Entscheidungsdatum: 11.02.2014
Bei den auf dem Falkenseer Platz in Berlin zwischen den Leitlinien befindlichen Pfeilen handelt es sich nicht um bloße Fahrempfehlungen, sondern um (verbindliche) Fahrtrichtungsgebote.
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 41 des Landgerichts Berlin vom 21. Februar 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin begehrt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 30. April 2011 in Berlin-Spandau auf dem Falkenseer Platz ereignete. Dieser besteht aus einer kreisförmigen Grünanlage, um die ein mehrspuriger, ausschließlich gegen den Uhrzeigersinn zu befahrender Straßenring führt, in den von außen vier mehrspurige Straßen einmünden: im Nordwesten der Falkenseer Damm, im Südwesten der Altstädter Ring, im Südosten die Straße "Am Juliusturm" und im Nordosten die Neuendorfer Straße. Die in den Falkenseer Platz hineinführenden Fahrbahnen dieser Straßen sind von den aus dem Platz herausführenden Fahrbahnen jeweils durch einen begrünten Mittelstreifen getrennt. Im Bereich des Platzes befinden sich zwölf Lichtzeichenanlagen, nämlich jeweils drei im Bereich der vier Einmündungen, von denen jeweils eine den Verkehr auf den in den Platz hineinführenden Fahrbahnen regelt, eine zweite den Verkehr auf den herausführenden Fahrbahnen und eine dritte den Verkehr auf dem Straßenring. Die hier befindlichen Lichtzeichenanlagen sind jeweils in Höhe der Mittelstreifen der vier Einmündungen angebracht. Unmittelbar vor ihnen und vor den Lichtzeichenanlagen der einmündenden Fahrbahnen befinden sich jeweils Leitlinien (Zeichen 340 der StVO) und Pfeilmarkierungen (Zeichen 297 der StVO).
Die Klägerin befuhr gegen 10:15 Uhr mit ihrem Pkw VW Golf aus dem Altstädter Ring kommend den Straßenring des Falkenseer Platzes und befand sich nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen bei der Lichtzeichenanlage in Höhe des Mittelstreifens der Straße "Am Juliusturm" in dem dritten Fahrstreifen von links. Dort sind vor der Haltlinie Pfeile angebracht, die nach rechts weisen. Die Klägerin wollte an der nächsten Ausfahrt nicht nach rechts abbiegen, sondern im Straßenring verbleiben.
Der Beklagte zu 1 kam mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw VW Passat samt Anhänger ebenfalls aus dem Altstädter Ring. Er benutzte zunächst den äußersten linken Fahrstreifen. Dieser wird im Straßenring in Höhe des Mittelstreifens der Einmündung der Straße "Am Juliusturm" zum zweiten Fahrstreifen von links, auf dem vor der Haltlinie der dortigen Lichtzeichenanlage Pfeile als Fahrtrichtung sowohl ein Verbleiben auf dem Straßenring als auch ein Abbiegen nach rechts anzeigen. Der Beklagte, der den Falkenseer Platz an der nachfolgenden Ausfahrt verlassen und in die Neuendorfer Straße abbiegen wollte, verblieb auf seinem Fahrstreifen und lenkte den Pkw nach rechts in Richtung Neuendorfer Straße. Unmittelbar vor der Ausfahrt kam es zur Kollision, wobei der VW Golf der Klägerin gegen die rechte Seite des Anhängers stieß.
Die Klägerin hat wegen der Beschädigung ihres Fahrzeugs Schadensersatz in Höhe von 3.773,39 € begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil stattgegeben und dieses nach rechtzeitigem Einspruch der Beklagten in Höhe von 1.886,70 € aufrechterhalten, wobei es davon ausgegangen ist, dass die Richtungspfeile auf den Fahrstreifen lediglich Fahrempfehlungen seien und beide Fahrzeuge mithin sowohl auf dem Straßenring hätten verbleiben als auch aus diesem hätten ausfahren dürfen. Die Berufung der Beklagten führte zur vollumfänglichen Klageabweisung. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren im Umfang ihres Berufungsantrags weiter.
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Anscheinsbeweis spreche dafür, dass die Klägerin den Unfall allein verursacht und verschuldet habe. Sie habe gegen das Gebot verstoßen, der durch Zeichen 297 der StVO angeordneten Fahrtrichtung zu folgen (§ 41 Abs. 1 StVO), und sich beim Fahrstreifenwechsel entgegen § 7 Abs. 5 Satz 1 StVO nicht so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen sei. Hinter diesen Verkehrsverstößen trete die Betriebsgefahr des von dem Beklagten zu 1 geführten Pkw nebst Anhänger zurück. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob es sich bei den Fahrbahnmarkierungen auf wichtigen Berliner Verkehrsknotenpunkten wie dem Ernst-Reuter-Platz, dem Jakob-Kaiser-Platz und dem Falkenseer Platz um bloße Fahrempfehlungen (vgl. KG, 22. Zivilsenat, Urteil vom 29. März 2012 - 22 U 131/11, juris Rn. 7, insoweit in Schaden-Praxis 2012, 315 nicht abgedruckt) oder um verbindliche Vorgaben gemäß § 41 Abs. 1 StVO in Verbindung mit Zeichen 297 der StVO handele, unterschiedlich beantwortet werde.
II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts bezüglich des tatsächlichen Unfallhergangs.
2. Sie macht allein geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass auch dem Beklagten zu 1 eine unfallursächliche Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, denn dieser habe gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 1 StVO) verstoßen. Diese Pflichtverletzung sei nicht geringer zu bewerten als der Fahrstreifenwechsel der Klägerin, denn bei den Richtungspfeilen, die im Straßenring des Falkenseer Platzes vor den Haltlinien der Lichtzeichenanlagen auf den Fahrstreifen angebracht seien, handele es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nur um Fahrtrichtungsempfehlungen und nicht um Gebote im Sinne von § 41 Abs. 1 StVO. Diese Rüge der Revision erweist sich als unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin, als sie mit ihrem Pkw nicht in die Neuendorfer Straße abbog, sondern im Straßenring des Falkenseer Platzes verblieb, gegen ein Fahrtrichtungsgebot verstieß.
a) Gemäß § 41 Abs. 1 StVO hat jeder Verkehrsteilnehmer die durch Vorschriftszeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen. Zeichen 297 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ordnet ein Fahrtrichtungsgebot an. Wer ein Fahrzeug führt, muss der Fahrtrichtung auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung folgen, wenn zwischen den Pfeilen Leitlinien (Zeichen 340) oder Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295) markiert sind (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 41 StVO Rn. 248n; Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 9 StVO Rn. 51; zu § 41 StVO aF vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 75/06, VersR 2007, 262; OLG Hamm, VRS 48, 144, 146; OLG Düsseldorf, VerkMitt 1972, Nr. 60; OLG Karlsruhe, NJW 1975, 1666, 1667 f. mit Anmerkung von Booß). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen handelt es sich bei dem Straßenring des Falkenseer Platzes um eine mehrspurige Straße, deren Fahrstreifen jeweils durch Leitlinien (Zeichen 340) markiert sind. Vor der Haltlinie der Lichtzeichenanlage in Höhe der Einmündung der Straße "Am Juliusturm" befinden sich zwischen den Leitlinien Richtungspfeile. Da die Pfeile auf dem dritten Fahrstreifen von links, den die Klägerin befuhr, nach rechts weisen, gebieten sie gemäß Zeichen 297 der StVO als verbindliche Fahrtrichtung ein Abbiegen nach rechts auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung.
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese nach rechts weisenden Richtungspfeile als Fahrtrichtung ein Abbiegen in die Neuendorfer Straße gebieten. Bei der Ausfahrt Neuendorfer Straße handelt es sich um die folgende Einmündung im Sinne des Zeichens 297 der StVO. Dem steht entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen, dass der Verkehrsteilnehmer nach der Haltlinie dieser Lichtzeichenanlage zunächst die in den Straßenring einmündende Richtungsfahrbahn der Straße "Am Juliusturm" passieren muss, bevor er nach rechts in die Neuendorfer Straße abbiegen kann. Die einmündende Richtungsfahrbahn ist nicht die nächste Einmündung im Sinne des Zeichens 297 der StVO, sondern eine nur in Gegenrichtung - als Einfahrt in den Straßenring - befahrbare Richtungsfahrbahn der einmündenden Straße "Am Juliusturm". Weist eine einmündende Straße - wie hier - zwei voneinander durch Mittelstreifen getrennte Richtungsfahrbahnen auf, handelt es sich nämlich nicht um zwei verschiedene Einmündungen, sondern, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, um eine einzige Straßeneinmündung.
c) Für diese Auffassung spricht auch, dass auf Kreuzungen von Straßen mit voneinander durch Mittelstreifen getrennten Richtungsfahrbahnen der Linksabbieger im Allgemeinen zunächst die von links einmündende Richtungsfahrbahn (Gegenfahrbahn), in die er nicht einfahren darf, passieren muss, bevor er selbst nach links in die für ihn befahrbare Richtungsfahrbahn abbiegen kann. Würde man der Auffassung der Revision folgen, wäre die von ihm zunächst zu passierende Gegenfahrbahn der einmündenden Straße als folgende Einmündung im Sinne des Zeichens 297 der StVO anzusehen. Dies hätte zur Folge, dass Richtungspfeile vor solchen Kreuzungen grundsätzlich keinen Gebotscharakter hätten. Eine solche Auslegung ist mit dem Sinn und Zweck von Fahrtrichtungsgeboten, die zu einem zügigen und sicheren Verkehrsfluss beitragen sollen, nicht vereinbar. Für von rechts einmündende Richtungsfahrbahnen einer Straße kann aber nichts anderes gelten als für Richtungsfahrbahnen von Straßen, die auf einer Kreuzung zusammentreffen.
d) Die Überlegungen der Revision dazu, dass Ge- und Verbotszeichen sofort und aus sich selbst heraus verständlich sein müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 1975 - 4 StR 508/74, BGHSt 26, 73, 79 mwN), vermögen nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Es mag sein, dass die Verkehrsführung auf dem großräumigen Straßenring des Falkenseer Platzes in Berlin-Spandau insbesondere von ortsunkundigen Kraftfahrern eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangt. Diese ist jedoch gerade im Bereich von großen, stark befahrenen Kreuzungen und Einmündungen von jedem Verkehrsteilnehmer zu fordern. Von einer unklaren Verkehrsführung kann nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen jedenfalls keine Rede sein. Die zwischen den Leitlinien befindlichen Pfeile geben mit hinreichender Klarheit die Fahrtrichtung für die nächste Ausfahrt aus dem Straßenring vor. Es handelt sich nicht um bloße Fahrempfehlungen, sondern um (verbindliche) Fahrtrichtungsgebote.
e) Da die Klägerin der für sie angeordneten Fahrtrichtung nicht gefolgt ist, hat sie gegen ein Fahrtrichtungsgebot verstoßen. Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine Haftung der Beklagten scheide aus, weil die Klägerin das alleinige Verschulden an dem Verkehrsunfall trage und die Betriebsgefahr des von dem Beklagten zu 1 geführten Pkw nebst Anhänger hinter dem Verkehrsverstoß der Klägerin zurücktrete, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Galke Diederichsen Pauge
von Pentz Offenloch