Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 27.10.2014


BFH 27.10.2014 - VII B 192/13

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids oder einer Zahlungsaufforderung


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
27.10.2014
Aktenzeichen:
VII B 192/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 26. September 2013, Az: 6 K 1458/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Zahlungen, die nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bezüglich eines Haftungsbescheides auf die Steuerschuld geleistet werden, haben keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids oder der an den Haftungsschuldner gerichteten Zahlungsaufforderung; insoweit kann --auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist und nach Abschluss des Verwaltungs- oder Klageverfahrens-- ein Widerruf nach § 131 Abs. 1 AO veranlasst sein .

2. NV: Dies gilt auch im Fall einer Teilrücknahme nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung; der fortbestehende Teil des ursprünglichen Bescheides ist nicht Gegenstand einer (erneuten) (Ermessens-)Entscheidung .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein finanzgerichtliches Urteil, mit dem die Klage gegen eine Zahlungsaufforderung über 1.463.055,79 € als unbegründet abgewiesen worden war.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) forderte den Kläger zunächst mit Bescheid vom 5. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2009 auf, 1.492.390,53 € aus einem Haftungsbescheid zu zahlen. Im Klageverfahren verminderte das FA auf richterlichen Hinweis diesen Betrag mit Bescheid vom 18. September 2013 gemäß § 130 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) um die bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung geleisteten Zahlungen auf die Primärschuld in Höhe von 29.334,74 € auf 1.463.055,79 €. Den Abzug weiterer, nach Klageerhebung von einem anderen Haftungsschuldner geleisteter Zahlungen in Höhe von 487.619,17 € lehnten das FA und das Finanzgericht (FG) ab. Zahlungen nach Ergehen der Einspruchsentscheidung seien nicht im Bescheid vom 18. September 2013, sondern gegebenenfalls in einem gesonderten (Abrechnungs-)Bescheid zu berücksichtigen. Die Zahlungsaufforderung sei auch nicht im Hinblick auf die zwischenzeitliche Verjährung der Hauptforderung aufzuheben.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die er mit Divergenz begründet (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Außerdem macht der Kläger einen "Verfahrensmangel" geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Er trägt vor, das FG habe unzulässigerweise in die Ermessensentscheidung des FA eingegriffen und damit im Ergebnis seine eigene Entscheidung einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen, indem es dem FA den Erlass eines Rücknahmebescheids nahegelegt habe.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO.

5

1. Der Kläger hat die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO --Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung-- nicht dargelegt.

6

Zur Darlegung dieser Voraussetzungen ist es mindestens erforderlich, dass das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen ist, und der Rechtssatz, den sie falsch angewandt oder ausgelegt hat, bezeichnet werden (BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). In der Beschwerdebegründung müssen dabei abstrakte (tragende) Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der höchstrichterlichen Divergenzentscheidung gegenübergestellt und so genau bezeichnet werden, dass eine Abweichung erkennbar wird.

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In der Beschwerdebegründung des Klägers wird weder ein Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen ist, noch der Rechtssatz, den sie falsch angewandt oder ausgelegt haben soll, bezeichnet. Die in der Beschwerdebegründung genannten Entscheidungen betreffen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, auf die es nach dem --insoweit zutreffenden-- eigenen Vortrag des Klägers nicht ankommt. Die Rechtmäßigkeit der Zahlungsaufforderung betreffende Entscheidungen, von denen das finanzgerichtliche Urteil abweichen könnte, hat der Kläger nicht genannt.

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2. Der Vortrag, das Urteil des FG sei rechtsfehlerhaft, rechtfertigt die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ebenfalls nicht. Dass das FG in seinem Urteil einen Fehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung gemacht hat, wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Der Eintritt der Zahlungsverjährung des Steueranspruchs berührt die Rechtmäßigkeit eines vor Verjährungseintritt erlassenen Haftungsbescheids regelmäßig nicht (Senatsurteil vom 11. Juli 2001 VII R 28/99, BFHE 195, 510, BStBl II 2002, 267). Zahlungen des Steuerschuldners oder eines anderen Haftungsschuldners, die nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bezüglich eines Haftungsbescheids auf die Steuerschuld geleistet werden, haben keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Haftungsbescheids oder der Zahlungsaufforderung; insoweit kann --auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist und nach Abschluss des Verwaltungs- oder Klageverfahrens-- ein Widerruf nach § 131 Abs. 1 AO veranlasst sein (vgl. Senatsurteile vom 12. August 1997 VII R 107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131; vom 4. Dezember 2007 VII R 37/06, BFH/NV 2008, 526). Dies gilt auch im Fall einer Teilrücknahme, bei der der fortbestehende Teil des ursprünglichen Bescheids nicht Gegenstand einer (erneuten) (Ermessens-)Entscheidung ist (vgl. Senatsentscheidungen vom 8. Februar 2008 VII B 156/07, BFH/NV 2008, 967; vom 4. November 2003 VII B 34/03, BFH/NV 2004, 460; vom 2. April 2002 VII B 310/00, BFH/NV 2002, 1276).

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3. Dem Vorbringen des Klägers kann auch ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht entnommen werden. Der Kläger benennt keine prozessuale Vorschrift, gegen die das FG verstoßen haben soll. Ein Verstoß gegen prozessuales Recht, auf dem das Urteil beruhen könnte, ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen liegt der behauptete Eingriff in eine Ermessensentscheidung des FA hinsichtlich des fortbestehenden Teils der Zahlungsaufforderung bereits deshalb nicht vor, weil der fortbestehende Teil des ursprünglichen Bescheids, wie ausgeführt, im Fall einer Teilabhilfe nicht Gegenstand einer (erneuten) (Ermessens-)Entscheidung ist.

10

Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO im Übrigen ohne Begründung.