Entscheidungsdatum: 15.11.2011
Zu den Voraussetzungen für den Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert .
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 14. Januar 2011 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 16. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Der Kläger macht gegen den beklagten Haftpflichtversicherer restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Die volle Einstandspflicht der Beklagten ist unstreitig. Die Parteien streiten darum, wie der Fahrzeugschaden abzurechnen ist. Die vom Sachverständigen ermittelten Bruttoreparaturkosten von 3.254,02 € übersteigen den Wiederbeschaffungswert von 2.150 € steuerneutral um 51 %. Der Kläger hat sein Fahrzeug selbst repariert. Er hat die Zahlung von 130 % des Wiederbeschaffungswerts (2.795 €), hilfsweise der gutachterlich ausgewiesenen Nettoreparaturkosten (2.734,47 €) verlangt, zumindest Erstattung der unterhalb der 130 %-Grenze liegenden konkreten Reparaturkosten. Die Beklagte hat vorprozessual lediglich 850 € gezahlt.
Das Amtsgericht hat den Wiederbeschaffungsaufwand zugrunde gelegt und die Beklagte u.a. verurteilt, an den Kläger 680 € zu zahlen. Das ist der Differenzbetrag zwischen dem gutachterlich ausgewiesenen Restwert (620 €) und dem von der Beklagten bei der Berechnung des Zahlbetrages zugrunde gelegten Restwert (1.300 €). Wegen des weiteren geltend gemachten Fahrzeugschadens hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger auf den Fahrzeugschaden 1.871,70 € zu zahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Frage, ob der Geschädigte Ersatz der Reparaturkosten verlangen könne, wenn es ihm gelinge, die Kosten entgegen der Einschätzung des Sachverständigen innerhalb der 130 %-Grenze zu halten, sei dahin zu beantworten, dass auf die tatsächlichen Reparaturkosten jedenfalls dann abzustellen sei, wenn diese schon vor Durchführung der Reparatur feststünden und die tatsächlich durchgeführte Reparatur mit allenfalls geringen unwesentlichen Ausnahmen den Vorgaben des zuvor eingeholten Gutachtens entspreche. Dies sei hier der Fall. Um eine Aufspaltung der Reparaturkosten in einen wirtschaftlich vernünftigen und einen unvernünftigen Teil gehe es ebenso wenig wie um eine Vermengung zwischen fiktiver und konkreter Abrechnung. Dem Kläger sei es gelungen, die vom Sachverständigen für erforderlich gehaltene Reparatur billiger zu gestalten, weil wegen der Eigenreparatur auf die Arbeitskosten keine Mehrwertsteuer angefallen sei und zudem der Kläger als Arbeitnehmer eines Kfz-Reparaturbetriebs die benötigten Ersatzteile preiswerter bekommen habe. Unter Berücksichtigung der Nettoreparaturkosten laut Gutachten (2.734,47 €) und der erzielten Einsparungen (205,40 €) sowie der tatsächlich angefallenen Mehrwertsteuer (192,63 €) ergebe sich ein Betrag in Höhe von 2.721,70 € (127 % des Wiederbeschaffungswerts).
II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann der Ersatz des Reparaturaufwands bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (Senatsurteile vom 15. Februar 2005 - VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 167 ff.; vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn. 7).
Inzwischen hat der Senat entschieden, dass jedenfalls in dem Fall, in dem zwar die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130 %-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber - auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen - gelungen ist, eine nach Auffassung des sachverständig beratenen Berufungsgerichts fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, dem Geschädigten aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden kann (Senatsurteil vom 14. Dezember 2010 - VI ZR 231/09, VersR 2011, 282 Rn. 13). Der Senat hat ferner entschieden, dass der Geschädigte, der sein beschädigtes Kraftfahrzeug instand gesetzt hat, obwohl ein Sachverständiger die voraussichtlichen Kosten der Reparatur auf einen den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteigenden Betrag geschätzt hat, den Ersatz von Reparaturkosten nur dann verlangen kann, wenn er nachweist, dass die tatsächlich durchgeführte Reparatur, sofern diese fachgerecht und den Vorgaben des Gutachtens entsprechend ausgeführt worden ist, wirtschaftlich nicht unvernünftig war, was der tatrichterlichen Beurteilung (§ 287 ZPO) unterliegt (Senatsurteil vom 8. Februar 2011 - VI ZR 79/10, VersR 2011, 547 Rn. 8).
Danach ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt, wenn der Geschädigte sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht nach den Vorgaben des Sachverständigen in Stand setzt (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2005 - VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 168; vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, aaO Rn. 8).
So liegt es im Streitfall. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, dass die vom Kläger durchgeführte Reparatur von den Vorgaben des Gutachtens abweicht. Der hintere Querträger wurde nicht ausgetauscht, sondern instand gesetzt, hinter der Stoßfängerverkleidung verblieb eine Delle und die Heckstoßfängerverkleidung wurde nicht richtig eingepasst.
Bei dieser Sachlage kann ein Anspruch auf Ersatz der über dem Wiederbeschaffungswert liegenden Reparaturkosten nicht bejaht werden.
Galke |
Zoll |
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Diederichsen |
Richterin am Bundesgerichtshof |
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