Entscheidungsdatum: 29.11.2016
Zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde.
1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. Dezember 2015 wird für den Kläger hinsichtlich der Beklagten zu 3 gegen Sicherheitsleistung der Beklagten zu 3 in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages eingestellt, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Im Übrigen wird der Antrag der Beklagten zu 1 und zu 3 auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen.
2. Der Beklagte zu 1 wird darauf hingewiesen, dass seine Nichtzulassungsbeschwerde verspätet eingelegt wurde und damit unzulässig sein dürfte.
I.
Die Beklagten zu 1 und 3 sind durch Urteil des Oberlandesgerichts Celle als Gesamtschuldner unter anderem dazu verurteilt worden, an den Kläger 15.648,13 € sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 818,16 €, jeweils nebst Zinsen, zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat das - "abgekürzt gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO" begründete - Urteil ohne Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis für vorläufig vollstreckbar erklärt und zur Begründung insoweit ausgeführt, die Entscheidung beruhe auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Die Beklagten haben gegen das dem Beklagten zu 1 am 17. Dezember 2015 und der Beklagten zu 3 am 21. Dezember 2015 zugestellte Urteil am 21. Januar 2016 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die sie, nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 23. Mai 2016, am 23. Mai 2016 begründeten.
II.
1. Der Antrag der Beklagten zu 3 ist in dem im Tenor beschriebenen Umfang begründet.
a) Der Antrag scheitert insoweit nicht daran, dass die Beklagte zu 3 im Berufungsverfahren keinen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Denn aus der Bezugnahme auf § 713 ZPO und § 313a ZPO im Berufungsurteil ergibt sich, dass das Berufungsgericht der rechtsirrigen Annahme war, dass gegen seine Entscheidung unzweifelhaft kein Rechtsmittel gegeben sei, und es der Beklagten zu 3 deshalb keine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO gewährt hat. Auf diese fehlerhafte Rechtsanwendung musste sich die Beklagte zu 3 nicht einstellen, so dass ihr das Unterlassen eines Antrages gemäß § 712 ZPO nicht vorgeworfen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2016 - VI ZR 675/15 Rn. 4, juris, mwN).
b) Der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte zu 3 innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 321 Abs. 2 ZPO keinen Ergänzungsantrag gemäß §§ 716, 321 ZPO gestellt hat. Eine Ergänzung des Berufungsurteils um die Schutzanordnung gemäß § 711 ZPO ist nicht möglich, weil das Berufungsgericht über die Frage der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht unvollständig entschieden, sondern seine Entscheidung ausdrücklich - wenn auch fehlerhaft - auf § 713 ZPO gestützt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2016 - VI ZR 675/15 Rn. 4, juris, mwN).
c) Die Beklagte zu 3 hat glaubhaft gemacht, dass ihr die Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Der Klägervertreter hat gegenüber dem erkennenden Senat mitgeteilt, der Kläger müsse an sich schnellstmöglich operiert werden, was er sich - ohne abschließende Entscheidung in vorliegender Sache - betriebsbedingt und damit auch wirtschaftlich aktuell nicht leisten könne. Dies lässt befürchten, dass der Kläger nicht über genügend Mittel verfügt, um den im Falle der Aufhebung des Berufungsurteils entstehenden Rückzahlungsanspruch der Beklagten zu 3 erfüllen zu können. Dies genügt für die Annahme eines nicht zu ersetzenden Nachteils im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2016 - VI ZR 675/15 Rn. 4, juris, mwN).
d) Der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung steht kein überwiegendes Interesse des Klägers entgegen. Die Nachteile einer weiteren Leistungsverzögerung treffen ihn zwar gerade wegen seiner schwierigen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in erheblichem Maße. Sie wiegen allerdings vor dem Hintergrund, dass er lediglich infolge einer offensichtlich rechtsirrigen Annahme der Voraussetzungen des § 713 ZPO durch das Berufungsgericht in den Besitz eines ohne Schuldnerschutzanordnungen für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils gelangt ist, nicht so schwer wie der der Beklagten zu 3 drohende unwiederbringliche Verlust. Der Kläger hätte die Nachteile bei rechtmäßiger Entscheidung des Berufungsgerichts ohnehin tragen müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2016 - VI ZR 675/15 Rn. 7, juris).
e) Schließlich steht auch nicht fest, dass die Nichtzulassungsbeschwerde oder die mit ihr beabsichtigte Revision keine Aussicht auf Erfolg haben. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium erscheint der Ausgang des Nichtzulassungsbeschwerde- bzw. Revisionsverfahrens noch offen. Ob die von der Beklagten zu 3 geltend gemachten Zulassungsgründe gegeben sind, bedarf einer sorgfältigen Prüfung, die so schnell, wie über den Einstellungsantrag entschieden werden muss, nicht abgeschlossen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2016 - VI ZR 675/15 Rn. 8, juris, mwN).
2. Demgegenüber war der Antrag des Beklagten zu 1 zurückzuweisen. Seine Nichtzulassungsbeschwerde hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil sie verspätet eingelegt wurde. Das in vollständiger Form abgefasste Berufungsurteil wurde dem Beklagten zu 1 am 17. Dezember 2015 zugestellt. Die Frist des § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO lief damit am Montag, dem 18. Januar 2016, ab. Eingelegt wurde die Nichtzulassungsbeschwerde erst am 21. Januar 2016.
§ 124 Abs. 1 VVG führt zu keiner anderen Bewertung. Selbst wenn die Klage gegen die Beklagte zu 3 im weiteren Verfahren abgewiesen werden würde, änderte dies an der mit Ablauf der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde eingetretenen rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten zu 1 nichts (vgl. Senatsurteil vom 30. April 1985 - VI ZR 110/83, VersR 849, 850; Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl., § 124 Rn. 4).
Galke von Pentz Offenloch
Roloff Müller