Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 27.10.2010


BFH 27.10.2010 - VII B 130/10

Abrechnungsbescheid nur bei vorheriger Steuerfestsetzung - Steuerfestsetzung als Voraussetzung einer Steueranrechnung


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
27.10.2010
Aktenzeichen:
VII B 130/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 21. Mai 2010, Az: 13 K 2927/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Voraussetzung eines Abrechnungsbescheids, der einen Erstattungsanspruch aufgrund einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer ausweist, ist das vorherige Ergehen eines Einkommensteuerbescheids. Ist eine Einkommensteuerveranlagung infolge des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich, kann auch ein Abrechnungsbescheid nicht mehr ergehen .

2. NV: Voraussetzung einer Steueranrechnung nach § 36 Abs. 2 EStG ist eine Steuerfestsetzung .

Tatbestand

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I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat den Antrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) --als Mitglied einer Erbengemeinschaft der verstorbenen Frau X-- auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 1993 bis 1997 unter Hinweis auf den Ablauf der Festsetzungsfrist abgelehnt. Der vom Kläger hiergegen eingelegte Einspruch und die Klage (vgl. Urteil des Hessischen Finanzgerichts --FG-- vom 18. Januar 2007  13 K 68/06) blieben ebenso wie die Revision (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. April 2009 VIII R 6/08, BFH/NV 2009, 1397) erfolglos.

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Eine Verpflichtungsklage des Klägers, mit der er die Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1993 bis 1997 unter Berufung auf die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 der Abgabenordnung (AO) erreichen wollte, wurde vom Hessischen FG mit Urteil vom 16. April 2010  13 K 2928/09 --wegen entgegenstehender Rechtskraft-- als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch BFH-Beschluss vom 19. Juli 2010 I B 77/10 als unzulässig verworfen.

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Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der vom Kläger für die Jahre 1993 bis 1997 gestellte Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids, der einen Erstattungsanspruch aufgrund einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer für diese Jahre ausweisen soll. Das FA hat den Antrag abgelehnt, das FG die -im Wege einer Sprungklage nach § 45 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhobene-- Verpflichtungsklage unter Hinweis auf die --infolge der eingetretenen Festsetzungsverjährung-- nicht durchgeführte Steuerveranlagung als unbegründet abgewiesen.

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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, welche sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 FGO) stützt.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 FGO) hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

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1. Der gerügte Verstoß des FG gegen die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde macht keine Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines --insoweit maßgeblichen-- Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen. Der Kläger rügt vielmehr die seiner Ansicht nach fehlende "Untersuchung" des FG zur Rechtsfrage, "auf welche Weise eine den Überschuss begründende Abrechnung außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens zustande kommen könne". Dies ist indes eine Rechtsfrage, wegen deren angeblich fehlerhafter Beantwortung eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO offensichtlich nicht in Betracht kommen kann.

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2. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung.

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a) Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist (vgl. Entscheidungen des BFH vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760, und vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254, m.w.N.). An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. statt aller BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231). An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall:

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b) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Beschwerde die Rechtsfrage an, "ob auch bei nicht durchgeführter Veranlagung ein im Steuererhebungsverfahren festzustellender Erstattungsanspruch besteht". Diese Frage ist indes zweifelsfrei zu verneinen und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren:

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aa) Gegenstand eines Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 AO ist die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO sind Grundlage für die Anspruchsverwirklichung alle Verwaltungsakte, durch die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) festgesetzt werden (Alber in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 218 AO Rz 15, m.w.N.). Die Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ist nur in Ausnahmefällen (z.B. gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AO bei Säumniszuschlägen) Gegenstand eines Abrechnungsbescheids, wenn der Anspruch nicht festgesetzt und auch keine Steuerfestsetzung (§ 218 Abs. 1 Satz 2 AO, § 168 Satz 1 AO) fingiert wird (Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung § 218 AO Rz 18, m.w.N.).

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Im Streitfall bedeutet dies, dass Voraussetzung eines Abrechnungsbescheids das Ergehen von Einkommensteuerbescheiden (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) für die Jahre 1993 bis 1997 gewesen wäre. Infolge des Eintritts der Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) ist eine Einkommensteuerveranlagung jedoch nicht mehr möglich (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1397).

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bb) Auch scheidet mangels Steuerfestsetzung eine Steueranrechnung nach § 36 Abs. 2 EStG aus. Anzurechnen sind Steuerbeträge nach § 36 Abs. 2 EStG nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nämlich nur dann, wenn die Kapitalerträge, auf die sie sich beziehen, bei der Veranlagung "erfasst" worden sind. Notwendige Voraussetzung einer Anrechnung ist mit anderen Worten, dass die betreffenden Kapitalerträge zur Besteuerungsgrundlage (§ 157 Abs. 2 AO) geworden sind, mag sich das auf die Höhe der festgesetzten Steuer ausgewirkt haben oder nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 24. August 2009 VII B 42/09, BFH/NV 2009, 198).