Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 20.02.2012


BFH 20.02.2012 - VII B 146/11

Keine Branntweinsteuerentlastung bei Ausfuhr außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens - Keine nachträgliche Erstattung - Ausübung steuerrechtlicher Wahlrechte


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
20.02.2012
Aktenzeichen:
VII B 146/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 26. Juli 2011, Az: 11 K 1112/07, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 136 Abs 1 BranntwMonG
§ 142 Abs 1 BranntwMonG

Leitsätze

1. NV: Wird Branntwein aus einem Steuerlager entfernt, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschließt, entsteht nach § 136 Abs. 1 BranntwMonG selbst dann die Steuer, wenn das Erzeugnis in ein Drittland ausgeführt werden soll .

2. NV: Will der Wirtschaftsbeteiligte diese Rechtsfolge vermeiden, kann er das Erzeugnis unter Steueraussetzung ausführen .

3. NV: Eine nachträgliche Steuerentlastung für Branntwein, der nach seiner Entnahme in den verbrauchsteuerrechtlich freien Verkehr ausgeführt wird, sieht das BranntwMonG nicht vor. Demnach besteht nach der Entfernung des Erzeugnisses aus dem Steuerlager keine Möglichkeit, durch Ausübung eines Wahlrechts mit dem Ziel der steuerfreien Ausfuhr die Steuerentstehung rückgängig zu machen .

4. NV: Die Rechtsprechung des BFH zur Ausübung ertragsteuerrechtlicher Wahlrechte lässt sich auf das Verbrauchsteuerrecht nicht übertragen .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) entnahm in den Jahren 2005 und 2006 Branntwein aus einem vom Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) bewilligten offenen Branntweinlager und führte den Branntwein in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) aus. Für den ausgeführten Branntwein gab er Steueranmeldungen ab und entrichtete die durch Entnahme aus dem Steuerlager entstandene Branntweinsteuer. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde in allen Ausfuhrfällen aufgehoben; die Steuerfestsetzungen sind bestandskräftig geworden. Erst im September 2006 beantragte der Kläger die Erstattung der entrichteten Branntweinsteuer. Dabei machte er geltend, er sei irrtümlich davon ausgegangen, die Belieferung von Endverbrauchern in den USA habe nicht unter Steueraussetzung erfolgen können. Das HZA lehnte den Antrag ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Branntweinsteuer sei nach § 136 Abs. 1 des Branntweinmonopolgesetzes in der in den Streitjahren maßgeblichen Fassung (BranntwMonG) mit der Entnahme des Branntweins in den freien Verkehr entstanden. Einen Entlastungstatbestand für die Ausfuhr enthalte das BranntwMonG nicht. Es stehe dem Lagerinhaber frei, zur Vermeidung einer Steuerbelastung Branntwein im Steueraussetzungsverfahren aus dem Steuergebiet auszuführen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Umsatzsteuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen könne auf das Verbrauchsteuerrecht nicht übertragen werden. Eine Erstattung nach Art. 239 des Zollkodex komme nicht in Betracht.

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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und mangelnder Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob der Steuerpflichtige bei der Ausfuhr von Branntweinerzeugnissen aus einem offenen Branntweinlager das Wahlrecht aus § 142 Abs. 1 BranntwMonG innerhalb der Festsetzungsfrist ändern und hierdurch nachträglich die Steuerfreiheit in Anspruch nehmen könne. Wie der BFH mit Urteil vom 3. Februar 1987 IX R 255/84 (BFH/NV 1987, 751) entschieden habe, bedürfe es für die nachträgliche Ausübung eines einkommensteuerrechtlichen Wahlrechts keiner ausdrücklichen Rechtsgrundlage. Daher weiche das Urteil des FG von der Rechtsprechung des BFH ab. Schließlich habe das FG die Feststellung der Entnahme des Branntweins in den steuerlich freien Verkehr verfahrensfehlerhaft ausschließlich auf die irrtümliche Abgabe der Steueranmeldungen gestützt. In keiner Weise habe das FG zu erkennen gegeben, aus welcher Rechtsvorschrift es das Merkmal der Entnahme in den freien Verkehr abgeleitet habe.

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Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die behauptete Divergenz und der geltend gemachte Verfahrensmangel liegen nicht vor.

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1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Frage nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sich die Antwort ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, m.w.N.). So liegt es im Streitfall. Nach § 142 Abs. 1 BranntwMonG dürfen Branntwein und branntweinhaltige Waren (Erzeugnisse) aus Steuerlagern unter Steueraussetzung aus dem Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Gemeinschaft ausgeführt werden. Dieses Verfahren ermöglicht den Export von verbrauchsteuerrechtlich unbelasteten Waren. Die Ausfuhr von bereits versteuerten Waren und ihre nachträgliche Entlastung sieht das BranntwMonG indes nicht vor. Vielmehr ist die Ausfuhr unter Steueraussetzung als Regelverfahren angelegt, weshalb die Ansicht des Klägers Bedenken begegnet, der Gesetzgeber habe dem Wirtschaftsbeteiligten ein Wahlrecht im Sinne einer echten Option einräumen wollen. Daran, dass ein Steuerlagerinhaber mit der Folge der Versteuerungspflicht branntweinsteuerpflichtige Erzeugnisse in den steuerrechtlich freien Verkehr entnimmt und sodann ausführt, hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 142 BranntwMonG nicht gedacht.

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Wird Branntwein aus dem Steuerlager entfernt --was zur Ausfuhr des Erzeugnisses zwingend erforderlich ist-- und eröffnet der Steuerlagerinhaber kein Steueraussetzungsverfahren, entsteht nach § 136 Abs. 1 BranntwMonG die Steuer. Diese Rechtsfolge ist nach den gesetzlichen Vorgaben unabweisbar. Ein entgegenstehender Wille des Lagerinhabers ist unbeachtlich. Die Frage, ob der Steuerlagerinhaber nach Entfernung der Ware aus dem Steuerlager durch nachträgliche Änderung des vermeintlichen Wahlrechts eine steuerfreie Ausfuhr ermöglichen kann, ist so zu beantworten, wie es das FG getan hat. Eine Entnahme in den freien Verkehr lässt sich nicht nachträglich in ein Steueraussetzungsverfahren umwandeln. Die Steuerentstehung lässt sich durch eine bloße Willenserklärung nicht rückgängig machen. Da das BranntwMonG ein Erstattungsverfahren nicht vorsieht, kann eine Entlastung allenfalls im Wege eines Billigkeitserweises nach § 227 der Abgabenordnung erreicht werden.

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2. Die vom Kläger behauptete Divergenz liegt nicht vor. Das von der Beschwerde in Bezug genommene Urteil betrifft das Ehegatten zustehende Wahlrecht nach § 26 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Danach können unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Ehegatten zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung wählen. Nur für diesen Fall hat der BFH entschieden, ein Steuerpflichtiger könne ein nicht fristgebundenes Wahlrecht noch während einer Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ausüben und eine bereits ausgeübte Wahl ändern. Wie bereits ausgeführt, kann ein Steuerlagerinhaber die durch die Entfernung der verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus dem Steuerlager herbeigeführte Entstehung der Steuer nicht durch eine nachträgliche Willenserklärung rückgängig machen. Im Gegensatz zu den Ertragsteuern sind Verbrauchsteuern Realaktsteuern. Darüber hinaus ist § 142 Abs. 1 BranntwMonG die Normierung eines § 26 EStG vergleichbaren Wahlrechts nicht zu entnehmen. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass sich die Rechtsprechung des BFH zur Ausübung ertragsteuerrechtlicher Wahlrechte nicht auf die im BranntwMonG angelegten Verbrauchsteuerverfahren übertragen lässt, so dass das FG von dem in BFH/NV 1987, 751 veröffentlichten BFH-Urteil nicht abgewichen ist.

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3. Schließlich liegt auch der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Aufgrund des unstreitig gestellten Sachverhalts musste sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung nicht aufdrängen. Im Übrigen hat der anwaltlich vertretene Kläger ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung keine Beweisanträge gestellt und damit sein Rügerecht verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung).