) festgelegten und im öffentlichen Interesse liegenden Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung diene. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege allerdings nicht vor.
Mit seiner Beschwerde begehrt das FA die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Ermittlung von Anfechtungsmöglichkeiten ein schützenswertes Interesse bei der Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch eines Insolvenzverwalters darstelle. In nahezu jedem Insolvenzverfahren würde der Insolvenzverwalter eine solche Prüfung begehren. Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob das FA überhaupt dazu verpflichtet sei, Anfechtungen gegen sich im Interesse einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zu erleichtern. Entgegen der Rechtsprechung des BGH habe das FG einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch angenommen, der sich auf alle in der Akte befindlichen Vorgänge erstrecke. Das FG stelle weitreichende Anforderungen an die zu treffende Ermessensentscheidung, die nicht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung und der Verwaltungsauffassung stünden.
Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Ausführungen des FA genügen nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
1. Soweit das FA die Frage aufwirft, ob die Ermittlung von Anfechtungsmöglichkeiten ein schützenswertes Interesse bei der Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch darstellt, wird allein mit diesen Ausführungen weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit der Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren belegt.
Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Frage bereits dahingehend entschieden worden, dass ein Auskunftsanspruch --und damit ein Akteneinsichtsrecht-- des Insolvenzverwalters dann besteht, wenn ein Anfechtungsrecht dem Grunde nach feststeht. In diesem Fall bildet das der näheren Bestimmung des Rückgewährsanspruchs dienende Auskunftsrecht einen Teil des infolge der Zahlungen entstandenen Rückgewährschuldverhältnisses (BGH-Urteile vom 13. August 2009 IX ZR 58/06, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2009, 1942, m.w.N., und vom 21. Januar 1999 IX ZR 429/97, Neue Juristische Wochenschrift 1999, 1033). In der Urteilsbegründung hat das FG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach dem Insolvenzantrag von der Tochter des S Zahlungen an das FA geleistet worden seien, deren Anfechtung das FA anerkannt habe. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwände erhoben. Es hat lediglich ausgeführt, dass das FG den eigentlichen Zweck des Verfahrens "nur abrundungsweise um eventuelle steuerliche Aspekte" ergänzt habe. Soweit damit belegt werden soll, dass das FG diesen Zahlungen nur eine zu vernachlässigende und nicht streitentscheidende Bedeutung beigemessen habe, trifft dies ausweislich der Urteilsbegründung nicht zu. Bei diesem Befund ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass es auf die Klärung der aufgeworfenen Frage, die das vom FG festgestellte Anfechtungsrecht nicht zur Kenntnis nimmt, in dem angestrebten Revisionsverfahren ankommt.
2. Soweit das FA die Frage aufwirft, ob die Finanzverwaltung wegen ihrer Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 des Grundgesetzes (GG) überhaupt verpflichtet sei, Anfechtungen gegen sich erleichtert zu ermöglichen, genügen auch diese Darlegungen aus den vorgenannten Gründen und auch deshalb nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, weil sie sich in keiner Weise mit der dazu ergangenen und vom FG zitierten BGH-Rechtsprechung auseinandersetzen. Darüber hinaus befasst sich die Beschwerde nicht einmal ansatzweise mit der Reichweite der in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Bindungswirkung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Bezugnahme auf eine einzige Stimme in der Literatur vermag die erforderliche nähere Erläuterung und Befassung mit der aufgeworfenen Frage nicht zu ersetzen.
3. Soweit die Beschwerde eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der Rechtsprechung des BGH behauptet, ist eine solche Divergenz ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), so muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80, und vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Einen dem Urteil des FG entnommenen Rechtssatz stellt die Beschwerde einem näher bezeichneten Rechtssatz aus einer Divergenzentscheidung des BFH oder BGH nicht gegenüber. Im Übrigen ist dem Urteil der von der Beschwerde im Zusammenhang mit der Divergenzrüge aufgestellte Rechtssatz, dass sich ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch auf alle in der Akte befindlichen Vorgänge erstreckt, nicht zu entnehmen.
4. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit zuzulassen. Selbst wenn das FG die Eröffnung des Finanzrechtswegs aufgrund des Bestehens eines Steuerrechtsverhältnisses zwischen dem Insolvenzverwalter und dem FA zu Unrecht angenommen haben sollte, handelt es sich nicht um eine objektiv willkürliche oder greifbar gesetzwidrige Entscheidung. Die Regelungen in § 17a des Gerichtsverfassungsgesetzes belegen, dass vom Bestand einer von einem sachlich unzuständigen Gericht getroffenen Entscheidung auszugehen ist und eine zwingende Veranlassung zu ihrer Aufhebung nicht besteht.
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass zivilrechtliche Auskunftsansprüche nicht Gegenstand einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten sein können (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei einem vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Auskunftsanspruch um einen zivilrechtlichen Anspruch, der sich aus einem durch Anfechtung nach der InsO begründeten Rückgewährschuldverhältnis ergibt. Aufgrund des zivilrechtlichen Charakters dieses Anspruchs ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet. Dementsprechend wäre eine abgabenrechtliche Verpflichtung des FA zur ermessensfehlerfreien Entscheidung in vergleichbaren Fällen nicht gegeben. Die Nichteröffnung des Rechtswegs zu den Finanzgerichten in solchen Fällen bestätigt, dass der Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Diesen Aspekt lässt die Beschwerde unberücksichtigt.