Entscheidungsdatum: 22.06.2010
1. Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat .
2. Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden .
3. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten insbesondere dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die marktüblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen .
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 11. November 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 28. Januar 2008 in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein zum Unfallzeitpunkt mehr als sieben Jahre alter Mercedes-Benz mit einer Laufleistung von über 114.451 km, beschädigt wurde. Die Haftung des Beklagten zu 1 als Fahrer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs und der Beklagten zu 2 als Haftpflichtversicherer steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch um die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer von der Beklagten zu 2 benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt verweisen lassen muss oder ob er auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Vertragswerkstatt erstattet verlangen kann.
Die Beklagte zu 2 legte ihrer Schadensberechnung die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von ihr benannten Reparaturwerkstatt zugrunde und kürzte deshalb die im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Reparaturkosten um insgesamt 883,24 €. Dieser Differenzbetrag nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten sind Gegenstand der vorliegenden Klage.
Das Amtsgericht hat die Klage bis auf einen Betrag in Höhe von 12,75 € abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der Kläger seiner fiktiven Schadensabrechnung nicht die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen dürfe. Vielmehr müsse er sich auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von der Beklagten zu 2 benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt E. verweisen lassen. Aufgrund des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens sei bewiesen, dass eine bei der Firma E. durchgeführte Reparatur einer durch eine markengebundene Fachwerkstatt durchgeführten Reparatur technisch gleichgestanden hätte. Dass eine Gleichwertigkeit deshalb nicht gegeben sei, weil die Reparatur durch eine Markenwerkstatt aufgrund eines höheren Vertrauens in die Kompetenz einen besonderen Wertfaktor beinhalte, könne bei der Art der Schäden an dem Pkw des Klägers nicht angenommen werden, da ein spezialisiertes Wissen zur vollständigen und zuverlässigen Schadensbehebung nicht gefordert gewesen sei. Auch im Hinblick auf das Alter und die Laufleistung des Fahrzeugs sei ein besonderes schützenswertes Interesse des Klägers an der Reparatur durch eine Vertragswerkstatt nicht erkennbar, da nicht davon auszugehen sei, dass sich diese bei einem hypothetischen Verkauf tatsächlich im zu erzielenden Preis anders niederschlüge als eine Reparatur in der freien Werkstatt E.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen vom 20. Oktober 2009 (- VI ZR 53/09 - VersR 2010, 225, z.V.b. in BGHZ) und vom 23. Februar 2010 (- VI ZR 91/09 - z.V.b.) grundsätzlich Stellung dazu bezogen, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter, der den Ersatz fiktiver Reparaturkosten begehrt, gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen kann. Danach leistet der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 8 m.w.N.; vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09 - Rn. 8).
Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 9, 13; vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09 - Rn. 9). Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten insbesondere dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-)üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen. Andernfalls würde die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet und ihn davon befreit, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen (vgl. Senatsurteile BGHZ 63, 182, 184; vom 20. September 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 9 f., 12 ff., m.w.N.).
2. Mit diesen Grundsätzen steht das Berufungsurteil nicht im Einklang. Zwar entspricht die Reparatur in der von der Beklagten zu 2 benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt E. nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt. Nach den bisherigen Feststellungen erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass es dem Kläger gleichwohl unzumutbar war, sein Fahrzeug bei der Firma E. reparieren zu lassen. Denn nach der Behauptung des Klägers, die mangels tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz zugrunde zu legen ist, handelte es sich bei den Preisen der Firma E. nicht um deren (markt-)übliche Preise, sondern um Sonderkonditionen aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit der Beklagten zu 2. Wie die Revision mit Recht geltend macht, hatte der Kläger mit Schriftsätzen vom 6. Februar, 1. Juli und 17. August 2009 vorgetragen, dass die Firma E. eine Vertragswerkstatt der Beklagten zu 2 sei, die dieser geringere als die marktüblichen Preise in Rechnung stelle. Der Kläger hatte dabei ausdrücklich auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 28. Januar 2009 Bezug genommen, dem ein Lichtbild des am Büroeingang der Firma E. angebrachten Hinweisschildes mit der Aufschrift "Schadenservice Spezial-Partnerwerkstatt VHV Versicherungen" beigefügt war.
3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die insoweit erforderlichen Feststellungen treffen kann. Es wird dabei zu beachten haben, dass die Beklagte die Beweislast dafür trägt, dass sie ihrer Abrechnung die üblichen Preise der Firma E. zugrunde gelegt hat und es dem Kläger deshalb zumutbar war, die ihm aufgezeigte günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit bei der Firma E. wahrzunehmen. Dies entspricht dem Grundsatz, dass der Schädiger die Tatsachen zu beweisen hat, aus denen sich ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB ergibt (Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 9).
Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht ferner dem Kläger Gelegenheit zur Konkretisierung seiner pauschalen Behauptung zu geben haben, er habe sein Fahrzeug bei der Mercedes-Benz-Niederlassung in H. gekauft und es dort auch stets warten und reparieren lassen. Zwar kann es für den Geschädigten auch bei älteren Kraftfahrzeugen unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 15). Da es sich insoweit um ein zum Wahrnehmungsbereich des Geschädigten gehörendes Geschehen handelt, setzt die Prüfung der Unzumutbarkeit unter diesem Gesichtspunkt im Falle des Bestreitens durch die Gegenseite aber konkreten - beispielsweise durch Vorlage des Scheckheftes, der Rechnungen oder durch Mitteilung der Reparatur- bzw. Wartungstermine substantiierten und vom Schädiger widerlegbaren - Tatsachenvortrag des Geschädigten voraus (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 15; vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09 - Rn. 15), an dem es bislang fehlt.
Galke Wellner Pauge
Stöhr von Pentz