Entscheidungsdatum: 11.03.2010
Beiträge zu Direktversicherungen können nur dann in die Durchschnittsberechnung nach § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG einbezogen werden, wenn ein gemeinsamer Versicherungsvertrag vorliegt. Direktversicherungen, die nach einem Wechsel des Arbeitgebers beim neuen Arbeitgeber als Einzelversicherungen fortgeführt werden, erfüllen diese Voraussetzung nicht .
I. Streitig ist, ob auf Beiträge zu einer Direktversicherung die Durchschnittsberechnung nach § 40b Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) zur Anwendung kommen kann, wenn Beiträge auch in einen Einzelversicherungsvertrag eingezahlt werden.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat für mehrere ihrer Arbeitnehmer Direktversicherungen in Form einer Gruppen-Lebensversicherung bei der A-Lebensversicherungs-AG abgeschlossen. Für die Mitarbeiter R und L bestanden daneben jeweils noch Einzelversicherungsverträge bei zwei weiteren Versicherungsunternehmen. Diese Einzelversicherungsverträge resultierten aus Gruppenversicherungsverträgen bei den vorherigen Arbeitgebern von R und L. Die Verträge wurden nach dem Wechsel des Arbeitgebers als Einzelversicherungsverträge beim neuen Arbeitgeber fortgeführt. Rahmen- oder Zusatzvereinbarungen zu diesen Einzelversicherungsverträgen waren nicht vereinbart worden.
In den Streitjahren (2000 bis 2002) führte die Klägerin insgesamt Beiträge von jährlich 3.720 DM (2000, 2001) bzw. 1.902 € (2002) für R und 4.200 DM (2000, 2001) bzw. 2.147,43 € (2002) für L ab. Die Versicherungsbeiträge für R und L unterwarf die Klägerin ebenso wie die Beiträge der anderen Mitarbeiter dem pauschalen Lohnsteuerabzug nach § 40b Abs. 2 EStG. Sie ging dabei davon aus, dass in die Durchschnittsberechnung nach § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG auch die Beiträge zu den Einzeldirektversicherungen von R und L einzubeziehen seien. Der Grenzbetrag von 3.408 DM bzw. 1.752 € in § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG wurde bei Einbezug der Beiträge zu den Einzeldirektversicherungen von R und L nach der Durchschnittsberechnung gemäß § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG nicht überschritten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung nicht und nahm die Klägerin nach § 42d EStG für die nicht abgeführte Lohnsteuer in Haftung. Eine Durchschnittsberechnung nach § 40b Abs. 2 EStG i.V.m. R 129 Abs. 9 der Lohnsteuer-Richtlinien 2000 (LStR) sei nur dann möglich, wenn es sich insgesamt um einen einheitlichen Gruppenversicherungsvertrag handele. Da getrennte Versicherungsverträge für R und L vorlägen, seien die den Grenzbetrag von 3.048 DM bzw. 1.752 € übersteigenden Beiträge dem normalen Lohnsteuerabzug zu unterwerfen.
Gegen den Haftungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Das FA lehnte eine Änderung des Haftungsbescheides ab. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Klage vor dem Finanzgericht (FG).
Das FG wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 856 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die unrichtige Anwendung des § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG sowie einen Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Januar 2008 aufzuheben und den Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheid des FA vom 15. Januar 2004 in Form der Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2006 insoweit aufzuheben, als darin Nachforderungen für die Gruppenversicherung der Arbeitnehmer R und L für die Jahre 2000 bis 2002 enthalten sind.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass von den Beiträgen für die Direktversicherungen der Arbeitnehmer R und L nur bis zum Grenzbetrag von 3.408 DM (Streitjahre 2000, 2001) bzw. 1.752 € (Streitjahr 2002) ein Pauschsteuersatz von 20 % erhoben werden kann. Die Klägerin konnte daher gemäß § 42d EStG für die diese Beträge übersteigenden Beiträge in Haftung genommen werden.
1. Nach § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von den Beiträgen für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers mit einem Pauschsteuersatz von 20 % der Beiträge erheben. Dies gilt allerdings nur, soweit die zu besteuernden Beiträge des Arbeitgebers 3.408 DM (Streitjahre 2000 und 2001) bzw. 1.752 € (Streitjahr 2002) je Arbeitnehmer im Kalenderjahr nicht übersteigen. Wird dieser Grenzbetrag überschritten, so scheidet nach § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG eine Lohnsteuerpauschalierung für die übersteigenden Beiträge grundsätzlich aus.
Von diesem Grundsatz lässt § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG jedoch eine Ausnahme zu. Danach gilt als Beitrag für den einzelnen Arbeitnehmer der Teilbetrag, der sich bei einer Aufteilung der gesamten Beiträge durch die Zahl der begünstigten Arbeitnehmer ergibt, wenn dieser Teilbetrag den Grenzbetrag des § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG nicht übersteigt. Arbeitnehmer, für die Beiträge von mehr als 4.200 DM bzw. 2.148 € im Kalenderjahr geleistet werden, sind nicht einzubeziehen. Im Ergebnis erlaubt die Durchschnittsberechnung damit, höhere Zuwendungen an einzelne Arbeitnehmer mit geringeren --den Grenzbetrag des § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG unterschreitenden-- zu kompensieren. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Durchschnittsberechnung nach § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG ist jedoch, dass mehrere Arbeitnehmer gemeinsam in einem Direktversicherungsvertrag versichert sind.
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das FG rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Klägerin die Beiträge für die Direktversicherungen der Arbeitnehmer R und L nur bis zum Grenzbetrag von 3.408 DM (Streitjahre 2000, 2001) bzw. 1.752 € (Streitjahr 2002) dem Pauschsteuersatz des § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG unterwerfen kann. Die Durchschnittsberechnung nach § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG kommt nicht zur Anwendung, da im Streitfall kein gemeinsamer Versicherungsvertrag vorliegt.
a) Die Vorschrift des § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG setzt voraus, dass "mehrere Arbeitnehmer gemeinsam in einem Direktversicherungsvertrag … versichert" sind. Wie das FG zutreffend entschieden hat, ist damit Voraussetzung, dass R und L gemeinsam mit den anderen Arbeitnehmern der Klägerin in einem (gemeinsamen) Direktversicherungsvertrag versichert sind. § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG enthält zwar keinen Hinweis darüber, welche Anforderungen an einen gemeinsamen Direktversicherungsvertrag zu stellen sind, der eindeutige Wortlaut der Vorschrift lässt jedoch nur diese Deutung zu. Denn wenn man das Wort "einem" nicht als Zahlwort, sondern als unbestimmten Artikel begreifen würde, hätte das Wort "gemeinsam" keine Bedeutung mehr. Der Wortlaut der Vorschrift lässt daher nur die Deutung zu, dass die Arbeitnehmer zusammen in ein- und demselben Versicherungsverhältnis stehen müssen.
b) Entgegen den Ausführungen der Klägerin ist es auch sachgerecht, dass nur die Beiträge zu der gemeinsamen Versicherung die Bezugsgröße für die Durchschnittsberechnung darstellen. Dies entspricht --wie das FG zutreffend erkannt hat-- auch dem Sinn und Zweck des § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens. Ausweislich der Begründung hat die Durchschnittsberechnung nach § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG den Zweck, die allgemeine Pauschalierungsgrenze in Höhe von 3.408 DM bzw. 1.752 € aufzulockern, um auch noch für Arbeitnehmer, für die der Grenzbetrag nach § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG zum Aufbau einer angemessenen Altersversorgung als unzureichend angesehen worden ist, die volle Pauschalbesteuerung zu ermöglichen (vgl. Ausschussbericht zu § 40b EStG, BTDrucks 7/2843 Seite 15). Allerdings hielt der Gesetzgeber eine allgemeine Erhöhung des Grenzbetrags im Verhältnis zu Arbeitnehmern ohne betriebliche Altersversorgung und zu Nichtarbeitnehmern für nicht vertretbar. Um dennoch den besonderen Bedürfnissen insbesondere der älteren Arbeitnehmer gerecht zu werden, sollte daher der Durchschnittsbetrag der Aufwendungen für "alle in einem Direktversicherungsvertrag versicherten Arbeitnehmer" für die Pauschalierungsgrenze maßgebend sein. Würde man dem Tatbestandsmerkmal "gemeinsam" keinerlei Bedeutung beimessen und im Ergebnis damit alle Arbeitnehmer der Klägerin, für die Beiträge in einen Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung --Direktversicherung oder Pensionskasse-- geleistet werden, in die Durchschnittsberechnung des § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG aufnehmen, käme dies der vom Gesetzgeber nicht gewollten allgemeinen Erhöhung des Grenzbetrags doch sehr nahe. Denn es ist davon auszugehen, dass der Durchschnittsbetrag die Pauschalierungsgrenze nicht erreichen wird. Es war demnach das Anliegen des Gesetzgebers, in die Durchschnittsberechnung ausschließlich die Beiträge zu einer gemeinsamen Versicherung einzubeziehen, um auf diese Weise die Förderung der Altersversorgung sinnvoll zu begrenzen.
c) Entgegen den Ausführungen der Klägerin sind damit ältere Arbeitnehmer mit höheren Beiträgen --selbst nach einem Arbeitgeberwechsel-- auch nicht generell von einer Förderung der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen. § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG enthält zwar keinen Hinweis darauf, welche Anforderungen an einen gemeinsamen Direktversicherungsvertrag zu stellen sind, es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum Einzelverträge nicht durch einen Rahmenvertrag mit einem schon bestehenden Gruppenversicherungsvertrag zusammengefasst werden können (ebenso Blümich/Förster, § 40b EStG Rz 15). Dies muss selbst dann gelten, wenn Verträge bei verschiedenen Versicherungsunternehmen vorliegen. Hiervon geht offensichtlich auch R 129 Abs. 9 Satz 2 LStR aus, wenn diese einen Rahmenvertrag, in dem die versicherten Personen und die versicherten Wagnisse bezeichnet sind, als gemeinsamen Vertrag genügen lässt. Damit enthält der Rahmenvertrag alle für einen Versicherungsvertrag wesentlichen Merkmale (vgl. Rau in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/ Rau/Weinert, Kommentar zum Betriebsrentengesetz, § 19, § 40b EStG Rz 172). Diese an der eindeutigen Wortfassung des Gesetzes orientierte Auslegung des § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG steht --entgegen den Ausführungen der Klägerin-- im Übrigen auch nicht zu dem mit der Zulassung der Pauschalbesteuerung von bestimmten Zukunftssicherungsleistungen insgesamt verfolgten Zweck, der Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen, in Widerspruch. Denn sie ist immerhin geeignet, den Arbeitgeber zur Schaffung einer betrieblichen Altersversorgung zu Gunsten seiner Arbeitnehmer unabhängig vom Vorliegen eines Einzel- oder Gruppenversicherungsvertrags zu veranlassen.
d) Eine andere Auslegung ist auch nicht deshalb geboten, weil einzelne Arbeitnehmer, die nicht in den Rahmenvertrag einbezogen sind, damit gegenüber anderen Arbeitnehmern des Betriebs, die vom Gruppenversicherungsvertrag erfasst werden, erheblich benachteiligt sind. Denn Steuergesetze können nur ausnahmsweise gegen den Wortlaut ausgelegt werden, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Juni 2000 IV R 37/99, BFHE 193, 85, BStBl II 2001, 162). Dies ist im Streitfall nicht anzunehmen. Die Einbeziehung gemeinsamer Versicherungsverträge in die Durchschnittsberechnung des § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG erscheint --im Sinne der Förderung einer angemessenen Altersversorgung-- gerade auch deswegen folgerichtig, weil lediglich eine gemeinsame Versicherung die Möglichkeit von günstigeren Prämien bietet und dadurch eine gegenüber der Einzelversicherung verbesserte Altersversorgung ermöglicht. Dieser sachliche Grund für eine Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die in einem gemeinsamen Vertrag versichert sind, und solchen, die einzelne Verträge abgeschlossen haben, besteht auch bei Rahmenverträgen, wenn auch bei dieser Vertragsform günstigere Prämien vereinbart werden können. Daneben wird mit dem Erfordernis einer gemeinsamen Versicherung auch bezweckt, eindeutig festzulegen, welche Arbeitnehmer in die Durchschnittsbildung einbezogen sind, um leicht nachprüfen zu können, ob die Pauschalierungsgrenze in § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG eingehalten wird (vgl. Rau in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, a.a.O., § 19, § 40b EStG Rz 166).
e) Es ist aus diesem Grund auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG erkennbar. Art. 3 Abs. 1 GG ist nur verletzt, wenn sich bei der Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 23. Oktober 1951 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14, 52). Aus den unter II. 2. d dargelegten Erwägungen ergeben sich hinreichende Gründe für eine Differenzierung. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG aus einer Steuervergünstigung für eine Gruppe aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Anspruch einer anderen Gruppe auf eine vergleichbare steuerliche Entlastung erwächst (BVerfG-Urteil vom 20. April 2004 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274; BVerfG-Beschluss vom 20. April 2004 1 BvR 610/00, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 696).