Entscheidungsdatum: 20.05.2014
1. Ein Kostenfestsetzungsverlangen kann als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen denselben Antragsgegner vorgegangen sind.
2. Ein Kostenfestsetzungsverlangen ist nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, wenn die von demselben Prozessbevollmächtigten vertretenen Antragsteller den Antragsgegner zeitlich gestaffelt in Anspruch nehmen und ihr Vorgehen dazu bestimmt und geeignet ist, das Prozessrisiko insgesamt zu reduzieren.
3. Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kosten (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO).
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 31. Januar 2013 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 24. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 8. August 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Antragsgegnerin.
Beschwerdewert: 582,72 €
I.
Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Verbreitung einzelner, in einem Artikel über sie und ihren Lebensgefährten Bastian S. in der Zeitschrift "Closer" vom 13. Juni 2012 enthaltener Behauptungen sowie eines Fotos in Anspruch. Das Landgericht gab dem Antrag vom 22. Juni 2012 mit Beschluss vom 9. Juli 2012 statt und erlegte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auf. Vorprozessual hatten die Antragstellerin und Herr S. die Antragsgegnerin mit Schreiben ihrer gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vom 15. Juni 2012 abgemahnt; die Antragsgegnerin hatte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 10. Juli 2012 stellten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und des Herrn S. der Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung vom 9. Juli 2012 zu und forderten sie auf, Herrn S. gegenüber eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Dies lehnte die Antragsgegnerin ab. Herr S. beantragte daraufhin am 17. Juli 2012 wegen derselben Wort- und Bildberichterstattung vor dem Landgericht Hamburg ebenfalls den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Diesem Antrag entsprach das Landgericht mit Beschluss vom 23. Juli 2012. Die Antragsgegnerin legte gegen keine der beiden einstweiligen Verfügungen Widerspruch ein.
In ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die Antragstellerin eine Vergütung in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von 65.000 € nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 1.761,08 € zur Festsetzung angemeldet. Die Rechtspflegerin beim Landgericht hat dem Antrag entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht den Kostenfestsetzungsbeschluss geändert und die von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 1.178,34 € festgesetzt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts.
II.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die gerichtliche Verfolgung der Unterlassungsansprüche durch die Antragstellerin und Herrn S. in getrennten Verfügungsverfahren rechtsmissbräuchlich sei. Die Unterlassungsansprüche stützten sich auf die Verbreitung derselben Wort- und Bildberichterstattung in demselben Artikel. Ein sachlicher Grund für die Aufspaltung der Verfahren sei nicht gegeben. Dass die gemeinsamen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und des Herrn S. mit der isolierten Geltendmachung zunächst nur der Ansprüche der Antragstellerin das Kostenrisiko insgesamt hätten reduzieren wollen und die Antragsgegnerin im Anschluss an die erlassene einstweilige Verfügung die Möglichkeit gehabt habe, durch Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung das zweite Verfahren zu vermeiden, rechtfertige die getrennte Verfolgung der Ansprüche nicht. Denn bei der vorzunehmenden ex ante-Betrachtung sei völlig offen gewesen, wie die Antragsgegnerin auf die Zustellung der einstweiligen Verfügung reagieren werde. Sie hätte auch Widerspruch einlegen und gegen ein etwaiges, die einstweilige Verfügung bestätigendes Urteil Berufung einlegen können. Herr S. wäre dann gezwungen gewesen, vor einer rechtskräftigen Entscheidung über den Verfügungsantrag der Antragstellerin ebenfalls einen Verfügungsantrag beim Landgericht einzureichen, was zwangsläufig zu mehr Kosten geführt hätte. Die beabsichtigte Kostenschonung habe deshalb auf reiner Spekulation beruht. Abgesehen davon dürfe im Kostenfestsetzungsverfahren nicht in dem Maße differenziert werden. Es sei nicht Aufgabe des Rechtspflegers, die Motivation der Parteien für ein bestimmtes prozessuales Verhalten zu erforschen. Vielmehr sei eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Danach sei darauf abzustellen, ob vor der Einreichung des ersten Verfügungsantrags mit hinreichender Sicherheit davon habe ausgegangen werden können, dass die Gesamtkosten reduziert würden. Dies sei vorliegend zu verneinen. Die Antragstellerin müsse sich kostenrechtlich deshalb so behandeln lassen, als hätten sie und ihr Lebensgefährte ein einziges Verfahren als Streitgenossen geführt. Dann wäre lediglich eine Verfahrensgebühr aus den addierten Gegenstandswerten der beiden Einzelverfahren (130.000 €) nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 2.356,68 € angefallen, wovon die Hälfte, d.h. ein Betrag von 1.178,34 € auf die Antragstellerin entfalle.
III.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist das Begehren der Antragstellerin nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, soweit es auf die Festsetzung der Mehrkosten gerichtet ist, die dadurch entstanden sind, dass die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte in getrennten Prozessen gegen die Antragsgegnerin vorgegangen sind.
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass die Rechtsausübung im Zivilverfahren dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot unterliegt. Als Ausfluss dieses auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatzes trifft jede Prozesspartei die Verpflichtung, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann dazu führen, dass das Festsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist und die unter Verstoß gegen Treu und Glauben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren abzusetzen sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. September 2012 - VI ZB 59/11, VersR 2013, 207 Rn. 9 und - VI ZB 61/11, juris Rn. 9; vom 20. November 2012 - VI ZB 73/11, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2012 - V ZB 58/12, NJW-RR 2013, 337 Rn. 5, jeweils mwN).
b) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Beschwerdegericht ferner angenommen, dass es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein kann, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen denselben Antragsgegner vorgegangen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 11. September 2012 - VI ZB 59/11, aaO Rn. 10; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2012 - V ZB 58/12, aaO Rn. 7, jeweils mwN).
c) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts sind die Voraussetzungen für die Annahme eines missbräuchlichen Festsetzungsverlangens vorliegend aber nicht gegeben. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte S. haben einen einheitlichen Lebenssachverhalt nicht willkürlich in mehrere Prozessmandate aufgespalten. Sie haben die Antragsgegnerin insbesondere nicht in engem zeitlichem Zusammenhang und ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen auf Unterlassung in Anspruch genommen. Ihr zeitlich gestaffeltes Vorgehen war vielmehr sachlich veranlasst und diente der Wahrung ihrer berechtigten Belange. Es war dazu bestimmt und geeignet, das Prozessrisiko insgesamt zu reduzieren, und trug die Möglichkeit in sich, die Ansprüche der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten insgesamt möglichst kostenschonend durchzusetzen. Durch die isolierte Geltendmachung nur der Ansprüche der Antragstellerin, für die Kosten aus einem Streitwert von lediglich 65.000 € entstanden, wurde eine Frage der (ersten) gerichtlichen Klärung zugeführt, die sich in ähnlicher Weise in dem später eingeleiteten Verfahren ihres Lebensgefährten gegen die Antragsgegnerin stellte, nämlich diejenige, wie die Veröffentlichung der sowohl die Antragstellerin als auch Herrn S. betreffenden Wort- und Bildberichterstattung rechtlich zu beurteilen war. Hätte das Landgericht den Erlass der einstweiligen Verfügung abgelehnt, hätte Herr S. nicht damit rechnen können, dass das Landgericht seinen aus dem identischen Lebenssachverhalt abgeleiteten, gleichgerichteten Antrag positiv bescheiden würde. Er hätte deshalb von einem eigenen Antrag Abstand nehmen können. Dagegen bestand nach Erlass der von der Antragstellerin erwirkten einstweiligen Verfügung die Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin den Ansprüchen des Herrn S. nicht weiter entgegentreten und diesem gegenüber außergerichtlich eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben würde. In beiden Fällen hätten die Einleitung eines zweiten Verfügungsverfahrens und die Entstehung der damit verbundenen Kosten vermieden werden können. Dies genügt, um das Vorgehen der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten als sachlich veranlasst anzusehen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts und der Beschwerdeerwiderung ist es dagegen nicht erforderlich, dass vor Einleitung des ersten Verfahrens aufgrund begründeter Anhaltspunkte mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Gesamtkosten durch die isolierte Geltendmachung der Ansprüche nur einer Person reduziert werden.
2. Die Erstattungsfähigkeit der den Betrag von 1.178,34 € übersteigenden Rechtsanwaltsgebühren kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, dass diese Kosten nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewesen seien. Denn die Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren richtet sich nicht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern nach § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO. Nach dieser Bestimmung sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten. Die Norm bildet insofern eine Ausnahme, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grundsätzlich gebotenen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet. Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kosten (vgl. Senatsbeschluss vom 11. September 2012 - VI ZB 59/11, VersR 2013, 207 Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 2. November 2011 - XII ZB 458/10, NJW 2012, 459 Rn. 35; vom 26. April 2005 - X ZB 17/04, NJW 2005, 2317; vom 27. März 2003 - V ZB 50/02, juris Rn. 6; vom 4. Februar 2003 - XI ZB 21/02, NJW 2003, 1532, jeweils mwN; BAG, NJW 2005, 1301, 1302; MünchKommZPO/Schulz, 4. Aufl., § 91 Rn. 59; BeckOK ZPO/Jaspersen, § 104 Rn. 22 [Stand: 15. März 2014], jeweils mwN). Dieser Beurteilung steht der Beschluss des V. Zivilsenats vom 8. Juli 2010 (V ZB 153/09, NJW-RR 2011, 230 Rn. 14) nicht entgegen. Er betraf die klageweise Anfechtung desselben Beschlusses der Wohnungseigentümer durch eine Mehrheit von Anfechtungsklägern, die in Hinblick auf die Notwendigkeit der Prozessverbindung gemäß § 47 WEG und die umfassende Rechtskraftwirkung des § 48 Abs. 3 WEG Sonderregelungen unterworfen und deshalb mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2012 - V ZB 58/12, NJW-RR 2013, 337).
3. Der Senat hatte in der Sache selbst zu entscheiden, da weitere Feststellungen nicht zu treffen waren und die Sache deshalb zur Endentscheidung reif war (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Galke Wellner Diederichsen
Stöhr von Pentz