Entscheidungsdatum: 06.07.2018
1. NV: Die VO Nr. 1234/2007 einschließlich der Festsetzung der nationalen Milchquote für das Milchwirtschaftsjahr 2013/14 ist zur Stabilisierung der Märkte nicht offensichtlich ungeeignet .
2. NV: An der Vereinbarkeit der unionsrechtlichen Vorschriften über das Milchquotensystem und die Milchabgabe mit höherrangigem Recht und insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestehen keine Zweifel .
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 23. Juni 2017 4 K 150/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin des Herrn X, der im Zwölfmonatszeitraum 2013/2014 über eine Milchquote von ... kg verfügte. Tatsächlich lieferte er in diesem Zeitraum der Molkerei ... kg. Nach Fettgehaltskorrektur sowie Molkerei- und Bundessaldierung ergab sich eine Überlieferung von ... kg und eine Abgabenforderung in Höhe von ... €, die die Molkerei beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) anmeldete.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Abgabenfestsetzung sei rechtmäßig und mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse --VO Nr. 1234/2007-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 299/1), die für den Zwölfmonatszeitraum 2013/ 2014 bei Überschreitung der einzelstaatlichen Quote die Erhebung einer Überschussabgabe vorsehe, verstoße weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gegen das Diskriminierungsverbot. Es halte an der in seinem Urteil vom 30. September 2016 4 K 157/15 (Agrar- und Umweltrecht 2017, 33) geäußerten Auffassung fest. Der Unionsgesetzgeber verfüge zudem im Bereich der Agrarpolitik über ein weites Ermessen. Ihm stehe in Bezug auf das jeweilige Milchquotenjahr eine Einschätzungsprärogative zu, die vor Beginn des jeweiligen Milchquotenjahres ausgeübt werde und sich auch auf längere Zeiträume erstrecken dürfe und gerichtlich nur in engen Grenzen, d.h. auf offensichtliche Fehleinschätzungen, überprüfbar sei. Letzteres sei im Streitfall nicht gegeben. Insbesondere entspreche die in der VO Nr. 1234/2007 niedergelegte Milchquotenregelung im Wesentlichen dem Regelungswerk der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor --VO Nr. 1788/2003-- (ABlEU Nr. L 270/123), die der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nicht für offensichtlich ungeeignet gehalten habe, um das Ziel der Stabilisierung der Märkte zu verfolgen. Die Milcherzeuger in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) befänden sich in keiner anderen Situation als die Milcherzeuger anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU).
Die Klägerin begründet ihre Nichtzulassungsbeschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Verletzung rechtlichen Gehörs. Es sei zu klären, ob der Unionsgesetzgeber trotz des ihm zukommenden weiten Ermessensspielraums im Fall einer grundlegenden Änderung der Marktverhältnisse zum kurzfristigen Einschreiten und zur Anpassung der festgesetzten Quoten und Mengen verpflichtet sei, wenn anderenfalls der mit den Marktordnungsregeln verfolgte Zweck verfehlt und das Gegenteil erreicht würde. Konkret sei zu klären, ob der Rat der EU wegen der grundlegenden Änderung der Marktverhältnisse im Milchwirtschaftsjahr 2013/14 und der Umkehrung der vom Gesetzgeber bei Erlass der Regelung vorausgesetzten Situation verpflichtet gewesen sei, die einzelstaatlichen Quoten für die jeweiligen Mitgliedstaaten, jedenfalls aber für Deutschland, nachträglich mit Wirkung für das am 31. März 2014 endende Milchwirtschaftsjahr zu erhöhen. Der durchschnittliche Milchpreis in der gesamten EU sei im Laufe des Jahres 2013 stetig gestiegen und die Nachfrage habe das Angebot überstiegen. Das FG verkenne bei dem Hinweis, die Milcherzeuger in den anderen Mitgliedstaaten hätten sich in keiner anderen Situation befunden, dass in den meisten Mitgliedstaaten die einzelstaatliche Quote überhaupt nicht überschritten worden sei. Dem EuGH sei die Frage vorzulegen, ob Art. 66 Abs. 3 VO Nr. 1234/2007 so auszulegen sei, dass im Fall eines festgestellten Nachfrageüberhangs auf dem gesamten Milchmarkt in allen EU-Mitgliedstaaten eine Verpflichtung des Rates bestehe, die einzelstaatlichen Quoten in den Mitgliedstaaten, in denen eine Überschreitung zu erwarten sei, für den betroffenen Zeitraum der erhöhten Nachfrage anzupassen und zu erhöhen. Abgesehen davon habe sich das FG mit ihrer (der Klägerin) Argumentation im Streitfall nicht hinreichend auseinandergesetzt.
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Der Streitsache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zu. Es fehlt an der Klärungsbedürftigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage, weil sich deren Beantwortung ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt und sie daher offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat (vgl. ständige Rechtsprechung, Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom 21. Februar 2014 X B 142/13, BFH/NV 2014, 899).
Gemäß Art. 66 Abs. 3 VO Nr. 1234/2007 werden die einzelstaatlichen Quoten gemäß Anhang IX Nummer 1 vorbehaltlich einer etwaigen Überprüfung auf der Grundlage der allgemeinen Marktlage und besonderen Bedingungen in bestimmten Mitgliedstaaten festgesetzt.
Die Festsetzung der nationalen Milchquoten ist nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Denn im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik verfügt der Rat über einen Ermessensspielraum, dessen gerichtliche Kontrolle auf die Überprüfung beschränkt ist, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist (EuGH-Urteil Azienda Agricola Disarò Antonio u.a. vom 14. Mai 2009 C-34/08, EU:C:2009:304, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2009, 219).
Die Auslegung des Art. 66 Abs. 3 VO Nr. 1234/2007 ist weder zweifelhaft noch ist die VO Nr. 1234/2007 einschließlich der Festsetzung der nationalen Milchquote für das Milchwirtschaftsjahr 2013/14 zur Stabilisierung der Märkte (vgl. Erwägungsgrund 36 der VO Nr. 1234/2007) offensichtlich ungeeignet. Dies hat der EuGH bezüglich der VO Nr. 1788/2003, deren Milchquotenregelung im Wesentlichen dem Regelungswerk der VO Nr. 1234/2007 entspricht und die durch Art. 201 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 1234/2007 aufgehoben wurde, bereits bestätigt (EuGH-Urteil Azienda Agricola Disarò Antonio u.a., EU:C:2009:304, ZfZ 2009, 219). Die im vorliegenden Verfahren ausschlaggebende Regelung in Art. 66 Abs. 3 VO Nr. 1234/2007 war bereits im Wesentlichen wortgleich in Art. 1 Abs. 3 VO Nr. 1788/2003 enthalten.
Auch der erkennende Senat hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH wiederholt, und zwar für die Geltungszeiträume sowohl der VO Nr. 1788/2003 als auch der VO Nr. 1234/2007, entschieden, dass an der Vereinbarkeit der unionsrechtlichen Vorschriften über das Milchquotensystem und die Milchabgabe mit höherrangigem Recht und insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine Zweifel bestehen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. April 2015 VII B 44/14, BFH/NV 2016, 947; vom 20. August 2015 VII B 54/15, BFH/NV 2016, 949, jeweils m.w.N., und vom 13. Juli 2017 VII R 29/16, BFHE 259, 181, ZfZ 2017, 302).
Abgesehen davon wurden nach Art. 66 Abs. 1 VO Nr. 1234/2007 die einzelstaatlichen Quoten für die Erzeugung von Milch und anderen Milcherzeugnissen für sieben aufeinander folgende Zeiträume festgesetzt. Dies lässt darauf schließen, dass der Unionsgesetzgeber vorübergehende Beeinträchtigungen der Marktstabilität nicht in jedem Fall für problematisch erachtet hat. Auch wenn nach Art. 66 Abs. 3 VO Nr. 1234/2007 die allgemeine Marktlage und die besonderen Bedingungen in den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind, lässt sich daraus kein Anspruch eines einzelnen Milcherzeugers auf eine laufende oder zeitnahe Anpassung der einzelstaatlichen Milchquoten an die jeweilige Marktsituation ableiten. Eine nachträgliche Anhebung der einzelstaatlichen Quote nach Ablauf des Milchwirtschaftsjahres allein aufgrund ihrer Überschreitung führte die Milchquotenregelung vielmehr ad absurdum.
Dass in Deutschland besondere Bedingungen bestanden haben, die eine Überprüfung bzw. Anpassung der einzelstaatlichen Quoten über die bereits erfolgten Anpassungen hinaus selbst unter Berücksichtigung des weiten Ermessensspielraums des Unionsgesetzgebers erfordert hätten (vgl. Art. 66 Abs. 3 VO Nr. 1234/2007), hat die Klägerin nicht dargelegt. Der allgemeine Hinweis auf eine erhöhte Nachfrage nach Milch auf dem Weltmarkt und einen gestiegenen Milchpreis in der EU genügen insofern nicht.
2. Ein Verfahrensmangel in Gestalt einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes liegt nicht vor, soweit die Beschwerde rügt, das FG habe ihr Vorbringen nicht vollständig berücksichtigt. Das FG ist nicht verpflichtet, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (BFH-Beschluss vom 18. Juni 2001 II B 129/00, BFH/NV 2001, 1292). Daher liegt in derartigen Fällen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 19. November 2002 X B 78/01, BFH/NV 2003, 335, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2009 VII B 253/08, BFH/NV 2010, 267). Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden, weil sich das FG mit dem Argument der Klägerin, im maßgeblichen Zeitraum habe in Deutschland eine besondere Ausnahmesituation bestanden, auseinandergesetzt hat. Eine eventuelle Pflicht des Rates der EU zur Erhöhung der einzelstaatlichen Quote aufgrund der gestiegenen Nachfrage hat das FG ebenfalls geprüft.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.